Panoramagebäude

Rennweg 39

altes panorama riesenrundgemälde
Wissenswert

Im Juni 1896 fand die „Internationale Ausstellung für körperliche Erziehung, Gesundheitspflege und Sport“ statt. Exhibitionen und Messen wie die Weltausstellung mögen heute etwas fad wirken, damals waren sie aber ein Kuriosum für die Bürger. Wie sehr Innsbruck am Puls der Zeit mit diesem Event war, konnte damals niemand wissen. Im fernen Athen fand fast gleichzeitig ebenfalls eine Ausstellung mit sportlichem Hintergrund statt. Die Olympischen Spiele sollten sich in den nächsten Jahrzehnten zum größten Sportevent der Welt entwickeln und knapp 70 Jahre auch Innsbruck zurück auf die Weltbühne bringen. Die Tiroler Ausstellung hatte, anders als die Olympischen Spiele in Athen, weniger die Antike zum Vorbild, sondern wollte über die „vielfältigen Beziehungen zwischen dem Erziehungswesen, dem Sport und der Gesundheitspflege einerseits und Handel und Gewerbe andererseits“ informieren. Man war sich sicher, dass „jede Nation, jeder Staat… seine Besonderheiten in Bezug auf Schuleinrichtungen und Principien der Gesundheitspflege und die Ausübung des Sportes hat“.

Hatte die Ausstellung drei Jahre zuvor den Leopoldsbrunnen als Verbindung zwischen dem Haus Habsburg und dem Land Tirol als Symbol, griff man diesmal zu einem Nicht-Habsburger. Wer besser sollte Tirol als Nation repräsentieren als der heroische Andreas Hofer, der für Gott, Kaiser und Vaterland sogar sein Leben geopfert hatte? Das Panoramagebäude wurde als Teil der Ausstellung in einem Holzbau in der Nähe des heutigen Messegeländes errichtet, um Gästen aus Nah und Fern den heldenhaften Kampf der Tiroler gegen die Übermacht der Franzosen und Bayern im Jahr 1809 visuell zu präsentieren. Besucher konnten das Riesenrundgemälde des Münchner Malers Michael Zeno Diemer (1867 – 1939), das auf 1000 qm seine Vorstellung der 3. Schlacht am Berg Isel vom 13. August 1809 festhielt, bestaunen. Die Innsbrucker Nachrichten beschrieben das hervorragende Object auf dem Ausstellungsplatze am Tag der Eröffnung folgendermaßen:

„Es ist dies ein Rundbild, wie es herrlicher und prächtiger nirgends gefunden werden dürfte. Der Besucher ist geradezu überrascht, entzückt, wenn er das Panorama betritt. Die Illusion ist so vollkommen, dass er vergisst, dass er in einem geschlossenen Raume sich befindet. Wenn ja, so kann man men es hier sagen, dass der Künstler sich selbst übertroffen hat.“

Lange währte der Holzbau allerdings nicht. Ein glücklicher Zufall wollte es, dass das Gemälde auf großer Reise in London bei der Imperial Austrian Exhibition war, als das Gebäude zehn Jahre später abbrannte. Die Innsbrucker Nachrichten notierten dazu am 6. Februar 1906:

Heute nachts um 2 ¼ kam in dem in letzter Zeit unbewohnten Gebäude des Panoramas der Schlacht am Berg Isel 1809 auf bisher unbekannte Weise ein Feuer zum Ausbruch, welches bei der leichten Bauart des Gebäudes rasch um sich griff, sodass es schon gegen 3 Uhr in sich zusammenstürzte und nur noch das Gerippe der Seitenwände Zeugnis gibt, wo einst das vielbesuchte tirolische Gemälde von Diemer, Egger und Burger seine Anziehungskraft ausübte.

Bereits ein Jahr später konnte das heutige Gebäude eröffnet werden. Das achteckige Gebäude nach Plänen von Anton Fritz neben der Talstation der alten Hungerburgbahn ist eines der Gebäude, das symbolisch für die Entwicklung des modernen Innsbrucks im Saggen rund um die Jahrhundertwende steht. Der Saggen beherbergte nicht nur das Riesenrundgemälde, sondern mit der 1837 errichteten alten Kettenbrücke und der Talstation der Hungerburgbahn noch zwei weitere Bauwerke für die Erneuerung der Stadt. Eine touristische Werbeanzeige pries das patriotische Kunstwerk an:

„… das Riesenrundgemälde des akademischen Malers Michael Zeno Diemer an der Station der Hungerburgbahn; 96 Meter breit und 12 ½ Meter hoch. Zählt zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Innsbrucks.

1917 ging das Riesenrundgemälde erneut auf Wanderschaft, diesmal nach Wien. Der Kampf der Tiroler gegen die französische Übermacht war mittlerweile zum nationalen Symbol geworden und sollte die Kriegspropaganda unterstützen. Während in ganz Europa das industrialisierte Massensterben an den Fronten vor sich ging, zeigte das Gemälde Ziemers eine idyllische Version des patriotischen Krieges. Der Schriftsteller Alfred Polgar notierte dazu:

Dort ist’s still und kühl. Die Gewehre und Kanonen schießen, aber sie knallen nicht. Die Getroffenen fahren mit der Hand ans Herz, aber es tut ihnen – dieses tröstliche Bewußtsein haben wir – nicht weh. Feindliche Soldatenhaufen stürmen wild den Berg hinauf, aber sie kommen nicht vom Fleck.

