Kaufhaus Tyrol

Maria-Theresienstraße 31

Kaufhaus Tyrol
Wissenswert

Die Geschichte des Konsumtempels in der Innsbrucker Innenstadt und des benachbarten Lokals spiegelt viele Ereignisse des 19. und 20. Jahrhunderts sowie der jüngeren Vergangenheit wider. 1854 eröffnete Dominikus Zambra in der Maria-Theresienstraße 29 ein erstes Kaufhaus, die Eisen- und Nürnberger Kurzwarenhandlung. Von Küchenutensilien für die Hausfrau über Spielwaren für die Kinder aus der wachsenden Bürgerschicht hin zu Werkzeugen und Ausrüstung für Bergtouren konnten Einheimische und Touristen in Zambras Warenhandlung alle möglichen Gegenstände des täglichen Lebens und Andenken an den Besuch in Tirol erstehen.

Der gesellschaftliche und wirtschaftliche Wandel im Alltag der Menschen und der aufkeimende Tourismus äußerten sich in wandelnden Konsumgewohnheiten. Ein städtisches Publikum, bei dem die Allmacht der Kirche zu bröckeln begann, hatte neue Bedürfnisse entwickelt. So wie die Gesellschaft das Konsumverhalten änderte, waren es in Wechselwirkung Kaufhäuser, die auf die Gesellschaft Einfluss hatten. Es waren Geschäfte wie jenes Zambras, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Unterschied zwischen Stadt- und Landbevölkerung weiter vertieften. Man kleidete sich anders, aß anders, wohnte anders und dachte dementsprechend anders.

Die Wurzeln des späteren Kaufhaus Tyrol, das direkt neben Zambra entstand, entstammten einem für die Zeit der Donaumonarchie nicht untypischen, heutzutage wäre es ein internationales, Projekt. Die Familie Bauer war als fahrende Händler aus dem Burgenland gekommen und hatte sich zum Kaufmann mit fixem Standort hochgearbeitet. 1874 zog Josef Bauer vom Eckhaus der heutigen Wilhelm-Greil-Straße / Museumstraße mit seinem Geschäft, das er mit seinem Sohn Louis betrieb, in die Maria-Theresienstraße 31. Gemeinsam mit seinem Schwager und dessen Brüdern aus der kroatisch-stämmigen Kaufmannsfamilie Schwarz, die erfolgreich seit Jahrzehnten in Innsbruck Damen- und Herrenmode verkaufte, eröffnete Louis Bauer das Warenhaus Josef Bauer & Sohn – Victor Schwarz & Co. Die Häuserzeile wurde in einem für damals spektakulären Umbau in ein modernes Shoppingcenter verwandelt. Im vierstöckigen Prachtbau auf 2.000 m² Verkaufsfläche fanden Innsbrucker eine bis dahin ungeahnte Vielfalt an Waren vor.

Das neue Warenhaus und der Erste Weltkrieg verdrängten das Geschäft Dominik Zambras. 1918 kaufte Hugo Schindler das Gebäude, in dem die Zambras 45 Jahre lang Geschäft und Wohnhaus hatten. Schindlers Familie war von Böhmen nach Tirol gekommen und hatte in Wilten eine Marmeladenfabrik und eine Schnapsbrennerei eröffnet. 1922 öffnete das Lokal Cafe und Konditorei Schindler seine Pforten, um fortan Einheimische und Touristen in schickem Ambiente mit Speisen, Getränken und Unterhaltung zu verwöhnen. Tanzabende und Konzerte fernab der ländlichen Bühnen, die die Innsbrucker Kulturszene des frühen 20. Jahrhunderts dominierten, verwandelten das Schindler schnell in einen der Treffpunkte der Stadt. Hugo Schindler kam zu einem Vermögen, dass ihm den Bau der Villa Schindler am Rennweg, eines der schönsten Häuser der Stadt, ermöglichte.

Die beiden Betriebe auf Höhe der Annasäule waren für die Innsbrucker Verhältnisse bahnbrechend. Das Problem dabei: die Besitzer waren jüdischer Herkunft. Trotz aller eigentlich erfolgreichen Bemühungen sich in die Gesellschaft zu integrieren, sahen sich sowohl die Betreiber des Warenhauses wie auch des Schindler immer wieder antisemitischen Anfeindungen im Heiligen Land Tirol ausgesetzt.

