Hofkirche
Universitätsstraße 2
Wissenswert
„Das meiste Kunstinteresse erregt die Hof- oder Franziskaner-, eigentlich heil. Kreuzkirche, die mehr Museum der Erzbildnerei als Kirche ist. Im Mittelschiff ist das Grabmal Kaiser Marimilian's I. angebracht, von einem unförmlichen Eisengitter umschlossen. Auf der Decke des Sargs ist der Kaiser lebensgroß, knieend, die Hände zum Gebet gefaltet, zu schauen. Diesen Erzguß verfertigte der Sicilianer Ludwig del Duca, und die an den vier Ecken der Decke angebrachten Statuetten, die Tugenden der Gerechtigkeit, Klugheit, Stärke und Mäßigkeit vorstellend… Die Seitenflächen des Sarges, in 24 Felder getheilt, enthalten auf eben so vielen Marmortafeln die merkwürdigsten Kriegs- und Friedensthaten dieses Herrschers in erhabener Arbeit.“
So beschrieb ein Besucher Innsbrucks im Jahr 1846 die Hofkirche. Und es ist wohl wahr: Kein Bauwerk zeigt die Sicht, die Maximilian I. auf sich selbst hatte, so gut wie die Innsbrucker Hofkirche. Der „letzte Ritter und erste Kanonier“ stellte sich selbst in den Mittelpunkt einer langen Ahnenreihe, die bis zum englischen Sagenkönig Artus zurückreicht. Dabei hätte man noch weiter ausholen können, hatte doch der Hofgenealoge Maximilians den Bibelvater Noah und Hector, den Prinzen des antiken Trojas, als Stammväter der Habsburger ausgemacht.
In der Gestaltung des Kenotaphs, der in der Kirche zentral thront, war unter anderem Albrecht Dürer involviert. Dürer erlitt nicht das Schicksal vieler anderer Künstler der Frühen Neuzeit, deren Wert erst post mortem erkannt wurde, sondern vermarktete sich bereits zu Lebzeiten gut. Maximilian war ein eifriger Förderer Dürers, der als kaufmännisch und frühkapitalistisch orientierter Künstler das kulturelle Äquivalent zu den Fuggern darstellt.
Von den geplanten 40 Schwarzen Mandern, auch wenn nicht alle männlich sind, wurden schlussendlich nur 28 realisiert. Das Oratorium am Sarg von Hans Waldner stellt eine Sternstunde der Tischlereikunst dieser Zeit dar. Maximilian ließ sich knieend als frommer Mann darstellen. Die Reliefs an den Seiten zeigen wichtige Stationen aus dem Leben Maximilians, jedes für sich ist ein kleines Kunstwerk. Beginnend mit der Vermählung mit Maria von Burgund über verschiedene kriegerische Stationen zeigen die 24 Tafeln die Glanztaten Maximilians.
Die Fertigstellung seines Grabmals erlebte der Kaiser nicht mehr. 1519, am Ende seines Lebens sollen ihm die Innsbrucker Wirtsleute die Rechnung präsentiert haben, die sein Hofstaat über die Jahre hinweg bei ihnen angehäuft hatte. Erzürnt über diese Anmaßung kehrte Maximilian „seinem“ Innsbruck den Rücken und machte sich auf den Weg nach Wiener Neustadt, seine Alternative zu Innsbruck als letzte Ruhestätte. Am Weg dorthin verstarb er.
Da die Figuren für die Burg in Wiener Neustadt zu schwer waren, beschloss Kaiser Ferdinand I., der Enkel Maximilians, das Grabmal in Innsbruck erbauen zu lassen. Im 1511 eröffneten Gusswerk im heute als Arbeiterwohnhaus bekannten Gebäude in Mühlau waren die Bronzefiguren gegossen worden, der leere Sarg war nichts weiter als eine unangenehme Nebenerscheinung. Der Bau an der Kirche wurde 1563 nach 10 Jahren beendet.
So egozentrisch Maximilian im Leben und dessen Darstellung war, so bescheiden wollte er seinen letzten Weg antreten. Er soll verfügt haben, ihn nach der letzten Ölung nicht mehr mit seinen Titeln anzusprechen, seinem Leichnam die Zähne zu ziehen, den Schädel zu rasieren und ihn in einen Leichensack einzunähen, auf dass er als armer Büßer vor dem Herrn im Himmel treten könnte. Glaube war ein Instrument, um Ordnung herzustellen und Macht zu legitimieren, Herrscher wie Maximilian waren aber keine Zyniker, sondern tatsächlich fromme Menschen. Glaube funktioniert nur, wenn man wirklich glaubt, Gebäude wie die Hofkirche zeigen das heute noch eindrucksvoll. Der Leichnam Maximilians wurde nicht mehr überführt, der Kaiser blieb in Wiener Neustadt begraben. Sein Herz wurde wie bei Monarchen üblich, getrennt vom Körper bestattet. Es liegt bei seiner ersten Ehefrau Maria von Burgund in Brügge. Die Schwarzmanderkirche ist auch ohne den Leichnam im prächtigen Sarkophag ein eindrucksvoller Coup des PR-Profis Maximilian. Sie gilt als das größte kaiserliche Grabmal Westeuropas.
Was dem Kaiser nicht gelang, schaffte der Tiroler Widerstandskämpfer Andreas Hofer. Seine sterblichen Überreste liegen in der Hofkirche in einem Ehrengrab. Nachdem er 1810 in Mantua hingerichtet worden war, machte sich eine inoffizielle Delegation der Tiroler Schützen 1823 auf, um den Leichnam Hofers auszugraben und nach Innsbruck zu überstellen. Nach anfänglichen Widerständen der Obrigkeit, wurde er schlussendlich doch in der Hofkirche beerdigt. Das Marmordenkmal zeigt Hofer in Tiroler Tracht mit Fahne beim Treueschwur „Für Gott, Kaiser und Vaterland“.
Im Hinteren der Kirche überragt eine der ältesten noch spielbaren Renaissanceorgeln die Szenerie. Instrumente in Kirchen dienen heute noch für Konzerte, scheinen uns als Menschen des 21. Jahrhunderts aber kaum noch als spektakulär. Man sollte dabei nicht vergessen, dass Kirchenmusik über Jahrhunderte hinweg ein Highlight des Tages der Messbesucher darstellte, gab es doch weder Radio noch Spotify.
