Ferdinandeum

Museumstraße 15

Ferdinandeum Tiroler Landesmuseum
Wissenswert

Nach der aufgewühlten Zeit der französischen Revolution und der darauffolgenden Napoleonischen Kriege (1792 – 1815) gewann das Bürgertum nach und nach größere wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung. Unter Staatskanzler Clemens Metternich wehte in der Politik ein rauer Wind mit strenger Zensur und einem Polizeistaat. Gleichzeitig erblühten Wissenschaft und Kultur im Privaten. Vereine vielerlei Art waren in der Biedermeierzeit en Vogue, auch in Innsbruck. „In Innsbruck besteht ein Musikverein, ein landwirthschaftlicher und ein montanistisch-geognostischer.“ Die Gründung des Vereins des Tiroler Nationalmuseums geht auf diese Zeit zurück. Hier trafen, was lange Zeit undenkbar war, Mitglieder des Adels und Bürgerliche aufeinander, um gemeinsamen Freizeitaktivitäten nachzugehen. Natürlich wurde hinter verschlossenen Mauern und im Flüsterton in diesen Kreisen auch über Politik diskutiert.

Etwa 400 Innsbrucker Bürger schlossen sich zusammen, um Spenden zu sammeln. Schaut man auf die Mitgliederlisten des 19. Jahrhunderts, findet man den die Hocharistokratie wie Fürstbischof von Salzburg neben dem Gründer des ersten Kaufhauses Innsbrucks, Dominikus Zambra. Der Zweck des Museums war die Förderung von Bildung in Wissenschaft und Kunst. 1823 erging ein öffentlicher Aufruf

an die Freunde vaterländischer Kunst und Wissenschaft zur Gründung eines Vereins des vaterländischen Museums in Tirol… dessen Bildung der Nation im allgemeinen und im einzelnen insbesondere aber in Weckung und Belebung des gemeinschaftlichen Interesse für das gemeinschaftliche Vaterland“.

Bis 1845 musste die Sammlung der Dinge die „…für das Land Tirol in naturhistorischer, artistischer und geschichtlicher Hinsicht interessant und merkwürdig sind“, im Stift Wilten aufbewahrt werden. 1884 erfolgte ein großer Aus- und Umbau des architektonisch wunderschönen Museums. Dann öffnete das Ferdinandeum als Tiroler Nationalmuseum seine Pforten in seinem klassizistischen Gewand.

Ein Saal im ersten Stock wurde als „Reliquienschrein der Tirolischen Nation“ mit allerlei Erinnerungen an den populär gewordenen Aufstand von 1809 und überlebensgroßer Statue Andreas Hofers eingerichtet. Auch andere Erinnerungsorte der Tiroler Landesgeschichte wie die Schlacht von Spinges wurden im Ferdinandeum verewigt.

Dem traditionellen, der tirolischen Nation gewidmeten Inneren stand das klassizistische Äußere entgegen. Zwei Sphinxe, nicht gerade einheimisch anmutende Fabeltiere, flankieren den Eingang. An der Fassade sind die Portraits berühmter Tiroler Künstler und Wissenschaftler zu sehen. Zentral ist die Tyrolia, eine mythische Symbolfigur der „Tiroler Nation“. Bescheiden flankiert wird sie von Minerva, der antiken Göttin der Weisheit.

Die Antike und ihre Denker waren in ganz Europa groß in Mode gekommen. Stilbildend für die Bewegung waren Denker der Romantik des 18. und frühen 19. Jahrhunderts wie Winckelmann, Lessing oder Hegel, die nicht weniger im Sinn hatten als die griechischen und römischen Geistesgrößen wiederauferstehen zu lassen. Den Griechen wurde „edle Einfalt und stille Größe“ attestiert. Goethe wollte das „Land der Griechen mit der Seele suchen“ und machte sich auf nach Italien, um dort seine Sehnsucht nach der guten, vorchristlichen Zeit zu suchen, in dem die Menschen des Goldenen Zeitalters ein ungezwungenes Verhältnis mit ihren Göttern pflegten. Philologen durchkämmten die Texte antiker Schriftsteller und Philosophen und transportierten ein gefälliges „Best of“ ins 19. Jahrhundert. Studenten und Intellektuelle wie der Brite Lord Byron wurden so sehr vom Panhellenismus ergriffen, dass sie im griechischen Unabhängigkeitskampf gegen das osmanische Reich ihr Leben aufs Spiel setzten. Säulen, Sphinxe, Büsten und Statuen mit klassischen Proportionen schmückten Paläste, Verwaltungsgebäude und Museen des 19. Jahrhunderts. Da die ausgegrabenen Tempel, die Archäologen zu dieser Zeit entdeckten, weiße Gebäude zeigten, wurden die Antike imitierende Gebäude wie das Ferdinandeum in Weiß gehalten. Ein ähnlich gestalteter Bau in Innsbruck ist das Tiroler Landestheater nur wenige Schritte vom Ferdinandeum entfernt.