Cafe- und Warenhaus überlebten Weltkrieg, Nachkriegszeit und Wirtschaftskrise, der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich war aber zu viel. Boykotte, Zwangsmaßnahmen und Verbote trieben die jüdischen Betreiber innerhalb kürzester Zeit in den Konkurs. Einige Mitglieder der Familien Bauer und Schwarz flohen nach England, Wilhelm Bauer und seine Mutter kamen während der NS-Zeit um.

1938 fielen das Cafe wie auch das Innsbrucker Handelshaus im Rahmen der Arisierung jüdischen Eigentums an deutsche Unternehmen. Ferdinand Kraus, ein Günstling des Tiroler Gauleiters Franz Hofer kaufte den Bestand um einen Bruchteil des tatsächlichen Wertes. Nationalsozialismus und Krieg zerstörten nicht nur die Unternehmerfamilien als Software, auch die Hardware kam zu Schaden. Bei einem der vielen Luftangriffe wurde das Gebäude schwer zerstört. Nach einem langen Restitutionsverfahren zwischen dem neuen Besitzer Kraus und den Familien Bauer und Schwarz kam es 1959 zu einem Vergleich, der in keiner Weise dem Wert des Unternehmens entsprach.

1964 verkaufte Kraus sein Warenhaus an die Warenhaus-Immobilien GmbH in Wien. Zwei Jahre später wurde unter großem Pomp neu eröffnet. Das neue Kaufhaus Tyrol war lange Zeit DAS Einkaufszentrum Innsbrucks. Die erste Rolltreppe der Stadt, die Innsbrucker hier bestaunen konnten, war eine Sensation. Mit der Eröffnung des DEZ im Gewerbegebiet nahe Amras und dem Sillpark in Pradl erhielt es aber zunehmend Konkurrenz von Einkaufszentren mit modernerem Konzept und kostenfreien Parkplätzen. Auch das Interieur war mittlerweile in die Jahre gekommen. Viele Betreiberwechsel und die komplizierte Eigentümerstruktur waren in den 1990er Jahren der Todesstoß für den ehemaligen Konsumtempel Innsbrucks

2004 erstand die Unternehmensgruppe SIGNA des Innsbrucker Bau- und Handelsunternehmers Rene Benko das altehrwürdige, für einige Jahre mangels Betreiber leerstehende Kaufhaus Tyrol. Nach den Plänen des Architekten David Chipperfields wurde das Shoppingcenter 2010 in komplett neuem Look and Feel wiedereröffnet. Dabei wurde am Konzept des Warenhauses nicht festgehalten, sondern auf das längst gängige Konzept mit vielen einzelnen Läden gesetzt. 2011 wurde es als schönstes Einkaufszentrum Österreichs ausgezeichnet. In Innsbruck war man froh, dass ein „Einheimischer“ als Investor sich des altehrwürdigen Hauses in bester Lage annahm. Benko, der aus bescheiden-bürgerlichen Verhältnissen in Innsbruck stammt und im ehemaligen Arbeiterviertel Pradl aufgewachsen war, erschuf als junger Unternehmer aus dem Nichts ein Immobilienimperium, das sich 2023 in einem der aufsehenerregendsten Konkurse, der Stoff für Romane und Spielfilme bietet, wieder ins Nichts zu verabschieden begann. Im Januar 2025 wurde Rene Benko von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft festgenommen.

Schieden sich die Geister der Innsbrucker Bevölkerung anfangs noch an der modernen Architektur mitten in der Maria-Theresien-Straße, müssen mittlerweile auch Skeptiker zugeben, dass das Kaufhaus Tyrol sehr zur Belebung der Innenstadt beiträgt. Das Cafe Schindler bietet heute, nachdem es für Jahrzehnte geschlossen war, gehobene Küche und DJ-Sessions samt gediegenem Ausblick auf die Innsbrucker Innenstadt. Eine Gedenktafel im Eingangsbereich des Kaufhaus Tyrol erinnert an die bewegte Geschichte des Hauses.