Ein weiterer Landesfürst von Tirol ist in der Silbernen Kapelle begraben, die über die Hofkirche zugänglich ist. Ferdinand II.galt als Feingeist, Lebemann und Kunstsammler. Ob der Geschichten um seine legendären Feste im Schloss verwundert es kaum, dass er sich nicht bei seiner zweiten Ehefrau Caterina Gonzaga im Servitenkloster, sondern mit der im Volk sehr beliebten ersten Ehefrau Philippine Welser in der Silbernen Kapelle an der Innsbrucker Hofburg beerdigen ließ.
Wer mehr über die Kultur und Alltag vergangener Zeiten in Tirol und die Geschichte der Hofkirche erfahren möchte, kann das Volkskunstmuseum im Rahmen der Besichtigung der Hofkirche besuchen. Das Volkskunstmuseum in Innsbruck war ehemals ein Stift, erbaut nach den Plänen von Andrea Crivelli und Niclas Türing, einem Mitglied der bedeutenden Tiroler Architektendynastie.
Maximilian I. und seine Zeit
Maximilian zählt zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der europäischen und der Innsbrucker Stadtgeschichte. Über Tirol soll der passionierte Jäger gesagt haben: "Tirol ist ein grober Bauernkittel, der aber gut wärmt." Er machte Innsbruck in seiner Regierungszeit zu einem der wichtigsten Zentren des Heiligen Römischen Reichs. „Wer immer sich im Leben kein Gedächtnis macht, der hat nach seinem Tod kein Gedächtnis und derselbe Mensch wird mit dem Glockenton vergessen.“ Dieser Angst wirkte Maximilian höchst erfolgreich aktiv entgegen. Unter ihm spielten Propaganda, Bild und Medien eine immer stärkere Rolle, bedingt auch durch den aufkeimenden Buchdruck. Maximilian nutzte Kunst und Kultur, um sich präsent zu halten. So hielt er sich eine Reichskantorei, eine Musikkapelle, die vor allem bei öffentlichen Auftritten und Empfängen internationaler Gesandter zum Einsatz kam. Das Goldene Dachl, die Hofburg, die Hofkirche und das Innsbrucker Zeughaus wurden von ihm maßgeblich initiiert, ebenso die Befestigung der Straßen und Gassen der Altstadt durch Pflasterung. Er ließ den Handelsweg im heutigen Mariahilf verlegen und verbesserte die Wasserversorgung der Stadt. Eine Feuerordnung gab es in Innsbruck bereits seit 1510. Mit der neuen Wasserleitung, die 25 Jahre zuvor unter Maximilian nach Innsbruck verlegt wurde, ergaben sich neue Möglichkeiten für den Brandschutz. 1499 veranlasste Maximilian die Salvatorikapelle, ein Spital für die notleidenden Innsbrucker, die keinen Anspruch auf einen Platz im Stadtspital der Bruderschaft hatten umzubauen. Er begann auch an den Privilegien des Stiftes Wilten, dem größten Grundherrn im heutigen Stadtgebiet, zu sägen. Infrastruktur im Besitz des Klosters wie Mühle, Säge und Sillkanal sollten stärker unter landesfürstliche Kontrolle kommen.
Der kaiserliche Hof, der immer wieder in Innsbruck ansässig war, transformierte Aussehen und Attitüde Innsbrucks. Gesandte und Politiker aus ganz Europa bis zum osmanischen Reich sowie Adelige ließen sich ihren Wohnsitz in Innsbruck bauen oder übernachteten in den Wirtshäusern der Stadt. Kulturell war es vor allem seine zweite Ehefrau Bianca Maria Sforza, die Innsbruck förderte. Nicht nur die Hochzeit fand hier statt, sie residierte auch lange Zeit hier, war die Stadt doch näher an ihrer Heimat Mailand als die anderen Residenzen Maximilians. Sie brachte ihren gesamten Hofstaat aus der Renaissancemetropole mit in die deutschen Länder nördlich der Alpen.
Innsbruck wurde unter Maximilian aber nicht nur kulturell zu einem Zentrum des Reiches, auch wirtschaftlich brummte die Stadt. Unter anderem war Innsbruck Zentrale des Postdienstes im Kaiserreich. Die Familie Thurn und Taxis erhielt das Monopol auf diesen wichtigen Dienst und wählte Innsbruck als Zentrale ihrer privaten Reichspost.
In der Waffenherstellung konnte Maximilian auf das Fachwissen der Büchsenmeister aufbauen, die sich bereits unter seinem Vorgänger Siegmund in den Gießereien in Hötting etabliert hatten. Der berühmteste von ihnen war Peter „Löffler“ Laiminger. Die Geschichte der Löfflers ist im Roman Der Meister des siebten Siegels ausgezeichnet verarbeitet.
Die Fugger unterhielten eine Kontorei in Innsbruck. Neben seiner ihm gerne unterstellten Liebe für die Tiroler Natur waren ihm die Kostbarkeiten wie das Haller Salz und das Schwazer Silber mindestens ebenso teuer und nützlich. Seinen aufwändigen Hofstaat, die Wahl zum König durch die Kurfürsten und die vielen Kriege finanzierte sich Maximilian unter anderem durch Verpfändung der Bodenschätze des Landes an die reiche Kaufmannsfamilie aus Augsburg.
Bei den Tiroler Bauern war Maximilian zu Lebzeiten lange unbeliebt. Maximilian beschnitt die bäuerlichen Rechte der Allmende. Holzschlag, Jagd und Fischerei wurden dem Landesherrn unterstellt und waren kein Allgemeingut mehr. Das hatte negative Auswirkungen auf die bäuerliche Selbstversorgung. Fleisch und Fisch, im Mittelalter für lange Zeit ein Teil des Speiseplans gewesen, nun wurde dieser Genuss zum Luxus. Es war um 1500, dass aus Jägern Wilderer wurden.