Anders als die Sammlungen der Aristokratie, war das Ferdinandeum der Öffentlichkeit zugänglich. Das war ein gesellschaftlicher Paradigmenwechsel.

„Die Büchersammlung des Ferdinandeum zählt ungefähr 1400 auf die Landeskunde bezügliche Werke… Benutzt werden kann sie von Jedermann…Der Besuch dieser Anstalt gewährt sicherlich dem Einheimischen wie dem Fremden Vergnügen, und schafft die Ueberzeugung, daß in Tirol Sinn und Streben für Kunst und Wissenschaft nicht mangeln.“

Der Name des Museums geht auf Erzherzog Ferdinand zurück, der ab 1835 auch Kaiser von Österreich war und die Patronanz für das Tiroler Nationalmuseum übernahm. Gemeinsam mit dem naturbegeisterten Erzherzog Johann war er federführend an der Gründung des Tiroler Nationalmuseums beteiligt. Diese beiden Habsburger teilten nicht nur die Liebe zu Kunst, Kultur und Wissenschaft, sondern auch eine Affinität zu Tirol. Ansonsten allerdings hätten die beiden Habsburger nicht unterschiedlicher sein können. Erzherzog Johann war gegen den Willen der Wiener Politik ein glühender Unterstützer des Tiroler Freiheitskampfes und Andreas Hofers. Während er sowohl als Alpinist, Feldherr und auch als energetischer Politiker und Macher bekannt wurde, war der Namensgeber des Ferdinandeums das genaue Gegenteil. Er galt als schwach, war an der Grenze zum Debilen und wohl dank der inzestuösen Heiratspolitik der Habsburger mit Kleinwüchsigkeit und Deformation geschlagen. Ferdinand war als Nachfolger Franz I. der Wunschkaiser Kanzler Metternichs gewesen, der einen schwachen Monarchen bevorzugte, um weiterhin schalten und walten zu können wie es ihm beliebte. Er war wohl ein sanftes und einfaches Gemüt als Ferdinand der Gütige, böse Zungen tauften ihn gerne auch Gütinand der Fertige. Ferdinand flüchtete vor seiner Abdankung in den Wirren des Revolutionsjahres 1848 in die Innsbrucker Hofburg, einen kaisertreuen und sicheren Hafen konservativer Werte, konnte aber als beim Volk beliebter Herrscher wieder nach Wien zurückkehren, während Metternich in Exil gejagt wurde.

Heute beherbergt das Ferdinandeum eine bunte Auswahl an Sammlungen, darunter auch Gemälde von bekannten Tiroler Künstlern wie Albin Egger-Lienz. Regelmäßig finden Sonderausstellungen aller Art statt.

März 1848... und was er brachte

Nach den Napoleonischen Kriegen begann Tirol sich zu erholen. Die Industrialisierung hob in und rund um Innsbruck an. Der Tourismus war noch ein Randphänomen, einige mutige Reisende und ihre Ideen schafften es aber ins Land im Gebirge. 1826 öffnete auch die Universität ihre Pforten und brachte auswärtige Studenten nach Innsbruck. Die kleine Stadt am Rande des Kaiserreiches hatte etwas mehr als 12.000 Einwohner, „ohne die Soldaten, Studenten und Fremden zu rechnen“. Universität, Gymnasium, Lesekasino, Musikverein, Theater und Museum zeugten von einer gewissen urbanen Kultur. Es gab ein Deutsches Kaffeehaus, eine Restauration im Hofgarten und mehrere Gasthöfe wie den Österreichischen Hof, die Traube, das Munding, die jeweils Goldenen Adler, Stern und Hirsch.  

