Ottoburg
Herzog-Friedrich-Straße 1
Wissenswert
Wer von der Innbrücke in die Altstadt spaziert, passiert am Weg zum Unteren Stadtplatz linkerhand die Ottoburg. Beda Weber schrieb 1852 in seinem Handbuch für Reisende in Tirol: “Otto I., Graf von Andechs, umgab den offenen Ort mit Mauern und Thürmen, und baute sich daselbst die Ottoburg im Jahre 1234.“ Bevor dieses markante Gebäude 1495 zum Wohnturm umgebaut wurde, war es ein Teil der Andechsburg und der Innsbrucker Wehranlage am Inntor.
Lange Zeit stand das Haus leer. Die Immobilienpreise in Innsbruck scheinen schon damals zu hoch gewesen zu sein. Die Innsbrucker Bevölkerung taufte die heutige Ottoburg daher „öd burg“. Öd war das damalige Wort für leer. Im Laufe der Zeit wurde so aus der „öd Burg“ die Otto Burg. Sie erinnert also nicht an einen Fürsten oder einen König aus dem Geschlecht der Ottonen wie oft fälschlicherweise angenommen, sondern heißt ganz profan „leere Burg“.
Vor dem Haus befindet sich das Denkmal „Vater und Sohn“ des Tiroler Künstlers Christian Plattner. Es erinnert an die Tiroler Erhebung gegen die bayerisch-französische Besatzung im Jahr 1809. Aufgestellt wurde es 1915, auch um während des Ersten Weltkriegs nach dem Eintritt des Königreichs Italien den Tiroler Heldenmut anzufachen und Stimmung gegen die Kriegsgegner aus dem Süden und den Erzfeind Frankreich zu machen. So stand in der Zeitung zu lesen:
„Die Anno Neun-Gruppe von Christian Plattner, die bekanntlich von der Stadt angekauft wurde, geht nun endlich ihrer Aufstellung entgegen. Gegenwärtig wird in der Nische hinter der Ottoburg der etwa drei Meter hohe, als Sockel gedachte Steinblock aufgestellt, der in den letzten Tagen vom Höttinger Steinbruch heruntergeschafft worden ist. Die betonierte Unterlage für diesen Sockel war schon seit längerer Zeit fertig. Da sich auch die in Erz gegossene Denkmalsgruppe bereits in Innsbruck befindet, wird wohl die Fertigstellung des Denkmals nicht mehr lange Zeit auf sich warten lassen.“
Bis 1840 befand sich am heutigen Herzog-Otto-Ufer gegenüber der Ottoburg eine der drei Fleischbanken der Stadt Innsbruck, bevor das Holzhaus abbrannte. Die Metzgbank war auf Pfählen über dem Fluss errichtet worden. Auf alten Stadtveduten ist sie noch deutlich zu erkennen. Für die Fleischhauer war der Platz praktisch, da Abfälle direkt im Inn entsorgt werden konnten. Lange war es auch Sitte, sonstigen Hausrat und Abwasser direkt im Inn zu entsorgen. Weniger praktisch war dies für die Bewohner der Stadtteile flussabwärts. Bei Hochwasser wurde alles vor ihren Häusern angespült. Der schmeichelhafte Spitzname für die Bewohner von St. Nikolaus ist wohl deshalb bis heute „Koatlackler“.
Seit 1913 kann man in der Ottoburg in mittelalterlichen Gemäuern Tiroler Spezialitäten genießen.
Andreas Hofer und die Tiroler Erhebung von 1809
Die Zeit der Napoleonischen Kriege bescherte dem Land Tirol ein nationales Epos und mit Andreas Hofer einen Helden, dessen Glanz bis in die heutige Zeit strahlt. Grund dafür war nach 1703 einmal mehr eine Auseinandersetzung mit dem nördlichen Nachbarn und dessen Verbündeten. Das Königreich Bayern war während der Napoleonischen Kriege, wie schon während des Spanischen Erbfolgekrieges mit Frankreich verbündet und konnte zwischen 1796 und 1805 Tirol erobern. Innsbruck war nicht mehr Landeshauptstadt Tirols, sondern nur noch eine von vielen Kreishauptstädten der Verwaltungseinheit Innkreis.