Viele Tiroler mussten auf den Schlachtfeldern den kaiserlichen Willen durchsetzen. Zahlreiche Auseinandersetzungen Maximilians fanden in unmittelbarer Nähe zu Tirol statt. Die Kriege verlangten den wehrfähigen Männern viel ab. Das änderte sich erst in den letzten Regierungsjahren. Über den geschickten politischen Zug des Tiroler Landlibells von 1511 konnte sich Maximilian die Zuneigung und Treue der Untertanen erkaufen und den Einfluss der Bischöfe von Brixen und Trient einschränken. Maximilian gestand den Tirolern in einer Art Verfassung zu, dass sie als Soldaten nur für den Krieg zur Verteidigung des eigenen Landes herangezogen werden dürfen.
Maximilians Wirken in Innsbruck zu fassen, ist schwierig. Er soll regelrecht verliebt in sein Land Tirol gewesen sein. Liebesbekundungen eines Kaisers schmeicheln natürlich der Volksseele bis heute. Seine materielle Hinterlassenschaft mit den vielen Prunkbauten verstärken dieses positive Image. Er machte Innsbruck zu einer kaiserlichen Residenzstadt und trieb die Modernisierung der Infrastruktur voran. Innsbruck wurde zum Zentrum der Rüstungsindustrie und wuchs wirtschaftlich und räumlich. Die Schulden, die er dafür aufnahm und das Landesvermögen, das er an die Fugger verpfändete, prägten Tirol nach seinem Tod mindestens ebenso wie die strengen Gesetze, die er der einfachen Bevölkerung verordnete. In der heutigen Volksseele sind die harten Zeiten nicht so präsent wie das Goldene Dachl und die in der Schule gelernten weichen Fakten und Legenden rund um den einflussreichen Kaiser. 2019 überschlug man sich mit den Feierlichkeiten zum 500. Todestag des für Innsbruck wohl wichtigsten Habsburgers. Der Wiener wurde wohlwollend eingebürgert. Salzburg hat Mozart, Innsbruck Maximilian, einen Kaiser, den Tiroler passend zur gewünschten Identität Innsbrucks als rauen Gesellen, der am liebsten in den Bergen ist, angepasst haben. Sein markantes Gesicht prangt heute auf allerhand Konsumartikeln, vom Käse bis zum Skilift steht der Kaiser für allerhand Profanes Pate. Lediglich für politische Agenden lässt er sich weniger gut vor den Karren spannen als Andreas Hofer. Wahrscheinlich ist es für den Durchschnittsbürger einfacher, sich mit einem revolutionären Wirt zu identifizieren als mit einem Kaiser.
Philippine Welser: Klein Venedig, Kochbücher und Kräuterkunde
Philippine Welser war die Ehefrau Erzherzog Ferdinands II.. Die Welsers zählten zu den wohlhabendsten nicht-adeligen Familien ihrer Epoche. Ihr Onkel Bartholomäus Welser war ähnlich reich wie Jakob Fugger. Auch er hatte Kredite an die Habsburger vergeben. Anstatt die Kredite abzuzahlen, verpfändete Kaiser Karl V. einen Teil der neu annektierten Ländereien in Amerika an die Welser, die dafür das Land als Kolonie Klein-Venedig, heute Venezuela, mit Festungen und Siedlungen sichern und erschließen mussten. Sie statteten Expeditionen aus, um das legendäre Goldland El Dorado zu entdecken. Um möglichst viel aus ihrem Lehen herauszuholen, errichteten sie Handelsstützpunkte, um am gewinnträchtigen transatlantischen Sklavenhandel zwischen Europa, Westafrika und Amerika teilzunehmen. Ihr brutales Vorgehen führte zu Beschwerden am kaiserlichen Hof, wo ihnen das Lehen daraufhin entzogen wurde.
Ferdinand und Philippine lernten sich auf einem Faschingsball in Pilsen kennen. Der Habsburger verliebte sich Hals über Kopf in die wohlhabende Augsburgerin und heiratete sie. Besonders erfreut war im Hause Habsburg niemand über die in aller Heimlichkeit geschlossene Ehe der beiden, auch wenn man das Geld der Welser gut gebrauchen konnte. Hochzeiten zwischen Bürgerlichen und Adligen galten trotz Wohlstandes als skandalös und nicht standesgemäß. Die Kinder wurden deshalb von der Erbfolge ausgeschlossen.
Philippine galt als überaus schön. Ihre Haut sei laut Zeitzeugen so zart gewesen, „man hätte einen Schluck Rotwein durch ihre Kehle fließen sehen können“. Für seine über alles geliebte Frau ließ Ferdinand Schloss Ambras in die heutige Form bringen. Sein Bruder Maximilian meinte gar, dass "Ferdinand verzaubert sai" von der schönen Philippine Welser, als Ferdinand während des Türkenkriegs seine Truppen abzog, um nach Hause zu seiner Frau zu gehen.
Philippine Welsers Leidenschaft war das Kochen. In der Österreichischen Nationalbibliothek ist noch heute eine Rezeptsammlung vorhanden. Die Kochkunst wurde im Mittelalter und der Frühen Neuzeit ausschließlich von Wohlhabenden und Adeligen gepflegt, während der allergrößte Teil der Untertanen essen musste, was verfügbar war. Mittelalter und Neuzeit, eigentlich alle Menschen bis in die 1950er Jahre, lebten unter dauerhaftem Kalorienmangel. Während wir heute zu viel essen und deshalb krank werden, litten unsere Vorfahren unter Krankheiten, die auf Mangelernährung zurückzuführen war. Früchte waren ebenso selten Teil des Speiseplans wie Fleisch. Die Kost war eintönig und kaum gewürzt. Gewürze wie der exotische Pfeffer waren Luxusgüter, die sich das normale Volk nicht leisten konnten. Während der Speiseplan des Normalbürgers eine triste Angelegenheit war, bei der es vor allem darum ging, sich die Kalorien für die tägliche Arbeit so effizient als möglich zu holen, begann sich in Innsbruck unter Ferdinand II. und Philippine Welser die Einstellung zu Essen und Trinken zu verändern. Der Hofstaat hatte seit Friedrich IV. zu einer gewissen Kultivierung der Manieren und Sitten beigetragen, Philippine Welser und Ferdinand trieben diese Entwicklung auf Schloss Ambras und der Weiherburg weiter voran. Die Bankette, die sie gaben, waren legendär und arteten nicht selten in Orgien aus.