März 1848... und was er brachte

Das Jahr 1848 nimmt einen mythischen Platz in der europäischen Geschichte ein. Die Hotspots waren zwar nicht im abgeschiedenen Tirol, sondern in den großen Metropolen wie Paris, Wien, Budapest, Mailand oder Berlin zu finden, auch im Heiligen Land hinterließ das Revolutionsjahr aber kräftige Spuren.  Im Gegensatz zum bäuerlich geprägten Umland hatte sich in Innsbruck ein aufgeklärtes Bildungsbürgertum entwickelt. Aufgeklärte Menschen wollten keine Untertanen eines Monarchen oder Landesfürsten mehr sein, sondern Bürger mit Rechten und Pflichten gegenüber einem Staat. Studenten und Freiberufler forderten politische Mitsprache, Pressefreiheit und Bürgerrechte. Arbeiter verlangten nach besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen. Die Allmacht der Kirche wurde in Frage gestellt.

Im März 1848 entlud sich in vielen Städten Europas dieses sozial und politisch hochexplosive Gemisch in Aufständen. In Innsbruck feierten Studenten und Professoren die neue Pressefreiheit mit einem Fackelzug. Von einem spontanen Ausbruch der Emotionen zu sprechen wäre verwegen, der Termin des Zuges wurde wegen Schlechtwetter vom 20. auf den 21. März verschoben. Es kam kaum zu antihabsburgischen Ausschreitungen oder Übergriffen, ein verirrter Stein in ein Fenster der Jesuiten war einer der Höhepunkte der alpinen Variante der Revolution von 1848. Die Studenten unterstützten das Stadtmagistrat sogar dabei, die öffentliche Ordnung zu überwachen, um so dem Monarchen ihre Dankbarkeit für die neu gewährten Freiheiten und ihre Treue zu zeigen.

Die anfängliche Begeisterung für bürgerliche Errungenschaften wurde in Innsbruck schnell von deutschnationalem, patriotischen Rausch abgelöst. Am 6. April 1848 wurde vom Gubernator Tirols die deutsche Fahne während eines feierlichen Umzugs geschwungen. Auch auf dem Stadtturm wurde eine deutsche Tricolore gehisst. Während sich Studenten und Konservative bei der Pressefreiheit nicht einig wurden, teilte man die Abneigung gegen die italienische Unabhängigkeitsbewegung. Innsbrucker Studenten und Schützen zogen mit Unterstützung der k.k. Armeeführung ins Trentino und

Die Stadt als Heimat vieler Italienischsprachiger wurde zur Arena dieses Nationalitätenkonflikts. In Kombination mit reichlich Alkohol bereiteten anti-italienische Gefühle in Innsbruck mehr Gefahr für die öffentliche Ordnung als die nach bürgerlichen Freiheiten. Ein Streit zwischen einem deutschsprachigen Handwerker und einem italienischsprachigen Ladiner, eigentlich beide Tiroler, schaukelte sich dermaßen auf, dass es beinahe zu einem Pogrom gegenüber den zahlreichen Betrieben und Gaststätten von italienischsprachigen Tirolern gekommen wäre.

Als es in Wien auch nach dem März nicht aufhörte zu brodeln, floh Kaiser Ferdinand im Mai nach Tirol. Innsbruck war wieder Residenz des Kaisers, wenn auch nur für einen Sommer. Folgt man den Presseberichten aus dieser Zeit, wurde er hier von der Bevölkerung begeistert empfangen.