Die Steuern wurden erhöht, Befugnisse verringert. Prozessionen und religiöse Feste der konservativen und frommen Tiroler fielen dem aufklärerischen Programm der von der französischen Revolution geprägten neuen Landesherren zum Opfer. Strengen Katholiken Pater Haspinger waren auch Maßnahmen wie die von den Bayern verordneten Pockenimpfungen zuwider. Die Unzufriedenheit innerhalb großer Teile der Tiroler Bevölkerung war groß.
Der Funke, der das Pulverfass zur Explosion brachte, war die Aushebung junger Männer zum Dienst in der bayrisch-napoleonischen Armee, obwohl Tiroler seit dem Landlibell, einem Gesetz Kaiser Maximilians, nur für die Verteidigung der eigenen Grenzen herangezogen werden durften. Am 10. April kam es bei einer Aushebung in Axams bei Innsbruck zu einem Tumult, der schließlich zu einem Aufstand führte.
Für Gott, Kaiser und Vaterland kamen Abteilungen der Tiroler Landesverteidigung zusammen, um den kleinen Armeeteil und die Verwaltungsbeamten der Bayern aus Innsbruck zu vertreiben. Angeführt wurden die Schützen von Andreas Hofer (1767 – 1810), einen Wirt, Wein- und Pferdehändler aus dem Südtiroler Passeiertal bei Meran. Ihm zur Seite standen nicht nur weitere Tiroler wie Pater Haspinger, Peter Mayr und Josef Speckbacher, sondern im Hintergrund auch der Habsburger Erzherzog Johann.
In Innsbruck angekommen plünderten die Schützen Häuser, deren teilweise liberale Bevölkerung der modernen bayrischen Verwaltung nicht in allem abgeneigt war. Teilen der Bürgerschaft wäre dieser frische Wind, der aus dem revolutionären Frankreich herüberwehte, lieber gewesen als die konservativen Habsburger. Der wilde Mob war für die Stadt wohl schädlicher als die bayrischen Verwalter seit 1805. Vor allem gegen den kleinen jüdischen Bevölkerungsanteil Innsbrucks kam es zu heftigen Ausschreitungen der „Befreier“.
Einen Monat später hatten Bayern und Franzosen die Kontrolle über Innsbruck zurückerlangt. Was nun folgte, war das, was als Tiroler Erhebung unter Andreas Hofer, der mittlerweile das Oberkommando über die Tiroler Landesverteidigung übernommen hatte, in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Insgesamt drei Mal konnten die Tiroler Aufständischen den Sieg vom Schlachtfeld tragen. Besonders bekannt ist die 3. Schlacht im August 1809 am Berg Isel. „Innsbruck sieht und hört, was es noch nie gehört und gesehen: eine Schlacht von 40.000 Kombattanten…“
Für kurze Zeit war Andreas Hofer in Ermangelung regulärer Tatsachen Oberkommandant Tirols, auch für zivile Angelegenheiten. Die Kosten für Kost und Logis dieses Bauernregiments musste Innsbruck tragen. Besonders die liberalen und vermögenden Kreise der Stadt waren nicht glücklich mit den neuen Stadtherren. Die von ihm als Landeskommandant erlassenen Verordnungen erinnern eher an einen Gottesstaat als ein Gesetzwerk des 19. Jahrhunderts. Frauen durften nur noch züchtig verhüllt auf die Straße gehen, Tanzveranstaltungen wurden verboten und freizügige Denkmäler wie die am Leopoldsbrunnen zu besichtigenden Nymphen wurden aus dem öffentlichen Raum verbannt. Bildungsagenden sollten wieder an den Klerus gehen. Liberale und Intellektuelle wurden verhaftet, dafür wurde das Rosenkranzbeten zum Gebot.