Im Gegensatz zum bäuerlich geprägten Umland bildetet sich in Innsbruck ein aufgeklärtes Bildungsbürgertum. In Gaststätten und Kaffeehäusern trafen sich Studenten, Beamte, Mitglieder des niederen Adels und Akademiker, um modernes Gedankengut auszutauschen. Menschen wollten keine Untertanen eines Monarchen oder Landesfürsten mehr sein, sondern Bürger mit Rechten und Pflichten gegenüber einem Staat. Studenten und Freiberufler forderten politische Mitsprache, Pressefreiheit und Bürgerrechte. Arbeiter verlangten nach besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen. Die Allmacht der Kirche wurde in Frage gestellt.

Kanzler Clemens von Metternichs (1773 – 1859) Polizeistaat hielt diese gesellschaftlichen Regungen lange Zeit unter Kontrolle. Liberales Gedankengut, Zeitungen, Flugblätter, Schriften, Bücher und Vereine standen unter Generalverdacht der Obrigkeit. Magazine und Zeitschriften mussten sich anpassen oder im Untergrund verbreitet werden, um nicht der Zensur anheimzufallen. Schriftsteller wie Hermann von Gilm (1812 – 1864) und Johann Senn (1792 – 1857), an beide erinnern heute Straßen in Innsbruck, verbreiteten in Tirol anonym politisch motivierte Literatur und Schriften. Der Mix aus großdeutschem Gedankengut und tirolischem Patriotismus vorgetragen mit dem Pathos der Romantik mutet heute eher eigenartig, harmlos und pathetisch an, war aber dem metternich´schen Staatsapparat weder geheuer noch genehm. Alle Arten von Vereinen wie die Innsbrucker Liedertafel und Studentenverbindungen, sogar die Mitglieder des Ferdinandeums wurden streng überwacht. Auch die Schützen standen, trotz ihrer demonstrativen Kaisertreue, auf der Liste der zu überwachenden Institutionen. Als zu aufsässig galten sie, nicht nur gegenüber fremden Mächten, sondern auch gegenüber der Wiener Zentralstaatlichkeit. Die Arbeiterschaft wurde von der Geheimpolizei Metternichs ebenfalls ins Visier genommen. Besonders St. Nikolaus und Hötting waren als „rote Pflaster“ bekannt.

Im März 1848 entlud sich in vielen Städten Europas dieses sozial und politisch hochexplosive Gemisch in Aufständen. In Innsbruck feierten Studenten und Professoren die neue Pressefreiheit mit einem Fackelzug. Von einem spontanen Ausbruch der Emotionen zu sprechen wäre verwegen, der Termin des Zuges wurde wegen Schlechtwetter vom 20. auf den 21. März verschoben. Es kam kaum zu antihabsburgischen Ausschreitungen oder Übergriffen, ein verirrter Stein in ein Fenster der Jesuiten war einer der Höhepunkte der alpinen Variante der Revolution von 1848. Die Studenten unterstützten das Stadtmagistrat sogar dabei, die öffentliche Ordnung zu überwachen, um so dem Monarchen ihre Dankbarkeit für die neu gewährten Freiheiten und ihre Treue zu zeigen.

Die anfängliche Begeisterung für bürgerliche Errungenschaften wurde in Innsbruck schnell von deutschnationalem, patriotischen Rausch abgelöst. Am 6. April 1848 wurde vom Gubernator Tirols die deutsche Fahne während eines feierlichen Umzugs geschwungen. Auch auf dem Stadtturm wurde eine deutsche Tricolore gehisst. Während sich Studenten und Konservative bei der Pressefreiheit nicht einig wurden, teilte man die Abneigung gegen die italienische Unabhängigkeitsbewegung. Innsbrucker Studenten und Schützen zogen mit Unterstützung der k.k. Armeeführung ins Trentino und

Die Stadt als Heimat vieler Italienischsprachiger wurde zur Arena dieses Nationalitätenkonflikts. In Kombination mit reichlich Alkohol bereiteten anti-italienische Gefühle in Innsbruck mehr Gefahr für die öffentliche Ordnung als die nach bürgerlichen Freiheiten. Ein Streit zwischen einem deutschsprachigen Handwerker und einem italienischsprachigen Ladiner, eigentlich beide Tiroler, schaukelte sich dermaßen auf, dass es beinahe zu einem Pogrom gegenüber den zahlreichen Betrieben und Gaststätten von italienischsprachigen Tirolern gekommen wäre.