Nach dem Krieg wurde das Panoramagebäude als Garage und Viehstall genutzt. Erst 1924 wurde die Rotunde wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 1974 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt, seit der Errichtung des Museums am Berg Isel und der Übersiedlung des Riesenrundgemäldes dorthin 2011 steht es leer. Was mit dem sanierungswürdigen, aber geschichtsträchtigen Bau geschehen soll, ist Stand 2024 noch nicht geklärt.

Andreas Hofer und die Tiroler Erhebung von 1809

Die Zeit der Napoleonischen Kriege bescherte dem Land Tirol ein nationales Epos und mit Andreas Hofer einen Helden, dessen Glanz bis in die heutige Zeit strahlt. Grund dafür war nach 1703 einmal mehr eine Auseinandersetzung mit dem nördlichen Nachbarn und dessen Verbündeten. Das Königreich Bayern war während der Napoleonischen Kriege, wie schon während des Spanischen Erbfolgekrieges mit Frankreich verbündet und konnte zwischen 1796 und 1805 Tirol erobern. Innsbruck war nicht mehr Landeshauptstadt Tirols, sondern nur noch eine von vielen Kreishauptstädten der Verwaltungseinheit Innkreis.

Die Steuern wurden erhöht, Befugnisse verringert. Prozessionen und religiöse Feste der konservativen und frommen Tiroler fielen dem aufklärerischen Programm der von der französischen Revolution geprägten neuen Landesherren zum Opfer. Strengen Katholiken Pater Haspinger waren auch Maßnahmen wie die von den Bayern verordneten Pockenimpfungen zuwider. Die Unzufriedenheit innerhalb großer Teile der Tiroler Bevölkerung war groß.

Der Funke, der das Pulverfass zur Explosion brachte, war die Aushebung junger Männer zum Dienst in der bayrisch-napoleonischen Armee, obwohl Tiroler seit dem Landlibell, einem Gesetz Kaiser Maximilians, nur für die Verteidigung der eigenen Grenzen herangezogen werden durften. Am 10. April kam es bei einer Aushebung in Axams bei Innsbruck zu einem Tumult, der schließlich zu einem Aufstand führte.

Für Gott, Kaiser und Vaterland kamen Abteilungen der Tiroler Landesverteidigung zusammen, um den kleinen Armeeteil und die Verwaltungsbeamten der Bayern aus Innsbruck zu vertreiben. Angeführt wurden die Schützen von Andreas Hofer (1767 – 1810), einen Wirt, Wein- und Pferdehändler aus dem Südtiroler Passeiertal bei Meran. Ihm zur Seite standen nicht nur weitere Tiroler wie Pater Haspinger, Peter Mayr und Josef Speckbacher, sondern im Hintergrund auch der Habsburger Erzherzog Johann.

In Innsbruck angekommen plünderten die Schützen Häuser, deren teilweise liberale Bevölkerung der modernen bayrischen Verwaltung nicht in allem abgeneigt war. Teilen der Bürgerschaft wäre dieser frische Wind, der aus dem revolutionären Frankreich herüberwehte, lieber gewesen als die konservativen Habsburger. Der wilde Mob war für die Stadt wohl schädlicher als die bayrischen Verwalter seit 1805. Vor allem gegen den kleinen jüdischen Bevölkerungsanteil Innsbrucks kam es zu heftigen Ausschreitungen der „Befreier“.

Einen Monat später hatten Bayern und Franzosen die Kontrolle über Innsbruck zurückerlangt. Was nun folgte, war das, was als Tiroler Erhebung unter Andreas Hofer, der mittlerweile das Oberkommando über die Tiroler Landesverteidigung übernommen hatte, in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Insgesamt drei Mal konnten die Tiroler Aufständischen den Sieg vom Schlachtfeld tragen. Besonders bekannt ist die 3. Schlacht im August 1809 am Berg Isel. „Innsbruck sieht und hört, was es noch nie gehört und gesehen: eine Schlacht von 40.000 Kombattanten…

Für kurze Zeit war Andreas Hofer in Ermangelung regulärer Tatsachen Oberkommandant Tirols, auch für zivile Angelegenheiten. Die Kosten für Kost und Logis dieses Bauernregiments musste Innsbruck tragen. Besonders die liberalen und vermögenden Kreise der Stadt waren nicht glücklich mit den neuen Stadtherren. Die von ihm als Landeskommandant erlassenen Verordnungen erinnern eher an einen Gottesstaat als ein Gesetzwerk des 19. Jahrhunderts. Frauen durften nur noch züchtig verhüllt auf die Straße gehen, Tanzveranstaltungen wurden verboten und freizügige Denkmäler wie die am Leopoldsbrunnen zu besichtigenden Nymphen wurden aus dem öffentlichen Raum verbannt. Bildungsagenden sollten wieder an den Klerus gehen. Liberale und Intellektuelle wurden verhaftet, dafür wurde das Rosenkranzbeten zum Gebot.