"Wie heißt das Land, dem solche Ehre zu Theil wird, wer ist das Volk, das ein solches Vertrauen genießt in dieser verhängnißvollen Zeit? Stützt sich die Ruhe und Sicherheit hier bloß auf die Sage aus alter Zeit, oder liegt auch in der Gegenwart ein Grund, auf dem man bauen kann, den der Wind nicht weg bläst, und der Sturm nicht erschüttert? Dieses Alipenland heißt Tirol, gefällts dir wohl? Ja, das tirolische Volk allein bewährt in der Mitte des aufgewühlten Europa die Ehrfurcht und Treue, den Muth und die Kraft für sein angestammtes Regentenhaus, während ringsum Auflehnung, Widerspruch. Trotz und Forderung, häufig sogar Aufruhr und Umsturz toben; Tirol allein hält fest ohne Wanken an Sitte und Gehorsam, auf Religion, Wahrheit und Recht, während anderwärts die Frechheit und Lüge, der Wahnsinn und die Leidenschaften herrschen anstatt folgen wollen. Und während im großen Kaiserreiche sich die Bande überall lockern, oder gar zu lösen drohen; wo die Willkühr, von den Begierden getrieben, Gesetze umstürzt, offenen Aufruhr predigt, täglich mit neuen Forderungen losgeht; eigenmächtig ephemere- wie das Wetter wechselnde Einrichtungen schafft; während Wien, die alte sonst so friedliche Kaiserstadt, sich von der erhitzten Phantasie der Jugend lenken und gängeln läßt, und die Räthe des Reichs auf eine schmähliche Weise behandelt, nach Laune beliebig, und mit jakobinischer Anmaßung, über alle Provinzen verfügend, absetzt und anstellt, ja sogar ohne Ehrfurcht, den Kaiser mit Sturm-Petitionen verfolgt; während jetzt von allen Seiten her Deputationen mit Ergebenheits-Addressen mit Bittgesuchen und Loyalitätsversicherungen dem Kaiser nach Innsbruck folgen, steht Tirol ganz ruhig, gleich einer stillen Insel, mitten im brausenden Meeressturme, und des kleinen Völkchens treue Brust bildet, wie seine Berge und Felsen, eine feste Mauer in Gesetz und Ordnung, für den Kaiser und das Vaterland."

1848 überließ Ferdinand den Thron dem jungen Franz Josef I. Im Juli 1848 kam es in Wien in der Hofreitschule zur Abhaltung einer ersten parlamentarischen Sitzung. Eine erste Verfassung wurde in Kraft gesetzt. Der Reformwille der Monarchie flachte aber schnell wieder ab. Das neue Parlament war ein Reichsrat, es konnte keine bindenden Gesetze erlassen, der Kaiser besuchte es Zeit seines Lebens nie und verstand auch nicht, warum die Donaumonarchie als von Gott eingesetzt diesen Rat benötigt.

Die zart in Gang gesetzte Liberalisierung nahm in den Städten trotzdem ihren Lauf. Innsbruck erhielt den Status einer Stadt mit eigenem Statut. Das Innsbrucker Gemeinderecht sah ein Bürgerrecht vor, das zwar an Besitz oder die Abgabe von Steuern gebunden war, jedoch den Angehörigen der Gemeinde gewisse Rechte gesetzlich zusicherte. Das Heimatrecht konnte durch Geburt, Verehelichung oder außerordentlicher Verleihung erworben werden und verlieh zumindest den männlichen Volljährigen das Wahlrecht auf kommunaler Ebene. Geriet man in finanzielle Notlage, so hatte man das Anrecht auf eine Grundversorgung durch die Stadt.

Am 2. Juni 1848 erschien die erste Ausgabe der liberal und großdeutsch gesinnten Innsbrucker Zeitung, der obiger Artikel zur Ankunft des Kaisers in Innsbruck entnommen ist. Die zuvor abgeschaffte Zensur wurde in Teilen wieder eingeführt. Herausgeber von Zeitungen mussten einigen Schikanen der Obrigkeit unterziehen. Zeitungen durften nicht gegen Landesregierung, Monarchie oder Kirche schreiben.

"Wer durch Druckschriften andere zu Handlungen auffordert, aneifert oder zu verleiten sucht, durch welche die gewaltsame Losreißung eines Theiles von dem einheitlichen Staatsverbande... des Kaiserthums Österreich bewirkt... oder der allgemeine öster. Reichstag oder die Landtage der einzelnen Kronländer... gewalttätig stört... wird mit schwerem Kerker von zwei bis zehn Jahren Haft bestraft."