Als es in Wien auch nach dem März nicht aufhörte zu brodeln, floh Kaiser Ferdinand im Mai nach Tirol. Innsbruck war wieder Residenz des Kaisers, wenn auch nur für einen Sommer. Folgt man den Presseberichten aus dieser Zeit, wurde er hier von der Bevölkerung begeistert empfangen.

"Wie heißt das Land, dem solche Ehre zu Theil wird, wer ist das Volk, das ein solches Vertrauen genießt in dieser verhängnißvollen Zeit? Stützt sich die Ruhe und Sicherheit hier bloß auf die Sage aus alter Zeit, oder liegt auch in der Gegenwart ein Grund, auf dem man bauen kann, den der Wind nicht weg bläst, und der Sturm nicht erschüttert? Dieses Alipenland heißt Tirol, gefällts dir wohl? Ja, das tirolische Volk allein bewährt in der Mitte des aufgewühlten Europa die Ehrfurcht und Treue, den Muth und die Kraft für sein angestammtes Regentenhaus, während ringsum Auflehnung, Widerspruch. Trotz und Forderung, häufig sogar Aufruhr und Umsturz toben; Tirol allein hält fest ohne Wanken an Sitte und Gehorsam, auf Religion, Wahrheit und Recht, während anderwärts die Frechheit und Lüge, der Wahnsinn und die Leidenschaften herrschen anstatt folgen wollen. Und während im großen Kaiserreiche sich die Bande überall lockern, oder gar zu lösen drohen; wo die Willkühr, von den Begierden getrieben, Gesetze umstürzt, offenen Aufruhr predigt, täglich mit neuen Forderungen losgeht; eigenmächtig ephemere- wie das Wetter wechselnde Einrichtungen schafft; während Wien, die alte sonst so friedliche Kaiserstadt, sich von der erhitzten Phantasie der Jugend lenken und gängeln läßt, und die Räthe des Reichs auf eine schmähliche Weise behandelt, nach Laune beliebig, und mit jakobinischer Anmaßung, über alle Provinzen verfügend, absetzt und anstellt, ja sogar ohne Ehrfurcht, den Kaiser mit Sturm-Petitionen verfolgt; während jetzt von allen Seiten her Deputationen mit Ergebenheits-Addressen mit Bittgesuchen und Loyalitätsversicherungen dem Kaiser nach Innsbruck folgen, steht Tirol ganz ruhig, gleich einer stillen Insel, mitten im brausenden Meeressturme, und des kleinen Völkchens treue Brust bildet, wie seine Berge und Felsen, eine feste Mauer in Gesetz und Ordnung, für den Kaiser und das Vaterland."

1848 überließ Ferdinand den Thron dem jungen Franz Josef I. Im Juli 1848 kam es in Wien in der Hofreitschule zur Abhaltung einer ersten parlamentarischen Sitzung. Eine erste Verfassung wurde in Kraft gesetzt. Der Reformwille der Monarchie flachte aber schnell wieder ab. Das neue Parlament war ein Reichsrat, es konnte keine bindenden Gesetze erlassen, der Kaiser besuchte es Zeit seines Lebens nie und verstand auch nicht, warum die Donaumonarchie als von Gott eingesetzt diesen Rat benötigt.

Die zart in Gang gesetzte Liberalisierung nahm in den Städten trotzdem ihren Lauf. Innsbruck erhielt den Status einer Stadt mit eigenem Statut. Das Innsbrucker Gemeinderecht sah ein Bürgerrecht vor, das zwar an Besitz oder die Abgabe von Steuern gebunden war, jedoch den Angehörigen der Gemeinde gewisse Rechte gesetzlich zusicherte. Das Heimatrecht konnte durch Geburt, Verehelichung oder außerordentlicher Verleihung erworben werden und verlieh zumindest den männlichen Volljährigen das Wahlrecht auf kommunaler Ebene. Geriet man in finanzielle Notlage, so hatte man das Anrecht auf eine Grundversorgung durch die Stadt.

Am 2. Juni 1848 erschien die erste Ausgabe der liberal und großdeutsch gesinnten Innsbrucker Zeitung, der obiger Artikel zur Ankunft des Kaisers in Innsbruck entnommen ist. Die zuvor abgeschaffte Zensur wurde in Teilen wieder eingeführt. Herausgeber von Zeitungen mussten einigen Schikanen der Obrigkeit unterziehen. Zeitungen durften nicht gegen Landesregierung, Monarchie oder Kirche schreiben.