Am Ende gab es im Herbst 1809 in der vierten und letzten Schlacht am Berg Isel eine empfindliche Niederlage gegen die französische Übermacht. Die Regierung in Wien hatte die Tiroler Aufständischen vor allem als taktischen Prellbock im Krieg gegen Napoleon benutzt. Bereits zuvor hatte der Kaiser das Land Tirol offiziell im Friedensvertrag von Schönbrunn wieder abtreten müssen. Innsbruck war zwischen 1810 und 1814 wieder unter bayrischer Verwaltung. Hofer selbst war zu dieser Zeit bereits ein von der Belastung dem Alkohol gezeichneter Mann. Er wurde gefangengenommen und am 20. Januar 1810 in Mantua hingerichtet.

Der „Freiheitskampf“ symbolisiert bis heute für das Tiroler Selbstverständnis. Lange Zeit galt Andreas Hofer als unumstrittener Held und als Prototyp des wehrhaften, vaterlandstreuen und standhaften Tirolers. Der Underdog, der sich gegen die fremde Übermacht und unheilige Sitten wehrte. Tatsächlich war Hofer wohl ein charismatischer Anführer, ein politisch aber unbegabter und konservativ-klerikaler, simpler Geist. Seine Taktik bei der 3. Schlacht am Berg Isel „Grad nit aufferlassen tiat sie“ (Ann.: Ihr dürft sie nur nicht heraufkommen lassen) fasst sein Wesen wohl ganz gut zusammen.

In konservativen Kreisen Tirols wie den Schützen wird Hofer unkritisch und kultisch verehrt. Das Tiroler Schützenwesen ist gelebtes Brauchtum, das sich zwar modernisiert hat, in vielen dunklen Winkeln aber noch reaktionär ausgerichtet ist. Wiltener, Amraser, Pradler und Höttinger Schützen marschieren immer noch einträchtig neben Klerus, Trachtenvereinen und Marschmusikkapellen bei kirchlichen Prozessionen und schießen in die Luft, um alles Übel von Tirol und der katholischen Kirche fernzuhalten.

In Tirol wird Andreas Hofer bis heute gerne für alle möglichen Initiativen und Pläne vor den Karren gespannt. Vor allem im Nationalismus des 19. Jahrhunderts berief man sich immer wieder auf den verklärten Helden Andreas Hofer. Hofer wurde über Gemälde, Flugblätter und Schauspiele zur Ikone stilisiert. Aber auch heute noch kann man das Konterfei des Oberschützen sehen, wenn sich Tiroler gegen unliebsame Maßnahmen der Bundesregierung, den Transitbestimmungen der EU oder der FC Wacker gegen auswärtige Fußballvereine zur Wehr setzen. Das Motto lautet dann „Mannder, s´isch Zeit!“.  Die Legende vom wehrfähigen Tiroler Bauern, der unter Tags das Feld bestellt und sich abends am Schießstand zum Scharfschützen und Verteidiger der Heimat ausbilden lässt, wird immer wieder gerne aus der Schublade geholt zur Stärkung der „echten“ Tiroler Identität.

Erst in den letzten Jahrzehnten setzte eine kritische Betrachtung des erzkonservativen und mit seiner Aufgabe als Tiroler Landeskommandanten wohl überforderten Schützenhauptmanns ein, der angestachelt von Teilen der Habsburger und der katholischen Kirche nicht nur Franzosen und Bayern, sondern auch das liberale Gedankengut der Aufklärung vehement aus Tirol fernhalten wollte.

Über die Stadt verteilt erinnern viele Denkmäler an das Jahr 1809. Andreas Hofer und seinen Mitstreitern Josef Speckbacher, Peter Mayer, Pater Haspinger und Kajetan Sweth wurden vor allem im Stadtteil Wilten, das 1904 zu Innsbruck kam und lange unter der Verwaltung des Stiftes gestanden hatte, Straßennamen gewidmet. Die Feiern zum Todestag Andreas Hofers am 20. Februar locken bis heute regelmäßig Menschenmassen aus allen Landesteilen Tirols in die Stadt. 

Der Erste Weltkrieg und die Zeit danach

Auch in Innsbruck war die Begeisterung für den Krieg 1914 groß gewesen. Vom Nationalismus und der Begeisterung für „Gott, Kaiser und Vaterland“ der Zeit angetrieben, begrüßten Bauernsöhne und Studenten den Krieg zum allergrößten Teil einhellig. Klerus und Presse stimmten in den allgemeinen Jubel mit ein und heizten die Sache weiter an. Besonders „verdient“ machten sich dabei Theologen wie Joseph Seeber (1856 – 1919) und Anton Müllner alias Bruder Willram (1870 – 1919) die mit ihren Predigten und Schriften wie „Das blutige Jahr“ den Krieg zu einem Kreuzzug gegen Frankreich und Italien erhoben.

Viele Innsbrucker meldeten sich freiwillig für den Feldzug gegen Serbien, von dem man dachte, er wäre eine Angelegenheit weniger Wochen oder Monate. Von außerhalb der Stadt kam eine so große Anzahl an Freiwilligen zu den Stellungskommissionen, dass Innsbruck beinahe aus allen Nähten platzte. Wie anders es kommen sollte, konnte keiner ahnen. Schon nach den ersten Schlachten im fernen Galizien war klar, dass es keine Sache von Monaten werden würde.