Am Ende gab es im Herbst 1809 in der vierten und letzten Schlacht am Berg Isel eine empfindliche Niederlage gegen die französische Übermacht. Die Regierung in Wien hatte die Tiroler Aufständischen vor allem als taktischen Prellbock im Krieg gegen Napoleon benutzt. Bereits zuvor hatte der Kaiser das Land Tirol offiziell im Friedensvertrag von Schönbrunn wieder abtreten müssen. Innsbruck war zwischen 1810 und 1814 wieder unter bayrischer Verwaltung. Hofer selbst war zu dieser Zeit bereits ein von der Belastung dem Alkohol gezeichneter Mann. Er wurde gefangengenommen und am 20. Januar 1810 in Mantua hingerichtet.
Der „Freiheitskampf“ symbolisiert bis heute für das Tiroler Selbstverständnis. Lange Zeit galt Andreas Hofer als unumstrittener Held und als Prototyp des wehrhaften, vaterlandstreuen und standhaften Tirolers. Der Underdog, der sich gegen die fremde Übermacht und unheilige Sitten wehrte. Tatsächlich war Hofer wohl ein charismatischer Anführer, ein politisch aber unbegabter und konservativ-klerikaler, simpler Geist. Seine Taktik bei der 3. Schlacht am Berg Isel „Grad nit aufferlassen tiat sie“ (Ann.: Ihr dürft sie nur nicht heraufkommen lassen) fasst sein Wesen wohl ganz gut zusammen.
In konservativen Kreisen Tirols wie den Schützen wird Hofer unkritisch und kultisch verehrt. Das Tiroler Schützenwesen ist gelebtes Brauchtum, das sich zwar modernisiert hat, in vielen dunklen Winkeln aber noch reaktionär ausgerichtet ist. Wiltener, Amraser, Pradler und Höttinger Schützen marschieren immer noch einträchtig neben Klerus, Trachtenvereinen und Marschmusikkapellen bei kirchlichen Prozessionen und schießen in die Luft, um alles Übel von Tirol und der katholischen Kirche fernzuhalten.
In Tirol wird Andreas Hofer bis heute gerne für alle möglichen Initiativen und Pläne vor den Karren gespannt. Vor allem im Nationalismus des 19. Jahrhunderts berief man sich immer wieder auf den verklärten Helden Andreas Hofer. Hofer wurde über Gemälde, Flugblätter und Schauspiele zur Ikone stilisiert. Aber auch heute noch kann man das Konterfei des Oberschützen sehen, wenn sich Tiroler gegen unliebsame Maßnahmen der Bundesregierung, den Transitbestimmungen der EU oder der FC Wacker gegen auswärtige Fußballvereine zur Wehr setzen. Das Motto lautet dann „Mannder, s´isch Zeit!“. Die Legende vom wehrfähigen Tiroler Bauern, der unter Tags das Feld bestellt und sich abends am Schießstand zum Scharfschützen und Verteidiger der Heimat ausbilden lässt, wird immer wieder gerne aus der Schublade geholt zur Stärkung der „echten“ Tiroler Identität.
Erst in den letzten Jahrzehnten setzte eine kritische Betrachtung des erzkonservativen und mit seiner Aufgabe als Tiroler Landeskommandanten wohl überforderten Schützenhauptmanns ein, der angestachelt von Teilen der Habsburger und der katholischen Kirche nicht nur Franzosen und Bayern, sondern auch das liberale Gedankengut der Aufklärung vehement aus Tirol fernhalten wollte.
Über die Stadt verteilt erinnern viele Denkmäler an das Jahr 1809. Andreas Hofer und seinen Mitstreitern Josef Speckbacher, Peter Mayer, Pater Haspinger und Kajetan Sweth wurden vor allem im Stadtteil Wilten, das 1904 zu Innsbruck kam und lange unter der Verwaltung des Stiftes gestanden hatte, Straßennamen gewidmet. Die Feiern zum Todestag Andreas Hofers am 20. Februar locken bis heute regelmäßig Menschenmassen aus allen Landesteilen Tirols in die Stadt.