"Wer durch Druckschriften andere zu Handlungen auffordert, aneifert oder zu verleiten sucht, durch welche die gewaltsame Losreißung eines Theiles von dem einheitlichen Staatsverbande... des Kaiserthums Österreich bewirkt... oder der allgemeine öster. Reichstag oder die Landtage der einzelnen Kronländer... gewalttätig stört... wird mit schwerem Kerker von zwei bis zehn Jahren Haft bestraft."

Nachdem Innsbruck 1849 Meran als Landeshauptstadt abgelöste hatte und somit auch endgültig zum politischen Zentrum Tirols geworden war, bildeten sich Parteien. Ab 1868 stellte die liberal und großdeutsch orientierte Partei den Bürgermeister der Stadt Innsbruck. Der Einfluss der Kirche nahm in Innsbruck im Gegensatz zu den Umlandgemeinden ab. Individualismus, Kapitalismus, Nationalismus und Konsum sprangen in die Bresche. Neue Arbeitswelten, Kaufhäuser, Theater, Cafés und Tanzlokale verdrängten Religion zwar auch in der Stadt nicht, die Gewichtung wurde durch die 1848 errungenen bürgerlichen Freiheiten aber eine andere.

Die vielleicht wichtigste Gesetzesänderung war das Grundentlastungspatent. In Innsbruck hielt der Klerus, vor allem das Stift Wilten, einen großen Teil des bäuerlichen Grundbesitzes. Kirche und Adel waren nicht steuerpflichtig. 1848/49 wurden in Österreich Grundherrschaft und Untertänigkeitsverhältnis aufgehoben. Abgelöst wurden damit Grundzinsen, Zehent und Robot. Die Grundherren erhielten im Rahmen der Grundentlastung ein Drittel des Wertes ihrer Ländereien vom Staat, ein Drittel wurde als Steuererleichterung gewertet, ein Drittel der Ablöse mussten die Bauern selbst übernehmen. Die Bauern konnten diesen Betrag in Raten innert zwanzig Jahren abzahlen. Die Nachwirkungen sind bis heute zu spüren. Die Nachkommen der damals erfolgreichen Bauern genießen durch den geerbten Landbesitz, der auf die Grundentlastung 1848 zurückzuführen ist, die Früchte des Wohlstandes und auch politischen Einfluss durch Grundstücksverkäufe für Wohnbau, Pachten und Ablösen der öffentlichen Hand für Infrastrukturprojekte.

Innsbruck und das Haus Habsburg

Innsbrucks Innenstadt wird heute von Gebäuden und Denkmälern geprägt, die an die Familie Habsburg erinnern. Die Habsburger waren über viele Jahrhunderte ein europäisches Herrscherhaus, zu dessen Einflussbereich verschiedenste Territorien gehörten. Am Zenit ihrer Macht waren sie die Herrscher über ein „Reich, in dem die Sonne nie untergeht“. Durch Kriege und geschickte Heirats- und Machtpolitik saßen sie in verschiedenen Epochen an den Schalthebeln der Macht zwischen Südamerika und der Ukraine. Innsbruck war immer wieder Schicksalsort dieser Herrscherdynastie. Besonders intensiv war das Verhältnis zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert. Durch die strategisch günstige Lage zwischen den italienischen Städten und deutschen Zentren wie Augsburg und Regensburg kam Innsbruck spätestens nach der Erhebung zur Residenzstadt unter Kaiser Maximilian ein besonderer Platz im Reich zu. Manche der Habsburger Landesherren hatten weder eine besondere Beziehung zu Tirol noch brachten sie diesem deutschen Land besondere Zuneigung entgegen. Ferdinand I. (1503 – 1564) wurde am spanischen Hof erzogen. Maximilians Enkel Karl V. war in Burgund aufgewachsen. Als er mit 17 Jahren zum ersten Mal spanischen Boden betrat, um das Erbe seiner Mutter Johanna über die Reiche Kastilien und Aragorn anzutreten, sprach er kein Wort spanisch. Als er 1519 zum Deutschen Kaiser gewählt wurde, sprach er kein Wort Deutsch.