1915 trat das Königreich Italien an der Seite Frankreichs und Englands in den Krieg ein. Damit ging die Front quer durch das damalige Tirol. Vom Ortler im Westen über den nördlichen Gardasee bis zu den Sextener Dolomiten fanden die Gefechte des Gebirgskriegs statt. Innsbruck war nicht direkt von den Kampfhandlungen betroffen. Zumindest hören konnte man das Kriegsgeschehen aber bis in die Landeshauptstadt, wie in der Zeitung vom 7. Juli 1915 zu lesen war:

„Bald nach Beginn der Feindseligkeiten der Italiener konnte man in der Gegend der Serlesspitze deutlich Kanonendonner wahrnehmen, der von einem der Kampfplätze im Süden Tirols kam, wahrscheinlich von der Vielgereuter Hochebene. In den letzten Tagen ist nun in Innsbruck selbst und im Nordosten der Stadt unzweifelhaft der Schall von Geschützdonner festgestellt worden, einzelne starke Schläge, die dumpf, nicht rollend und tönend über den Brenner herüberklangen. Eine Täuschung ist ausgeschlossen. In Innsbruck selbst ist der Donner der Kanonen schwerer festzustellen, weil hier der Lärm zu groß ist, es wurde aber doch einmal abends ungefähr um 9 Uhr, als einigermaßen Ruhe herrschte, dieser unzweifelhafte von unseren Mörsern herrührender Donner gehört.“

Bis zur Verlegung regulärer Truppen von der Ostfront hing die Landesverteidigung an den Standschützen, einer Truppe, die aus Männern unter 21, über 42 oder mit Untauglichkeit für den regulären Militärdienst bestand. Täglich trafen wenig erbauliche Neuigkeiten der Front, Särge und Kriegsgefangene ein. Verwundetentransporte luden Menschenmaterial für die Lazarette im Hinterland ab. Um der großen Zahl an Gefallenen Herr zu werden, wurde der Militärfriedhof Pradl angelegt.

Die Bevölkerung in Innsbruck litt unter Mangel, vor allem im letzten Winter, der als Hungerwinter in die europäische Geschichte einging. Die Versorgung erfolgte in den letzten Kriegsjahren über Bezugsscheine. 500 g Fleisch, 60 g Butter und 2 kg Kartoffel waren die Basiskost pro Person – pro Woche, wohlgemerkt. Auf Archivbildern kann man die langen Schlangen verzweifelter und hungriger Menschen vor den Lebensmittelläden sehen.

Im Oktober 1918 kam es zu Fliegeralarm, Schaden entstand keiner. Zu dieser Zeit war den meisten Menschen schon klar, dass der Krieg verloren war, und welches Schicksal Tirol erwarten würde, wie dieser Artikel vom 6. Oktober 1918 zeigt:

 „Aeußere und innere Feinde würfeln heute um das Land Andreas Hofers. Der letzte Wurf ist noch grausamer; schändlicher ist noch nie ein freies Land geschachert worden. Das Blut unserer Väter, Söhne und Brüder ist umsonst geflossen, wenn dieser schändliche Plan Wirklichkeit werden soll. Der letzte Wurf ist noch nicht getan. Darum auf Tiroler, zum Tiroler Volkstag in Brixen am 13. Oktober 1918 (nächsten Sonntag). Deutscher Boden muß deutsch bleiben, Tiroler Boden muß tirolisch bleiben. Tiroler entscheidet selbst über Eure Zukunft!

Am 4. November vereinbarten Österreich-Ungarn und das Königreich Italien schließlich einen Waffenstillstand. Damit verbunden war das Recht der Alliierten Gebiete der Monarchie zu besetzen. Bereits am nächsten Tag rückten bayerische Truppen in Innsbruck ein. Der österreichische Verbündete Deutschland befand sich noch im Krieg mit Italien und hatte Angst, die Front könnte nach Nordtirol näher an das Deutsche Reich verlegt werden. Zum großen Glück für Innsbruck und die Umgebung kapitulierte aber auch Deutschland eine Woche später am 11. November. So blieben die großen Kampfhandlungen zwischen regulären Armeen außen vor.

Trotzdem war Innsbruck in Gefahr. Gewaltige Kolonnen an militärischen Kraftfahrzeugen, Züge voller Soldaten und tausende ausgezehrte Soldaten, die sich zu Fuß auf den Heimweg von der Front machten, passierten die Stadt. Um die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, bildeten sich Wehrgruppen aus Schülern, Studenten, Arbeitern und Bürgern. Die Stadt musste nicht nur die eigenen Bürger in Zaum halten, die Verpflegung garantieren, sondern sich auch vor Plünderungen schützen.

Am 23. November 1918 besetzten italienische Truppen die Stadt und das Umland. Der beschwichtigende Aufruf an die Innsbrucker von Bürgermeister Greil, die Stadt ohne Aufruhr zu übergeben, hatte Erfolg. Es kam kaum zu Ausschreitungen.