Nachdem Innsbruck 1849 Meran als Landeshauptstadt abgelöste hatte und somit auch endgültig zum politischen Zentrum Tirols geworden war, bildeten sich Parteien. Ab 1868 stellte die liberal und großdeutsch orientierte Partei den Bürgermeister der Stadt Innsbruck. Der Einfluss der Kirche nahm in Innsbruck im Gegensatz zu den Umlandgemeinden ab. Individualismus, Kapitalismus, Nationalismus und Konsum sprangen in die Bresche. Neue Arbeitswelten, Kaufhäuser, Theater, Cafés und Tanzlokale verdrängten Religion zwar auch in der Stadt nicht, die Gewichtung wurde durch die 1848 errungenen bürgerlichen Freiheiten aber eine andere.

Die vielleicht wichtigste Gesetzesänderung war das Grundentlastungspatent. In Innsbruck hielt der Klerus, vor allem das Stift Wilten, einen großen Teil des bäuerlichen Grundbesitzes. Kirche und Adel waren nicht steuerpflichtig. 1848/49 wurden in Österreich Grundherrschaft und Untertänigkeitsverhältnis aufgehoben. Abgelöst wurden damit Grundzinsen, Zehent und Robot. Die Grundherren erhielten im Rahmen der Grundentlastung ein Drittel des Wertes ihrer Ländereien vom Staat, ein Drittel wurde als Steuererleichterung gewertet, ein Drittel der Ablöse mussten die Bauern selbst übernehmen. Die Bauern konnten diesen Betrag in Raten innert zwanzig Jahren abzahlen. Die Nachwirkungen sind bis heute zu spüren. Die Nachkommen der damals erfolgreichen Bauern genießen durch den geerbten Landbesitz, der auf die Grundentlastung 1848 zurückzuführen ist, die Früchte des Wohlstandes und auch politischen Einfluss durch Grundstücksverkäufe für Wohnbau, Pachten und Ablösen der öffentlichen Hand für Infrastrukturprojekte.

Innsbruck und der Nationalsozialismus

Im Klima der 1930er wuchs und gedieh die NSDAP auch in Tirol. Die erste Ortsgruppe der NSDAP in Innsbruck wurde bereits 1923 gegründet. Mit „Der Nationalsozialist – Kampfblatt für Tirol und Vorarlberg“ erschien ein eigenes Wochenblatt. Konnten die Nationalsozialisten bei ihrem ersten Antreten bei einer Gemeinderatswahl 1921 nur 2,8% der Stimmen erringen, waren es bei den Wahlen 1933 bereits 41%. Neun Mandatare, darunter der spätere Bürgermeister Egon Denz und der Gauleiter Tirols Franz Hofer, zogen in den Gemeinderat ein.

Nicht nur die Wahl Hitlers zum Reichskanzler in Deutschland, auch Kampagnen und Manifestationen in Innsbruck verhalfen der ab 1934 in Österreich verbotenen Partei zu diesem Ergebnis. Dass es bei diesen Manifestationen zu Gewaltausbrüchen kam, war für die Zwischenkriegszeit in Österreich nicht unüblich. Als der Anschluss Österreichs an Deutschland im März 1938 erfolgte, stimmte auch in Innsbruck eine Mehrheit von annähernd 99% mit JA ab. Noch bevor Bundeskanzler Schuschnigg seine letzte Rede an das Volk vor der Machtübergabe an die Nationalsozialisten mit den Worten „Gott schütze Österreich“ am 11. März 1938 geschlossen hatte, rotteten sich bereits die Nationalsozialisten in der Innenstadt zusammen um den Einmarsch der deutschen Truppen vorzufeiern. Am Tiroler Landhaus, damals noch in der Maria-Theresienstraße, wurde die Hakenkreuzfahne gehisst.

Am 12. März empfingen die Innsbrucker das deutsche Militär frenetisch. Wenig später besuchte Adolf Hitler persönlich Innsbruck, um sich von der Menge feiern zu lassen. Archivbilder zeigen eine euphorische Menschenmenge in Erwartung des Führers, des Heilsversprechers. Die Menschen waren nach der wirtschaftlichen Not der Zwischenkriegszeit, der Wirtschaftskrise und den Regierungen unter Dollfuß und Schuschnigg müde und wollten Veränderung. Welche Art von Veränderung, war im ersten Moment weniger wichtig als die Veränderung an und für sich. „Es denen da oben zu zeigen“, das war Hitlers Versprechen. Wehrmacht und Industrie boten jungen Menschen eine Perspektive, auch denen, die mit der Ideologie des Nationalsozialismus an und für sich wenig anfangen konnten. Anders als heute war Demokratie nichts, woran sich jemand in der kurzen, von politischen Extremen geprägten Zeit zwischen der Monarchie 1918 bis zur Ausschaltung des Parlaments unter Dollfuß 1933 hätte gewöhnen können. Was faktisch nicht in den Köpfen der Bevölkerung existiert, muss man nicht abschaffen.