Kräuterkunde war ihr zweites Steckenpferd. Philippine Welser beschrieb, wie man Pflanzen und Kräuter zur Linderung körperlicher Leiden aller Art verwendet. Auf Schloss Ambras in Innsbruck ließ sie für ihr Hobby und ihre Studien einen Kräutergarten anlegen.
In der Tiroler Bevölkerung galt sie laut Berichten der Zeit als sehr beliebt, kümmerte sie sich doch sehr um die Armen und Bedürftigen. Die vom Stadtrat angeleitete Fürsorge der Bedürftigen, gesponsert von wohlhabenden Bürgern und Adeligen, war damals allerdings keine Besonderheit, sondern gängige Praxis. Näher an das Seelenheil im nächsten Leben als durch christliche Nächstenliebe, Caritas, konnte man nicht kommen.
Ihre letzte Ruhe fand Philippine Welser nach ihrem Tod 1580 in der Silbernen Kapelle in der Innsbrucker Hofkirche. Gemeinsam mit ihren als Säugling verstorbenen Kindern und Ferdinand wurde sie dort begraben. Unterhalb des Schloss Ambras erinnert die Philippine-Welser-Straße an sie.
Ferdinand II.: Renaissance, Glanz und Glamour
Erzherzog Ferdinand II. von Österreich (1529 – 1595) zählt zu den schillerndsten Figuren der Tiroler Landesgeschichte. Sein Vater Kaiser Ferdinand I. ließ seinem Sohn eine ausgezeichnete Ausbildung angedeihen. Er wuchs am spanischen Hof seines Onkels Kaiser Karl V auf. Einen Teil seiner Jugend verbrachte er am Hof in Innsbruck, der zu dieser Zeit ebenfalls spanisch geprägt war. In jungen Jahren reiste er durch Italien und Burgund und hatte an den wohlhabenden Höfen dort einen Lebensstil kennengelernt, der sich unter der deutschen Aristokratie noch nicht durchgesetzt hatte. Ferdinand war das, was man heute als Globetrotter, Mitglied der Bildungselite oder Kosmopolit bezeichnen würde. Er galt als intelligent, charmant und kunstsinnig. Bei weniger exzentrischen Zeitgenossen genoss Ferdinand den Ruf eines unmoralischen und genusssüchtigen Wüstlings. Es wurde ihm schon zu Lebzeiten nachgesagt, ausschweifende und unsittliche Orgien zu veranstalten.
Ferdinand hatte das Land Tirol als Landesfürst in turbulenten Zeiten übernommen. Die Bergwerke in Schwaz begannen wegen des billigen Silbers aus Amerika unrentabel zu werden. Die Silberschwemme aus der Neuen Welt führte zu einer Inflation. Das hielt ihn nicht davon ab, einen teuren Hofstaat zu unterhalten, währen die Lebenskosten für die ärmeren Bevölkerungsschichten anstiegen. Die italienischen Städte waren stilbildend in Kultur, Kunst und Architektur. Der Tiroler Hof Ferdinands sollte diesen Städten in nichts nachstehen. Seine Maskenbälle und Umzüge waren legendär. Ferdinand ließ Innsbruck im Geist der Renaissance umgestalten. Ganz im Trend der Zeit ahmte er die italienischen Adelshöfe in Florenz, Mantua, Ferrara oder Mailand nach. Hofarchitekt Giovanni Lucchese stand ihm dabei zur Seite. Vorbei sollten die Zeiten sein, in denen Deutsche in den schöneren Städten südlich der Alpen als unzivilisiert, barbarisch oder gar als Schweine bezeichnet wurden.
Auch die Politik Ferdinands stand unter italienischem Einfluss. Machiavelli schrieb sein Werk „Il Principe“, in dem davon die Rede war, dass Regierenden alles erlaubt sei, was für den Erfolg nötig ist, so sie denn unfähig waren, sie auch abgesetzt werden könnten. Ferdinand II. probierte diesem frühen absolutistischen Führungsstil gerecht zu werden und erließ mit seiner Tiroler Landesordnung für damalige Verhältnisse ein modernes juristisches Regelwerk. Die Jesuiten, kurz vor Ferdinands Amtsantritt in Innsbruck eingetroffen, um lästigen Reformatoren und Kirchenkritikern das Leben schwer zu machen und die kirchliche Präsenz verstärken, erhielten in der Silbergasse eine neue Kirche. Es mag heute als Widerspruch scheinen, dass der genusssüchtige Landesfürst Ferdinand als Katholik und Gegenreformator die Kirche verteidigte, in der Zeit der späten Renaissance war es das nicht. Mit seinen Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung war er ebenfalls auf der Linie der Jesuiten.
Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte Ferdinand auf Schloss Ambras bei Innsbruck, wo er sich eine der kostbarsten Sammlungen von Kunstwerken und Rüstungen anlegte, die noch heute zu den wertvollsten der Welt ihrer Art zu zählen ist. Westlich der Stadt erinnert ein Torbogen noch an den Tiergarten, ein Jagdrevier Ferdinands samt Lusthaus entworfen von Lucchese. Das Lusthaus wurde 1786 durch den heute als Pulverturm bekannten Bau ersetzt, der einen Teil der sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck beheimatet. Dem fürstlichen Sport des Jagens folgte im ehemaligen Lusthaus, das der Pulverturm war, die Sportuniversität nach. Das fürstliche Comedihaus am heutigen Rennweg entstand ebenfalls unter der baulichen Leitung Luccheses.
In erster "halbwilder Ehe" war Ferdinand mit der Bürgerlichen Philippine Welser verheiratet. Der Landesfürst soll in seine schöne Ehefrau regelrecht vernarrt gewesen sein, weshalb er sich über alle Konventionen der Zeit hinwegsetzte. Ihre Kinder wurden ob der strengen Gesellschaftsordnung des 16. Jahrhunderts von der Erbfolge ausgeschlossen. Nachdem Philippine Welser verstorben war, heiratete Ferdinand mit 53 Jahren die tiefgläubige Anna Caterina Gonzaga, eine erst 16jährige Prinzessin von Mantua. Große Zuneigung haben die beiden allem Anschein nach aber nicht zueinander empfunden, zumal Anna Caterina eine Nichte Ferdinands war. Die Habsburger waren beim Thema Hochzeit unter Verwandten weniger zimperlich als bei der Ehe eines Adeligen mit einer Bürgerlichen. Auch mit ihr konnte er allerdings "nur" drei Töchter zeugen. Seine letzte Ruhestätte fand Ferdinand in der Silbernen Kapelle bei seiner ersten Ehefrau.