Die wirtschaftlichen Aussichten in Innsbruck waren in den Nachkriegsjahren miserabel. Die Republik Deutschösterreich war zwar ausgerufen, wie es mit Tirol weitergehen sollte, war unklar. Bei den Friedensverhandlungen in Paris war wurde der Brenner zur neuen Grenze erklärt. Das historische Tirol war zweigeteilt. Viele Menschen zu beiden Seiten des Brenners fühlten sich verraten. Man hatte den Krieg zwar bei Weitem nicht gewonnen, als Verlierer gegenüber Italien sah man sich aber nicht. Der Hass auf Italiener erreichte in der Zwischenkriegszeit seinen Höhepunkt. Eine Passage aus dem Erzählband „Die Front über den Gipfeln“ des nationalsozialistischen Autors Karl Springenschmid spiegelt die allgemeine Stimmung wider:

„`Walsch (Anm.:Italienisch) werden, das wär das Ärgste!` sagt die Junge.

Da nickt der alte Tappeiner bloß und schimpft: `Weiß wohl selber und wir wissen es alle: Walsch werden, das wär das Ärgste.`“

Der Anschluss an Deutschland erhielt bei einer Abstimmung in Tirol einen Zuspruch von 98% in Tirol, kam aber nie zustande. Auch eine eigene Republik mit Bayern stand im Raum. Viele Menschen, besonders Beamten und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, hatten ihre Arbeit verloren. Der Fremdenverkehr war inexistent. Erst 1923, mit der Währungssanierung unter Kanzler Ignaz Seipel begann sich Innsbruck langsam zu erholen.

Erinnerungsorte an den Ersten Weltkrieg finden sich in Innsbruck vor allem an Kirchen, die der gefallenen Gemeindemitglieder gedenken, und Friedhöfen. Besonders interessant ist der Pradler Friedhof. Den beiden Theologen Anton Müllner und Josef Seeber sind Innsbrucker Straßennamen gewidmet.

Sportliches Innsbruck

Wer den Beweis benötigt, dass die Innsbrucker stets ein aktives Völkchen waren, könnte das Bild „Winterlandschaft“ des niederländischen Malers Pieter Bruegel (circa 1525 – 1569) aus dem 16. Jahrhundert bemühen. Auf seiner Rückreise von Italien gen Norden hielt der Meister wohl auch in Innsbruck und beobachtete dabei die Bevölkerung beim Eislaufen auf dem zugefrorenen Amraser See. Beda Weber beschrieb in seinem Handbuch für Reisende in Tirol 1851 die Freizeitgewohnheiten der Innsbrucker, darunter auch das Eislaufen am Amraser See. „Der unweit davon (Anm.: Amras) liegende See, eine Lache in der Moosgegend, wird im Winter von den Schlittschuhläufern benützt.

Muse und frei verfügbare Zeit, für Sport wie der Jagd oder Reiten war im Mittelalter und der Frühen Neuzeit aber vor allem ein Privileg des Adels. Erst durch die geänderten Lebensumstände des 19. Jahrhunderts hatte ein guter Teil der Bevölkerung, vor allem in den Städten, zum ersten Mal so etwas wie Freizeit. Mehr und mehr arbeiteten Menschen nicht mehr in der Landwirtschaft, sondern als Arbeiter und Angestellte in Büros, Werkstätten und Fabriken nach geregelten Zeitplänen.

Vorreiter war das bereits früh industrialisierte England, wo sich Arbeiter und Angestellte langsam vom Turbokapitalismus der frühen Industrialisierung zu befreien begannen. 16-Stunden-Tage waren nicht nur gesundheitlich bedenklich für den Arbeiter, auch Unternehmer merkten, dass eine Überbelastung unrentabel war. Gesunde und glückliche Arbeiter waren besser für die Produktivität. Seit den 1860er Jahren gab es Bestrebungen, einen 8-Stunden-Tag einzuführen. 1873 setzten die österreichischen Buchdrucker eine Arbeitszeit von zehn Stunden pro Tag durch. 1918 stellt man in Österreich auf eine 48-Stunden-Woche um. Ab 1930 galten in Industriebetrieben 40 Stunden pro Woche als Normalarbeitszeit. Menschen jeder Schicht, nicht mehr nur die Aristokratie, hatten nun Zeit und Geist für Hobbies, Vereinsleben und sportliche Betätigung.

Es waren vielfach auch englische Touristen, die sportliche Trends, Disziplinen und Ausrüstung mitbrachten. Der finanzielle Aufwand für das benötigte Equipment bestimmte, ob die Disziplin dem Bürgertum vorbehalten blieb oder auch Arbeiter sich das Vergnügen leisten konnten. Zum Beispiel war das Rodeln bereits um die Jahrhundertweite weit verbreitet während Bob und Skeleton elitäre Sportarten blieben.

Den Anfang des organisierten Vereinssports machte der ITV, der Innsbrucker Turnverein, der sich 1849 gründete. Das Turnen war der Inbegriff des Sports im deutschsprachigen Raum. Der Wettkampfgedanke stand dabei nicht im Vordergrund. Die meisten Vereine hatten einen politischen Hintergrund. Es gab christliche, sozialistische, und großdeutsche Sportvereine. Sie dienten als Vorfeldorganisation politischer Parteien und Organe. Mehr oder minder alle Vereine hatten Arierparagraphen in ihren Statuten. Juden gründeten deshalb ihre eigenen Sportvereine gründeten. Aus den deutschen Turnvereinen ging, ähnlich wie aus den Studentenverbindungen, die Nationalbewegung hervor. Die Mitglieder sollten sich körperlich ertüchtigen, um dem nationalen Volkskörper im Kriegsfall bestmöglich zu dienen. Sitzende Berufe, vor allem die akademischen, wurden mehr, Turnen diente als Ausgleich. Sieht man die Turner auf alten Bildern ihre Übungen und Vorführungen abhalten, fällt der stramm militärische Charakter dieser Veranstaltungen auf. Der großdeutsche Agitator Friedrich Ludwig Jahn (1778 – 1852), landläufig bekannt als Turnvater Jahn, war nicht nur Vorturner der Nation, sondern war auch geistiger Vater des Lützow´schen Freikorps das gegen Napoleon als eine Art gesamtdeutsches Freiwilligenheer ins Feld zog. Eines der bekanntesten Bonmots, das diesem leidenschaftlichen Antisemiten zugeschrieben wird, lautet „Hass alles Fremden ist des Deutschen Pflicht“. Im Saggen erinnern die Jahnstraße und ein kleiner Park mit Denkmal an Friedrich Ludwig Jahn.