Tirol und Vorarlberg wurden in einem Reichsgau zusammengefasst mit Innsbruck als Hauptstadt. Bewaffneter Widerstand war nicht vorhanden, dazu war die Linke in Tirol nicht stark genug. Unorganisiertes subversives Verhalten von der katholischen Bevölkerung, vor allem in einigen Landgemeinden rund um Innsbruck gab es vereinzelt, erst sehr spät konnte der organisierte Widerstand in Innsbruck Fuß fassen.

Das Regime unter Hofer und Gestapochef Werner Hilliges leistete aber ganze Arbeit bei der Unterdrückung. Im katholischen Tirol war die Kirche das größte Hindernis. Während des Nationalsozialismus wurde die katholische Kirche systematisch bekämpft. Katholische Schulen wurden umfunktioniert, Jugendorganisationen verboten, Klöster geschlossen. Besonders hartnäckige Pfarrer wie Otto Neururer wurden in Konzentrationslager gebracht. Auch Lokalpolitiker wie die späteren Innsbrucker Bürgermeister Anton Melzer und Franz Greiter müssten flüchten oder worden verhaftet. Gewalt und die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung, dem Klerus, politisch Verdächtigen, Zivilpersonen und Kriegsgefangenen auch nur überblicksmäßig zusammenzufassen würde den Rahmen sprechen.

In der heutigen Landesbaudirektion in der Herrengasse 1 befand sich die Gestapo. Hier wurden Verdächtige schwer misshandelt und teils mit Fäusten zu Tode geprügelt. 1941 wurde in der Rossau in der Nähe des Bauhofs Innsbruck das Arbeitslager Reichenau errichtet. Verdächtige Personen aller Art wurden hier zu Zwangsarbeiten in schäbigen Baracken verwahrt. Über 130 Personen fanden in diesem Lager bestehend aus 20 Baracken den Tod durch Krankheit, die schlechten Bedingungen, Arbeitsunfälle oder Hinrichtungen.

Auch im 10 km von Innsbruck entfernten Dorf Kematen kamen im Messerschmitt Werk Gefangene zum Zwangseinsatz. Darunter waren politische Häftlinge, russische Kriegsgefangene und Juden. Zu den Zwangsarbeiten gehörten unter anderem die Errichtung der Südtiroler Siedlungen in der Endphase oder die Stollen zum Schutz vor den Luftangriffen im Süden Innsbrucks. In der Klinik Innsbruck wurden Behinderte und vom System als nicht genehm empfundene Menschen wie Homosexuelle zwangssterilisiert. Die psychiatrische Klinik in Hall war in NS-Verbrechen an behinderten Menschen beteiligt.

Luftangriffe auf Innsbruck

Wie der Lauf Lauf der Geschichte der Stadt unterliegt auch ihr Aussehen einem ständigen Wandel. Besonders gut sichtbare Veränderungen im Stadtbild erzeugten die Jahre rund um 1500 und zwischen 1850 bis 1900, als sich politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen in besonders schnellem Tempo abspielten. Das einschneidendste Ereignis mit den größten Auswirkungen auf das Stadtbild waren aber wohl die Luftangriffe auf die Stadt im Zweiten Weltkrieg.

Neben der Lebensmittelknappheit waren die Menschen an der von den Nationalsozialisten so genannten „Heimatfront“ in der Stadt vor allem von den Luftangriffen der Alliierten betroffen. Innsbruck war ein wichtiger Versorgungsbahnhof für den Nachschub an der Italienfront.