Andreas Hofer und die Tiroler Erhebung von 1809
Die Zeit der Napoleonischen Kriege bescherte dem Land Tirol ein nationales Epos und mit Andreas Hofer einen Helden, dessen Glanz bis in die heutige Zeit strahlt. Grund dafür war nach 1703 einmal mehr eine Auseinandersetzung mit dem nördlichen Nachbarn und dessen Verbündeten. Das Königreich Bayern war während der Napoleonischen Kriege, wie schon während des Spanischen Erbfolgekrieges mit Frankreich verbündet und konnte zwischen 1796 und 1805 Tirol erobern. Innsbruck war nicht mehr Landeshauptstadt Tirols, sondern nur noch eine von vielen Kreishauptstädten der Verwaltungseinheit Innkreis.
Die Steuern wurden erhöht, Befugnisse verringert. Prozessionen und religiöse Feste der konservativen und frommen Tiroler fielen dem aufklärerischen Programm der von der französischen Revolution geprägten neuen Landesherren zum Opfer. Strengen Katholiken Pater Haspinger waren auch Maßnahmen wie die von den Bayern verordneten Pockenimpfungen zuwider. Die Unzufriedenheit innerhalb großer Teile der Tiroler Bevölkerung war groß.
Der Funke, der das Pulverfass zur Explosion brachte, war die Aushebung junger Männer zum Dienst in der bayrisch-napoleonischen Armee, obwohl Tiroler seit dem Landlibell, einem Gesetz Kaiser Maximilians, nur für die Verteidigung der eigenen Grenzen herangezogen werden durften. Am 10. April kam es bei einer Aushebung in Axams bei Innsbruck zu einem Tumult, der schließlich zu einem Aufstand führte.
Für Gott, Kaiser und Vaterland kamen Abteilungen der Tiroler Landesverteidigung zusammen, um den kleinen Armeeteil und die Verwaltungsbeamten der Bayern aus Innsbruck zu vertreiben. Angeführt wurden die Schützen von Andreas Hofer (1767 – 1810), einen Wirt, Wein- und Pferdehändler aus dem Südtiroler Passeiertal bei Meran. Ihm zur Seite standen nicht nur weitere Tiroler wie Pater Haspinger, Peter Mayr und Josef Speckbacher, sondern im Hintergrund auch der Habsburger Erzherzog Johann.
In Innsbruck angekommen plünderten die Schützen Häuser, deren teilweise liberale Bevölkerung der modernen bayrischen Verwaltung nicht in allem abgeneigt war. Teilen der Bürgerschaft wäre dieser frische Wind, der aus dem revolutionären Frankreich herüberwehte, lieber gewesen als die konservativen Habsburger. Der wilde Mob war für die Stadt wohl schädlicher als die bayrischen Verwalter seit 1805. Vor allem gegen den kleinen jüdischen Bevölkerungsanteil Innsbrucks kam es zu heftigen Ausschreitungen der „Befreier“.
Einen Monat später hatten Bayern und Franzosen die Kontrolle über Innsbruck zurückerlangt. Was nun folgte, war das, was als Tiroler Erhebung unter Andreas Hofer, der mittlerweile das Oberkommando über die Tiroler Landesverteidigung übernommen hatte, in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Insgesamt drei Mal konnten die Tiroler Aufständischen den Sieg vom Schlachtfeld tragen. Besonders bekannt ist die 3. Schlacht im August 1809 am Berg Isel. „Innsbruck sieht und hört, was es noch nie gehört und gesehen: eine Schlacht von 40.000 Kombattanten…“
Für kurze Zeit war Andreas Hofer in Ermangelung regulärer Tatsachen Oberkommandant Tirols, auch für zivile Angelegenheiten. Die Kosten für Kost und Logis dieses Bauernregiments musste Innsbruck tragen. Besonders die liberalen und vermögenden Kreise der Stadt waren nicht glücklich mit den neuen Stadtherren. Die von ihm als Landeskommandant erlassenen Verordnungen erinnern eher an einen Gottesstaat als ein Gesetzwerk des 19. Jahrhunderts. Frauen durften nur noch züchtig verhüllt auf die Straße gehen, Tanzveranstaltungen wurden verboten und freizügige Denkmäler wie die am Leopoldsbrunnen zu besichtigenden Nymphen wurden aus dem öffentlichen Raum verbannt. Bildungsagenden sollten wieder an den Klerus gehen. Liberale und Intellektuelle wurden verhaftet, dafür wurde das Rosenkranzbeten zum Gebot.
Am Ende gab es im Herbst 1809 in der vierten und letzten Schlacht am Berg Isel eine empfindliche Niederlage gegen die französische Übermacht. Die Regierung in Wien hatte die Tiroler Aufständischen vor allem als taktischen Prellbock im Krieg gegen Napoleon benutzt. Bereits zuvor hatte der Kaiser das Land Tirol offiziell im Friedensvertrag von Schönbrunn wieder abtreten müssen. Innsbruck war zwischen 1810 und 1814 wieder unter bayrischer Verwaltung. Hofer selbst war zu dieser Zeit bereits ein von der Belastung dem Alkohol gezeichneter Mann. Er wurde gefangengenommen und am 20. Januar 1810 in Mantua hingerichtet.
Der „Freiheitskampf“ symbolisiert bis heute für das Tiroler Selbstverständnis. Lange Zeit galt Andreas Hofer als unumstrittener Held und als Prototyp des wehrhaften, vaterlandstreuen und standhaften Tirolers. Der Underdog, der sich gegen die fremde Übermacht und unheilige Sitten wehrte. Tatsächlich war Hofer wohl ein charismatischer Anführer, ein politisch aber unbegabter und konservativ-klerikaler, simpler Geist. Seine Taktik bei der 3. Schlacht am Berg Isel „Grad nit aufferlassen tiat sie“ (Ann.: Ihr dürft sie nur nicht heraufkommen lassen) fasst sein Wesen wohl ganz gut zusammen.