1883 gründeten die Radfahrer den Verein Bicycle Club. Die ersten Radrennen in Frankreich und Großbritannien hatten in ab 1869 stattgefunden. Die englische Stadt Coventry war auch Vorreiter bei der Produktion der eleganten Stahlrösser, die ein Vermögen kosteten. Bereits im selben Jahre hatte die Innsbrucker Presse von den modernen Mitteln des Individualverkehrs berichtet, als sich „einige Herren mit mehreren von der Firma Peterlongo bestellten Velocipedes auf die Straße wagten“. 1876 kam es zu einem kurzzeitigen Verbot des Radverkehrs in Innsbruck, da es immer wieder zu Unfällen gekommen war. Auch das Radfahren wurde recht zügig von staatlicher Seite als Ertüchtigung erkannt, die man für militärische Zwecke nutzen konnte. Ein Reichs-Kriegsministerialerlass dazu ist in der Presse zu finden:

Es ist beabsichtigt, wie in den Vorjahren, auch heuer bei den Uebungen mit vereinigten Waffen Radfahrer zu verwenden… Die Commanden der Infanterie- und Tiroler Jägerregimenter sowie der Feldjäger-Bataillone haben jene Personen, welche als Radfahrer in Evidenz stehen und heuer zur Waffenübung verpflichtet sind, zum Einrücken mit ihrem Fahrrade aufzufordern.

Die Velocipedisten siedelten sich 1896 im Rahmen der „Internationalen Ausstellung für körperliche Erziehung, Gesundheitspflege und Sport“ im Saggen nahe der Viaduktbögen mit einer Radrennbahn samt Tribüne an. Neben Radrennen fanden hier bis zum Abriss der Anlage Boxkämpfe und Tennismatches statt. Die Innsbrucker Nachrichten berichteten begeistert von dieser Neuerung, war doch der Radsport bis zu den ersten Autorennen europaweit die beliebteste Sportdisziplin:

Die Innsbrucker Rennbahn, welche in Verbindung mit der internationalen Ausstellung noch im Laufe der nächsten Wochen eröffnet wird, erhält einen Umfang von 400 Metern bei einer Breite von 6 Metern… Die Velociped-Rennbahn, um deren Errichtung sich der Präsident des Tiroler Radfahrer-Verbandes Herr Staatsbahn-Oberingenieur R. v. Weinong, das Hauptverdienst erworben hat, wird eine der hervorragendsten und besteingerichteten Radfahrbahnen des Continents sein. Am. 29. d. M. (Anm.: Juni 1896) wird auf der Innsbrucker Rennbahn zum erstenmale ein großes internationales Radwettfahren abgehalten, welchem dann in der Zukunft alljährlich regelmäßig Velociped-Preisrennen folgen sollen, was der Förderung des Radfahr-Sports wie auch des Fremdenverkehrs in Innsbruck sicher in bedeutendem Maße nützlich sein wird.“

Die Fußballer waren wegen des Arierparagraphen, der Matches mit Mannschaften mit jüdischen Spielern verbot, aus dem Dachverein ITV ausgetreten. 1903 gründete sich der Verein Fußball Innsbruck, der später zum SVI werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits überregionale Fußballspiele, zum Beispiel ein 1:1 Unentschieden der Mannschaft des ITV gegen Bayern München. Die Spiele wurden auf einem Fußballplatz vor dem Sieberer Waisenheim ausgetragen. In Wilten, mittlerweile ein Teil Innsbrucks, entstand 1910 der SK Wilten. 1913 gründete sich mit Wacker Innsbruck der bis heute erfolgreichste Tiroler Fußballverein, der insgesamt unter verschiedenen Namen zehn Mal österreichischer Meister wurde und auch international immer wieder für Furore sorgen konnte.

Die zweite Hälfte der 1920er Jahre waren eine Zeit der Emanzipation und des Aufbruchs nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs und den Krisenjahren, die von Inflation und Versorgungsengpässen charakterisiert waren. 1925 errichtete die Stadt bei den Sillhöfen ein Sportzentrum, um dem steigenden Bedarf nachzukommen. Schon im 19. Jahrhundert war dieses Areal zwischen Wilten, Pradl und Amras am Fuße des Berg Isel ein beliebtes Ausflugsziel für Innsbrucker. Die erste Anlage bestand aus zwei Fußballfeldern samt Aschenbahn für Leichtathletik. Die Sportplätze wurden während des Zweiten Weltkrieges Opfer der Bomben. Die Fläche nutzten Innsbrucker Bürger in der Nachkriegszeit als Schrebergärten.