In der Nacht vom 15. auf den 16. Dezember 1943 erfolgte der erste alliierte Luftangriff auf die schlecht vorbereitete Stadt. 269 Menschen fielen den Bomben zum Opfer, 500 wurden verletzt und mehr als 1500 obdachlos. Über 300 Gebäude, vor allem in Wilten und der Innenstadt, wurden zerstört und beschädigt. Am Montag, den 18. Dezember fanden sich in den Innsbrucker Nachrichten, dem Vorgänger der Tiroler Tageszeitung, auf der Titelseite allerhand propagandistische Meldungen vom erfolgreichen und heroischen Abwehrkampf der Deutschen Wehrmacht an allen Fronten gegenüber dem Bündnis aus Anglo-Amerikanern und dem Russen, nicht aber vom Bombenangriff auf Innsbruck.

Bombenterror über Innsbruck

Innsbruck, 17. Dez. Der 16. Dezember wird in der Geschichte Innsbrucks als der Tag vermerkt bleiben, an dem der Luftterror der Anglo-Amerikaner die Gauhauptstadt mit der ganzen Schwere dieser gemeinen und brutalen Kampfweise, die man nicht mehr Kriegführung nennen kann, getroffen hat. In mehreren Wellen flogen feindliche Kampfverbände die Stadt an und richteten ihre Angriffe mit zahlreichen Spreng- und Brandbomben gegen die Wohngebiete. Schwerste Schäden an Wohngebäuden, an Krankenhäusern und anderen Gemeinschaftseinrichtungen waren das traurige, alle bisherigen Schäden übersteigende Ergebnis dieses verbrecherischen Überfalles, der über zahlreiche Familien unserer Stadt schwerste Leiden und empfindliche Belastung der Lebensführung, das bittere Los der Vernichtung liebgewordenen Besitzes, der Zerstörung von Heim und Herd und der Heimatlosigkeit gebracht hat. Grenzenloser Haß und das glühende Verlangen diese unmenschliche Untat mit schonungsloser Schärfe zu vergelten, sind die einzige Empfindung, die außer der Auseinandersetzung mit den eigenen und den Gemeinschaftssorgen alle Gemüter bewegt. Wir alle blicken voll Vertrauen auf unsere Soldaten und erwarten mit Zuversicht den Tag, an dem der Führer den Befehl geben wird, ihre geballte Kraft mit neuen Waffen gegen den Feind im Westen einzusetzen, der durch seinen Mord- und Brandterror gegen Wehrlose neuerdings bewiesen hat, daß er sich von den asiatischen Bestien im Osten durch nichts unterscheidet – es wäre denn durch größere Feigheit. Die Luftschutzeinrichtungen der Stadt haben sich ebenso bewährt, wie die Luftschutzdisziplin der Bevölkerung. Bis zur Stunde sind 26 Gefallene gemeldet, deren Zahl sich aller Voraussicht nach nicht wesentlich erhöhen dürfte. Die Hilfsmaßnahmen haben unter Führung der Partei und tatkräftigen Mitarbeit der Wehrmacht sofort und wirkungsvoll eingesetzt.

Diese durch Zensur und Gleichschaltung der Medien fantasievoll gestaltete Nachricht schaffte es gerade mal auf Seite 3. Prominenter wollte man die schlechte Vorbereitung der Stadt auf das absehbare Bombardement wohl nicht dem Volkskörper präsentieren. Ganz so groß wie 1938 nach dem Anschluss, als Hitler am 5. April von 100.000 Menschen in Innsbruck begeistert empfangen worden war, dürfte die Begeisterung für den Nationalsozialismus nicht mehr gewesen sein. Zu groß waren die Schäden an der Stadt und die persönlichen, tragischen Verluste in der Bevölkerung. Im Jänner 1944 begann man Luftschutzstollen und andere Schutzmaßnahmen zu errichten. Die Arbeiten wurden zu einem großen Teil von Gefangenen des Konzentrationslagers Reichenau durchgeführt.

Insgesamt wurde Innsbruck zwischen 1943 und 1945 zweiundzwanzig Mal angegriffen. Dabei wurden knapp 3833, also knapp 50%, der Gebäude in der Stadt beschädigt und 504 Menschen starben. Die Stadt wurde zum Glück nur Opfer gezielter Angriffe. Deutsche Städte wie Hamburg oder Dresden wurden von den Alliierten mit Feuerstürmen mit Zehntausenden Toten innerhalb weniger Stunden komplett dem Erdboden gleichgemacht. Viele Gebäude wie die Jesuitenkirche, das Stift Wilten, die Servitenkirche, der Dom, das Hallenbad in der Amraserstraße wurden getroffen.