In konservativen Kreisen Tirols wie den Schützen wird Hofer unkritisch und kultisch verehrt. Das Tiroler Schützenwesen ist gelebtes Brauchtum, das sich zwar modernisiert hat, in vielen dunklen Winkeln aber noch reaktionär ausgerichtet ist. Wiltener, Amraser, Pradler und Höttinger Schützen marschieren immer noch einträchtig neben Klerus, Trachtenvereinen und Marschmusikkapellen bei kirchlichen Prozessionen und schießen in die Luft, um alles Übel von Tirol und der katholischen Kirche fernzuhalten.
In Tirol wird Andreas Hofer bis heute gerne für alle möglichen Initiativen und Pläne vor den Karren gespannt. Vor allem im Nationalismus des 19. Jahrhunderts berief man sich immer wieder auf den verklärten Helden Andreas Hofer. Hofer wurde über Gemälde, Flugblätter und Schauspiele zur Ikone stilisiert. Aber auch heute noch kann man das Konterfei des Oberschützen sehen, wenn sich Tiroler gegen unliebsame Maßnahmen der Bundesregierung, den Transitbestimmungen der EU oder der FC Wacker gegen auswärtige Fußballvereine zur Wehr setzen. Das Motto lautet dann „Mannder, s´isch Zeit!“. Die Legende vom wehrfähigen Tiroler Bauern, der unter Tags das Feld bestellt und sich abends am Schießstand zum Scharfschützen und Verteidiger der Heimat ausbilden lässt, wird immer wieder gerne aus der Schublade geholt zur Stärkung der „echten“ Tiroler Identität.
Erst in den letzten Jahrzehnten setzte eine kritische Betrachtung des erzkonservativen und mit seiner Aufgabe als Tiroler Landeskommandanten wohl überforderten Schützenhauptmanns ein, der angestachelt von Teilen der Habsburger und der katholischen Kirche nicht nur Franzosen und Bayern, sondern auch das liberale Gedankengut der Aufklärung vehement aus Tirol fernhalten wollte.
Über die Stadt verteilt erinnern viele Denkmäler an das Jahr 1809. Andreas Hofer und seinen Mitstreitern Josef Speckbacher, Peter Mayer, Pater Haspinger und Kajetan Sweth wurden vor allem im Stadtteil Wilten, das 1904 zu Innsbruck kam und lange unter der Verwaltung des Stiftes gestanden hatte, Straßennamen gewidmet. Die Feiern zum Todestag Andreas Hofers am 20. Februar locken bis heute regelmäßig Menschenmassen aus allen Landesteilen Tirols in die Stadt.
Glaube, Kirche, Obrigkeit und Herrschaft
Die Fülle an Kirchen, Kapellen, Kruzifixen und Wandmalereien im öffentlichen Raum wirkt auf viele Besucher Innsbrucks aus anderen Ländern eigenartig. Nicht nur Gotteshäuser, auch viele Privathäuser sind mit Darstellungen der Heiligen Familie oder biblischen Szenen geschmückt. Der christliche Glaube und seine Institutionen waren in ganz Europa über Jahrhunderte alltagsbestimmend. Innsbruck als Residenzstadt der streng katholischen Habsburger und Hauptstadt des selbsternannten Heiligen Landes Tirol wurde bei der Ausstattung mit kirchlichen Bauwerkern besonders beglückt. Allein die Dimension der Kirchen umgelegt auf die Verhältnisse vergangener Zeiten sind gigantisch. Die Stadt mit ihren knapp 5000 Einwohnern besaß im 16. Jahrhundert mehrere Kirchen, die in Pracht und Größe jedes andere Gebäude überstrahlte, auch die Paläste der Aristokratie. Das Kloster Wilten war ein Riesenkomplex inmitten eines kleinen Bauerndorfes, das sich darum gruppierte. Die räumlichen Ausmaße der Gotteshäuser spiegelt die Bedeutung im politischen und sozialen Gefüge wider.
Die Kirche war für viele Innsbrucker nicht nur moralische Instanz, sondern auch weltlicher Grundherr. Der Bischof von Brixen war formal hierarchisch dem Landesfürsten gleichgestellt. Die Bauern arbeiteten auf den Landgütern des Bischofs wie sie auf den Landgütern eines weltlichen Fürsten für diesen arbeiteten. Damit hatte sie die Steuer- und Rechtshoheit über viele Menschen. Die kirchlichen Grundbesitzer galten dabei nicht als weniger streng, sondern sogar als besonders fordernd gegenüber ihren Untertanen. Gleichzeitig war es auch in Innsbruck der Klerus, der sich in großen Teilen um das Sozialwesen, Krankenpflege, Armen- und Waisenversorgung, Speisungen und Bildung sorgte. Der Einfluss der Kirche reichte in die materielle Welt ähnlich wie es heute der Staat mit Finanzamt, Polizei, Schulwesen und Arbeitsamt tut. Was uns heute Demokratie, Parlament und Marktwirtschaft sind, waren den Menschen vergangener Jahrhunderte Bibel und Pfarrer: Eine Realität, die die Ordnung aufrecht hält. Zu glauben, alle Kirchenmänner wären zynische Machtmenschen gewesen, die ihre ungebildeten Untertanen ausnützten, ist nicht richtig. Der Großteil sowohl des Klerus wie auch der Adeligen war fromm und gottergeben, wenn auch auf eine aus heutiger Sicht nur schwer verständliche Art und Weise.
Anders als heute, war Religion keineswegs Privatsache. Verletzungen der Religion und Sitten wurde vor weltlichen Gerichten verhandelt und streng geahndet. Die Anklage bei Verfehlungen lautete Häresie, worunter eine Vielzahl an Vergehen zusammengefasst wurde. Sodomie, also jede sexuelle Handlung, die nicht der Fortpflanzung diente, Zauberei, Hexerei, Gotteslästerung – kurz jede Abwendung vom rechten Gottesglauben, konnte mit Verbrennung geahndet werden. Das Verbrennen sollte die Verurteilten gleichzeitig reinigen und sie samt ihrem sündigen Treiben endgültig vernichten, um das Böse aus der Gemeinschaft zu tilgen.