Tirol war Provinz und als konservativer Landstrich der Herrscherfamilie meist zugetan. Die schwer zugängliche Lage machte es zum perfekten Fluchtort in unruhigen und krisenhaften Zeiten. Karl V. (1500 – 1558) floh während einer Auseinandersetzung mit dem protestantischen Schmalkaldischen Bund für einige Zeit nach Innsbruck. Ferdinand I. (1793 – 1875) ließ seine Familie fern der osmanischen Bedrohung im Osten Österreichs in Innsbruck verweilen.  Franz Josef I. genoss kurz vor seiner Krönung im turbulenten Sommer der Revolution 1848 gemeinsam mit seinem Bruder Maximilian, der später als Kaiser von Mexiko von Aufständischen Nationalisten erschossen wurde, die Abgeschiedenheit Innsbrucks. Eine Tafel am Alpengasthof Heiligwasser über Igls erinnert daran, dass der Monarch hier im Rahmen seiner Besteigung des Patscherkofels nächtigte.

Nicht alle Habsburger waren stets glücklich in Innsbruck zu sein. Angeheiratete Prinzen und Prinzessinnen wie Maximilians zweite Frau Bianca Maria Sforza oder Ferdinand II. zweite Frau Anna Caterina Gonzaga strandeten ungefragt nach der Hochzeit in der rauen, deutschsprachigen Bergwelt. Stellt man sich zudem vor, was ein Umzug samt Heirat von Italien nach Tirol zu einem fremden Mann für einen Teenager bedeutet, kann man erahnen, wie schwer das Leben der Prinzessinnen war. Kinder der Aristokratie wurden bis ins 20. Jahrhundert vor allem dazu erzogen, politisch verheiratet zu werden. Widerspruch dagegen gab es keinen. Man mag sich das höfische Leben als prunkvoll vorstellen, Privatsphäre war in all dem Luxus nicht vorgesehen.

Als Sigismund Franz von Habsburg (1630 – 1665) als letzter Landesfürst kinderlos starb, war auch der Titel der Residenzstadt Geschichte und Tirol wurde von einem Statthalter regiert. Der Tiroler Bergbau hatte an Wichtigkeit eingebüßt. Kurz darauf verloren die Habsburger mit Spanien und Burgund ihre Besitzungen in Westeuropa, was Innsbruck vom Zentrum an den Rand des Imperiums rückte. In der K.u.K. Monarchie des 19. Jahrhunderts war Innsbruck der westliche Außenposten eines Riesenreiches, das sich bis in die heutige Ukraine erstreckte. Franz Josef I. (1830 – 1916) herrschte zwischen 1848 und 1916 über ein multiethnisches Vielvölkerreich. Sein neoabsolutistisches Herrschaftsverständnis allerdings war aus der Zeit gefallen. Österreich hatte seit 1867 zwar ein Parlament und eine Verfassung, der Kaiser betrachtete diese Regierung allerdings als „seine“. Minister waren dem Kaiser gegenüber verantwortlich, der über der Regierung stand. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zerbrach das marode Reich. Am 28. Oktober 1918 wurde die Republik Tschechoslowakei ausgerufen, am 29. Oktober verabschiedeten sich Kroaten, Slowenen und Serben aus der Monarchie. Der letzte Kaiser Karl dankte am 11. November ab.  Am 12. November erklärte sich „Deutschösterreich zur demokratischen Republik, in der alle Gewalt vom Volke ausgeht“. Das Kapitel der Habsburger war beendet.

Bei allen nationalen, wirtschaftlichen und demokratiepolitischen Problemen, die es in den Vielvölkerstaaten gab, die in verschiedenen Kompositionen und Ausprägungen den Habsburgern unterstanden, die nachfolgenden Nationalstaaten schafften es teilweise wesentlich schlechter die Interessen von Minderheiten und kulturellen Unterschiede innerhalb ihres Territoriums unter einen Hut zu bringen. Seit der EU-Osterweiterung wird die Habsburgermonarchie von einigen wohlmeinenden Historikern als ein vormoderner Vorgänger der Europäischen Union gesehen. Gemeinsam mit der katholischen Kirche prägten die Habsburger den öffentlichen Raum über Architektur, Kunst und Kultur. Goldenes Dachl, Hofburg, die Triumphpforte, Schloss Ambras, der Leopoldsbrunnen und viele weitere Bauwerke erinnern bis heute an die Präsenz der wohl bedeutendsten Herrscherdynastie der europäischen Geschichte in Innsbruck.