1953 wurde das alte Tivoli-Fußballstadion eröffnet, in dem der FC Wacker Innsbruck unter verschiedenen Vereinsnamen bis zum Umzug in die neue Heimstätte hinter dem Olympiastadion im Jahr 2000 acht von insgesamt zehn österreichischen Meistertiteln feiern konnte.

Die erste Badeanstalt empfing Schwimmer ab 1833 in der Höttinger im Freibad am Gießen. Weitere Bäder beim Schloss Büchsenhausen oder die in Frauen- und Herren-Badeanstalt getrennte Anlage neben dem heutigen Sillparkgelände folgten bald. Besonders schön gelegen war das Freischwimmbad Schönruh oberhalb des Schloss Ambras, das 1929 kurz nach der Erbauung des Hallenbades in Pradl eröffnete. Die Bevölkerung war ebenso stark gewachsen wie ihre Lust am Schwimmen als Freizeitbeschäftigung. 1961 wurde das Sportangebot am Tivoli um das Freischwimmbad Tivoli erweitert. Abgesehen von einigen Erneuerungen und der Umstrukturierung auf Grund der Wohnanlage Tivoli besteht das Schwimmbad im Kern seit über 60 Jahren nach den Plänen dieser Zeit und gilt als internationales Vorbild für die Gestaltung einer städtischen Freizeitanlage.

Neben den diversen Sommersportarten wurde auch der Wintersport immer populärer. Rodeln war schon zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine beliebte Freizeitbeschäftigung auf den Hügeln rund um Innsbruck. Der erste Eislaufplatz eröffnete 1870 als winterliche Alternative zum Schwimmen am Gelände des Freibades in der Höttinger Au. Ander als der Wassersport war Eislaufen ein Vergnügen, das von Damen und Herren gemeinsam genossen werden konnte. Anstatt sich beim Sonntagsspaziergang zu treffen, konnten junge Paare sich am Eislaufplatz ohne elterliches Beisein verabreden. 1884 gründete sich der Eislaufverein und nutzte das Ausstellungsgelände als Eisbahn. Mit dem Eislaufplatz vor dem k.u.k. Schießstand in Mariahilf, dem Lansersee, dem Amraser See, der Schwimmanlage Höttinger Au und dem Sillkanal in der Kohlstatt standen den Innsbruckern viele Möglichkeiten zum Eislaufen zur Verfügung. Bereits 1908 entstand mit dem IEV auch der erste Eishockeyverein.

Der Skisport, anfangs ein nordisches Vergnügen im Tal, breitete sich bald auch als Abfahrtsdisziplin aus. Der Akademische Alpenclub Innsbruck gründete sich 1893 und veranstaltete zwei Jahre später das erste Skirennen auf Tiroler Boden von Sistrans zum Schloss Ambras. Das 1867 gegründete Sporthaus Witting in der Maria-Theresien-Straße bewies Geschäftssinn und verkaufte noch vor 1900 Ausrüstung für das gut betuchte Publikum der Skisportler. Nach St. Anton und Kitzbühel gründete sich 1906 der erste Innsbrucker Skiverein. Die Ausrüstung war einfach und ermöglichte lange Zeit nur das Fahren auf verhältnismäßig flachen Hängen mit einer Mischung aus alpinem und nordischem Stil ähnlich dem Langlaufen. Trotzdem wagte man sich in Mutters oder auf der Ferrariwiese die Pisten hinabzudüsen. Seit 1928 führten zwei Seilschwebebahnen sowohl auf die Nordkette und den Patscherkofel, was den Skisport bedeutend attraktiver machte. Den Durchbruch zum Nationalsport erlangte das Skifahren mit der Ski-WM im Februar 1933 in Innsbruck. Auf nicht abgesteckter Strecke mussten 10 Kilometer und 1500 Höhenmeter zwischen dem Glungezer und Tulfes bewältigt werden. Die beiden Lokalmatadoren Gustav Lantschner und Inge Wersin-Lantschner gewannen bei den Rennen mehrere Medaillen und befeuerten damit den Hype rund um den alpinen Wintersport in Innsbruck.

Innsbruck identifiziert sich bis heute sehr stark mit dem Sport. Mit der Fußball-EM 2008, der Radsport-WM 2018 und der Kletter-WM 2018 konnte man an die glorreichen 1930er Jahre mit zwei Skiweltmeisterschaften und die beiden Olympiaden von 1964 und 1976 auch im Spitzensportbereich wieder an die Goldenen Zeiten anknüpfen. Trotzdem ist es weniger der Spitzen- als vielmehr der Breitensport, der dazu beiträgt, aus Innsbruck die selbsternannte Sporthauptstadt Österreichs zu machen. Es gibt kaum einen Innsbrucker, der nicht zumindest den Alpinski anschnallt. Mountainbiken auf den zahlreichen Almen rund um Innsbruck, Skibergsteigen, Sportklettern und Wandern sind überdurchschnittlich populär in der Bevölkerung und fest im Alltag verankert.