Bis in kleine Details des täglichen Lebens regelte die Kirche lange Zeit das alltägliche Sozialgefüge der Menschen. Kirchenglocken bestimmten den Zeitplan der Menschen. Ihr Klang rief zur Arbeit, zum Gottesdienst oder informierte als Totengeläut über das Dahinscheiden eines Mitglieds der Gemeinde. Menschen konnten einzelne Glockenklänge und ihre Bedeutung voneinander unterscheiden. Sonn- und Feiertage strukturierten die Zeit. Fastentage regelten den Speiseplan. Familienleben, Sexualität und individuelles Verhalten hatten sich an den von der Kirche vorgegebenen Moral zu orientieren. Das Seelenheil im nächsten Leben war für viele Menschen wichtiger als das Lebensglück auf Erden, war dies doch ohnehin vom determinierten Zeitgeschehen und göttlichen Willen vorherbestimmt. Fegefeuer, letztes Gericht und Höllenqualen waren Realität und verschreckten und disziplinierten auch Erwachsene.
Während das Innsbrucker Bürgertum von den Ideen der Aufklärung nach den Napoleonischen Kriegen zumindest sanft wachgeküsst worden war, blieb der Großteil der Menschen in den Umlandgemeinden weiterhin der Mischung aus konservativem Katholizismus und abergläubischer Volksfrömmigkeit verbunden.
Glaube und Kirche haben noch immer ihren fixen Platz im Alltag der Innsbrucker, wenn auch oft unbemerkt. Die Kirchenaustritte der letzten Jahrzehnte haben der offiziellen Mitgliederzahl zwar eine Delle versetzt und Freizeitevents werden besser besucht als Sonntagsmessen. Die römisch-katholische Kirche besitzt aber noch immer viel Grund in und rund um Innsbruck, auch außerhalb der Mauern der jeweiligen Klöster und Ausbildungsstätten. Etliche Schulen in und rund um Innsbruck stehen ebenfalls unter dem Einfluss konservativer Kräfte und der Kirche. Und wer immer einen freien Feiertag genießt, ein Osterei ans andere peckt oder eine Kerze am Christbaum anzündet, muss nicht Christ sein, um als Tradition getarnt im Namen Jesu zu handeln.
Maria Theresia, Reformatorin und Landesmutter
Maria Theresia zählt zu den bedeutendsten Figuren der österreichischen Geschichte. Obwohl sie oft als Kaiserin tituliert wird, war sie offiziell "nur" unter anderem Erzherzogin von Österreich, Königin von Ungarn und Königin von Böhmen. Bedeutend waren ihre innenpolitischen Reformen. Gemeinsam mit ihren Beratern Friedrich Wilhelm von Haugwitz, Joseph von Sonnenfels und Wenzel Anton Kaunitz schaffte sie es aus den sogenannten Österreichischen Erblanden einen modernen Staat zu basteln. Anstatt der Verwaltung ihrer Territorien durch den ansässigen Adel setzte sie auf eine moderne Verwaltung. Das Wohl der Untertanen wurde wichtiger. Ihre Berater hatten ganz im Stil der Aufklärung erkannt, dass sich das Staatswohl aus der Gesundheit und Bildungsgrad seiner Einzelteile ergab. Untertanen sollten katholisch sein, ihre Treue aber sollte dem Staat gelten. Schulbildung wurde unter zentrale staatliche Verwaltung gestellt. Es sollten keine kritischen, humanistischen Geistesgrößen, sondern Material für den staatlichen Verwaltungsapparat erzogen werden. Über Militär und Verwaltung konnten nun auch Nichtadlige in höhere staatliche Positionen aufsteigen.
In Strafverfolgung und Justiz fand ein Umdenken statt. 1747 wurde in Innsbruck eine kleine Polizei eingesetzt, die sich um Angelegenheiten der Marktaufsicht, Gewerbeordnung, Fremdenkontrolle und öffentliche Sittsamkeit kümmerte. Das Strafgesetzbuch Constitutio Criminalis Theresiana schaffte die Folter zwar nicht ab, reglementierte aber deren Anwendung.
Wirtschaftsreformen sollten nicht nur mehr Möglichkeiten für die Untertanen schaffen, sondern auch die Staatseinnahmen erhöhen. Gewichte und Maßeinheiten wurden nominiert, um das Steuersystem undurchlässiger zu machen. Für Bürger und Bauern hatte die Vereinheitlichung der Gesetze den Vorteil, dass das Leben weniger von Grundherren und deren Launen abhing. Auch der Robot, den Bauern auf den Gütern des Grundherrn kostenfrei zu leisten hatten, wurde unter Maria Theresia abgeschafft.
So sehr sich Maria Theresia auch als fromme Landesmutter inszenierte und heute als Aufklärerin bekannt ist, die streng katholische Regentin war nicht zimperlich in Fragen von Macht und Religion. Im Trend der Zeit der Aufklärung ließ sie Aberglauben wie den Vampirismus, der in den östlichen Teilen ihres Reiches weit verbreitet war, kritisch untersuchen und leitete das endgültige Ende der Hexenprozesse ein. Gleichzeitig aber wurden Protestanten von ihr gnadenlos des Landes verwiesen. Viele Tiroler mussten ihr Heimatgebiet verlassen und sich in weiter vom Zentrum entfernten Teilen des Habsburgerreiches niederlassen.
In Kronländern wie Tirol stießen die Reformen Maria Theresias auf wenig Gegenliebe. Mit Ausnahme von ein paar Liberalen sah man sich mehr als eigenständiges und autonomes Land und weniger als Teil eines modernen Territorialstaates. Auch dem Klerus gefiel die neue, untergeordnete Rolle, die sich unter Josef II. nochmals verschärfte, nicht. Für den lokalen Adel bedeuteten die Reformen nicht nur den Verlust von Bedeutung und Autonomie, sondern auch höhere Steuern und Abgaben. Steuern, Abgaben und Zölle, die der Stadt Innsbruck stets verlässliche Einnahmen gebracht hatten, wurden nun zentral eingehoben und über einen Finanzausgleich nur zum Teil rückgeführt. Um die Fallhöhe für Söhne aus verarmten Adelsfamilien abzuschwächen und sie für den Staatsdienst auszubilden, gründete Maria Theresie das Theresianum, das ab 1775 auch in Innsbruck eine Niederlassung hatte.
Wie so oft bügelte die Zeit manche Falte aus und Innsbrucker sind mittlerweile stolz darauf, eine der bedeutendsten Herrscherpersönlichkeiten der österreichischen Geschichte beherbergt zu haben. Heute erinnern vor allem die Triumphpfote und die Hofburg in Innsbruck an die Theresianische Zeit.
Innsbruck und das Haus Habsburg
Innsbrucks Innenstadt wird heute von Gebäuden und Denkmälern geprägt, die an die Familie Habsburg erinnern. Die Habsburger waren über viele Jahrhunderte ein europäisches Herrscherhaus, zu dessen Einflussbereich verschiedenste Territorien gehörten. Am Zenit ihrer Macht waren sie die Herrscher über ein „Reich, in dem die Sonne nie untergeht“. Durch Kriege und geschickte Heirats- und Machtpolitik saßen sie in verschiedenen Epochen an den Schalthebeln der Macht zwischen Südamerika und der Ukraine. Innsbruck war immer wieder Schicksalsort dieser Herrscherdynastie. Besonders intensiv war das Verhältnis zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert. Durch die strategisch günstige Lage zwischen den italienischen Städten und deutschen Zentren wie Augsburg und Regensburg kam Innsbruck spätestens nach der Erhebung zur Residenzstadt unter Kaiser Maximilian ein besonderer Platz im Reich zu. Manche der Habsburger Landesherren hatten weder eine besondere Beziehung zu Tirol noch brachten sie diesem deutschen Land besondere Zuneigung entgegen. Ferdinand I. (1503 – 1564) wurde am spanischen Hof erzogen. Maximilians Enkel Karl V. war in Burgund aufgewachsen. Als er mit 17 Jahren zum ersten Mal spanischen Boden betrat, um das Erbe seiner Mutter Johanna über die Reiche Kastilien und Aragorn anzutreten, sprach er kein Wort spanisch. Als er 1519 zum Deutschen Kaiser gewählt wurde, sprach er kein Wort Deutsch.
Tirol war Provinz und als konservativer Landstrich der Herrscherfamilie meist zugetan. Die schwer zugängliche Lage machte es zum perfekten Fluchtort in unruhigen und krisenhaften Zeiten. Karl V. (1500 – 1558) floh während einer Auseinandersetzung mit dem protestantischen Schmalkaldischen Bund für einige Zeit nach Innsbruck. Ferdinand I. (1793 – 1875) ließ seine Familie fern der osmanischen Bedrohung im Osten Österreichs in Innsbruck verweilen. Franz Josef I. genoss kurz vor seiner Krönung im turbulenten Sommer der Revolution 1848 gemeinsam mit seinem Bruder Maximilian, der später als Kaiser von Mexiko von Aufständischen Nationalisten erschossen wurde, die Abgeschiedenheit Innsbrucks. Eine Tafel am Alpengasthof Heiligwasser über Igls erinnert daran, dass der Monarch hier im Rahmen seiner Besteigung des Patscherkofels nächtigte.
Nicht alle Habsburger waren stets glücklich in Innsbruck zu sein. Angeheiratete Prinzen und Prinzessinnen wie Maximilians zweite Frau Bianca Maria Sforza oder Ferdinand II. zweite Frau Anna Caterina Gonzaga strandeten ungefragt nach der Hochzeit in der rauen, deutschsprachigen Bergwelt. Stellt man sich zudem vor, was ein Umzug samt Heirat von Italien nach Tirol zu einem fremden Mann für einen Teenager bedeutet, kann man erahnen, wie schwer das Leben der Prinzessinnen war. Kinder der Aristokratie wurden bis ins 20. Jahrhundert vor allem dazu erzogen, politisch verheiratet zu werden. Widerspruch dagegen gab es keinen. Man mag sich das höfische Leben als prunkvoll vorstellen, Privatsphäre war in all dem Luxus nicht vorgesehen.
Als Sigismund Franz von Habsburg (1630 – 1665) als letzter Landesfürst kinderlos starb, war auch der Titel der Residenzstadt Geschichte und Tirol wurde von einem Statthalter regiert. Der Tiroler Bergbau hatte an Wichtigkeit eingebüßt. Kurz darauf verloren die Habsburger mit Spanien und Burgund ihre Besitzungen in Westeuropa, was Innsbruck vom Zentrum an den Rand des Imperiums rückte. In der K.u.K. Monarchie des 19. Jahrhunderts war Innsbruck der westliche Außenposten eines Riesenreiches, das sich bis in die heutige Ukraine erstreckte. Franz Josef I. (1830 – 1916) herrschte zwischen 1848 und 1916 über ein multiethnisches Vielvölkerreich. Sein neoabsolutistisches Herrschaftsverständnis allerdings war aus der Zeit gefallen. Österreich hatte seit 1867 zwar ein Parlament und eine Verfassung, der Kaiser betrachtete diese Regierung allerdings als „seine“. Minister waren dem Kaiser gegenüber verantwortlich, der über der Regierung stand. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zerbrach das marode Reich. Am 28. Oktober 1918 wurde die Republik Tschechoslowakei ausgerufen, am 29. Oktober verabschiedeten sich Kroaten, Slowenen und Serben aus der Monarchie. Der letzte Kaiser Karl dankte am 11. November ab. Am 12. November erklärte sich „Deutschösterreich zur demokratischen Republik, in der alle Gewalt vom Volke ausgeht“. Das Kapitel der Habsburger war beendet.
Bei allen nationalen, wirtschaftlichen und demokratiepolitischen Problemen, die es in den Vielvölkerstaaten gab, die in verschiedenen Kompositionen und Ausprägungen den Habsburgern unterstanden, die nachfolgenden Nationalstaaten schafften es teilweise wesentlich schlechter die Interessen von Minderheiten und kulturellen Unterschiede innerhalb ihres Territoriums unter einen Hut zu bringen. Seit der EU-Osterweiterung wird die Habsburgermonarchie von einigen wohlmeinenden Historikern als ein vormoderner Vorgänger der Europäischen Union gesehen. Gemeinsam mit der katholischen Kirche prägten die Habsburger den öffentlichen Raum über Architektur, Kunst und Kultur. Goldenes Dachl, Hofburg, die Triumphpforte, Schloss Ambras, der Leopoldsbrunnen und viele weitere Bauwerke erinnern bis heute an die Präsenz der wohl bedeutendsten Herrscherdynastie der europäischen Geschichte in Innsbruck.