Wilhelm Greil: DER Bürgermeister Innsbrucks

Einer der wichtigsten Akteure der Stadtgeschichte war Wilhelm Greil (1850 – 1923). Von 1896 bis 1923 bekleidete der Unternehmer das Amt des Bürgermeisters, nachdem er vorher bereits als Vizebürgermeister die Geschicke der Stadt mitgestaltet hatte. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war in der Innsbrucker Stadtpolitik vom Kampf liberaler und konservativer Kräfte geprägt. Greil war ein geschickter Politiker, der sich innerhalb der vorgegebenen Machtstrukturen seiner Zeit bewegte. Er wusste sich um die traditionellen Kräfte, die Monarchie und den Klerus geschickt zu manövrieren und sich mit ihnen zu arrangieren.

Unter ihm wurde von der Stadt ganz im Sinne des Kaufmanns vorausschauend Grund angekauft, um Projekte zu ermöglichen. Unter Wilhelm Greil erweiterte sich Innsbruck beträchtlich. Der Politiker Greil konnte sich bei den großen Bauprojekten der Zeit auf die Beamten und Stadtplaner Eduard Klingler, Jakob Albert und Theodor Prachensky stützen. Neben den Villen im Saggen entstanden auch die Wohnhäuser im östlichen Teil des Stadtviertels. Infrastrukturprojekte wie das neue Rathaus in der Maria-Theresienstraße 1897, die Hungerburgbahn 1906 und die Karwendelbahn wurden umgesetzt. Andere Projekte waren die Erneuerung des Marktplatzes und der Bau der Markthalle.

Vieles, was in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorangetrieben wurde, gehört heute zum Alltag. Für die Menschen dieser Zeit waren diese Dinge aber eine echte Sensation und lebensverändernd. Die vier Jahrzehnte zwischen der Wirtschaftskrise 1873 und dem Ersten Weltkrieg von einem nie dagewesenen Wirtschaftswachstum und einer rasenden Modernisierung gekennzeichnet. Die Wirtschaft der Stadt boomte. Betriebe in Pradl und Wilten gründeten sich und lockten Arbeitskräfte an. Auch der Tourismus brachte frisches Kapital in die Stadt.

Bereits sein Vorgänger Bürgermeister Heinrich Falk (1840 – 1917) hatte erheblich zur Modernisierung der Stadt und zur Besiedelung des Saggen beigetragen. Seit 1859 war die Beleuchtung der Stadt mit Gasrohrleitungen stetig vorangeschritten. Zwischen 1887 und 1891 wurde Innsbruck mit einer modernen Hochdruckwasserleitung ausgestattet, über die auch Wohnungen in höher gelegenen Stockwerken mit frischem Wasser versorgt werden konnten. Wilhelm Greil veranlasste die Übernahme des Gaswerks in Pradl und des Elektrizitätswerks in Mühlau in städtischen Besitz. Die Straßenbeleuchtung wurde auf elektrisches Licht umgestellt.

Greil konnte sich bei dieser Innsbrucker Renaissance auf der Stadt geneigte Mäzen aus dem Bürgertum stützen. Freiherr Johann von Sieberer stiftete das Greisenasyl und das Waisenhaus im Saggen. Leonhard Lang stiftete das Gebäude, das vorher als Hotel genutzt wurde, in das das Rathaus von der Altstadt 1897 übersiedelte, gegen das Versprechen der Stadt ein Lehrlingsheim zu bauen.

In seinen letzten Amtsjahren begleitete Greil Innsbruck am Übergang von der Habsburgermonarchie zur Republik durch Jahre, die vor allem durch Hunger, Elend, Mittelknappheit und Unsicherheit geprägt waren. Er war 68 Jahre alt, als italienische Truppen nach dem Ersten Weltkrieg die Stadt besetzten und Tirol am Brenner geteilt wurde, was für ihn als Vertreter des Deutschnationalismus besonders bitter war.

Greil gehörte der "Deutschen Volkspartei" an, einer liberalen und national-großdeutschen Partei. Was uns heute als Widerspruch erscheint, liberal und national, war im 19. Jahrhundert ein politisch übliches und gut funktionierendes Gedankenpaar. Der Pangermanismus war keine politische Besonderheit einer rechtsradikalen Minderheit, sondern eine Strömung der Mitte, die bis nach dem Zweiten Weltkrieg durch fast alle Parteien hindurch in unterschiedlicher Ausprägung Bedeutung hatte. Unter anderem war Bürgermeister Wilhelm Greil ein Verfechter einer deutschnationalen Lösung, die sich mehr nach Norden als in die östlichen Teile der Monarchie orientierte.

Bedingt durch eine Wahlordnung, die auf das Stimmrecht über Vermögensklassen aufgebaut war, konnten sich große Massenparteien wie die Sozialdemokraten noch nicht durchsetzen. Die Konservativen hatten es, anders als im restlichen Tirol, schwer in Innsbruck, dessen Bevölkerung seit der Zeit Napoleons liberale Morgenluft geschnuppert hatte. Viel mehr waren es eben die von wohlhabenden Bürgern und Unternehmern unterstützten liberalnationalen Politiker, die den politischen Ton Innsbrucks dieser Zeit vorgaben.

1928 verstarb Altbürgermeister Greil als Ehrenbürger der Stadt Innsbruck im Alter von 78 Jahren. Die Wilhelm-Greil-Straße war noch zu seinen Lebzeiten nach ihm benannt worden.