Eine besondere Behandlung erfuhren während der Angriffe historische Gebäude und Denkmäler. Das Goldene Dachl wurde mit einer speziellen Konstruktion ebenso geschützt wie der Sarkophag Maximilians in der Hofkirche. Die Figuren der Hofkirche, die Schwarzen Mannder, wurden nach Kundl gebracht. Die Gnadenmutter, das berühmte Bild aus dem Innsbrucker Dom, wurde während des Krieges ins Ötztal überführt.

Der Luftschutzstollen südlich von Innsbruck an der Brennerstraße und die Kennzeichnungen von Häusern mit Luftschutzkellern mit ihren schwarzen Vierecken und den weißen Kreisen und Pfeilen kann man heute noch begutachten. In Pradl, wo neben Wilten die meisten Gebäude beschädigt wurden, weisen an den betroffenen Häusern Bronzetafeln mit dem Hinweis auf den Wiederaufbau auf einen Bombentreffer hin.

Franz Hofer: Der Gauleiter Tirols

Mit dem Nationalsozialismus wurden viele politische Stellen und Posten im öffentlichen Dienst neu vergeben. Der Führerkult und die Ideen der nationalsozialistischen Partei wurden auf allen Ebenen strukturell einzementiert. Innsbrucks Bürgermeister Franz Fischer wurde am 12. März 1938 durch Egon Denz ersetzt. Landeshauptmann Josef Schumacher (1894 – 1971) wurde von Edmund Christoph kurzfristig abgelöst bevor im Mai 1938 Franz Hofer (1902 – 1975) den Platz als Gauleiter, ab 1940 Reichsstatthalter, eingesetzt wurde.

Franz Hofer wurde im salzburgerischen Bad Hofgastein in eine Hoteliersfamilie geboren. Nachdem er in Innsbruck die Schule besucht hatte, betrieb er ein Radiogeschäft. Bereits 1931 wurde er Mitglied der NSDAP in Österreich. Als die nationalsozialistische Partei in Österreich verboten wurde, kam Hofer als deren Gauleiter 1933 in Haft, wurde aber von Mitgliedern der SA befreit. Bei dieser Flucht wurde er angeschossen, konnte aber nach Italien flüchten. Anschließend begab er sich nach Deutschland, wo er deutscher Staatsbürger wurde und innerhalb der Partei eine steile Karriere hinlegt.

Kurz nach dem Anschluss Österreichs wurde Hofer auf Geheiß Hitlers am 24. Mai 1938 zum Gauleiter Tirol und Vorarlberg ernannt. 1940 wurde er zum Reichsstatthalter von Tirol-Vorarlberg ernannt. Die Pläne des führertreuen Hofer waren ambitioniert, Tirol war ein guter Nährboden. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl gab es in den österreichischen Gauen nirgends mehr Parteimitglieder als hier. Dem Ziel, den ersten vollkommen judenfreien Gau zu haben, war Hofer schon 1939 recht nahe, ein Jahr später war nur noch ein Jude in Tirol gemeldet. Zudem bereichert sich Hofer großzügig auch persönlich an arisiertem Vermögen. So kam die Villa Schindler des Betreibers des Cafe Schindler am Rennweg 10 in seinen Besitz, ebenso der Lachhof in Kleinvolderberg nahe Innsbruck, wo er sich eine Art Kommandozentrale außerhalb der Stadt einrichtete.

Als Italien 1943 endgültig unter die Kontrolle Deutschlands kam, wurde Hofer zum Obersten Kommissar der Operationszone Alpenvorland ernannt. Diese Zone bestand aus Tirol-Vorarlberg und den oberitalienischen Provinzen. Es war auch Franz Hofer, der die Idee zur sogenannten Alpenfestung, der letzten Bastion des deutschen Volkes gegen den Feind hatte. Noch am 12. April 1945, weniger als einen Monat vor Kriegsende, unterbreitete er diesen Vorschlag persönlich Adolf Hitler, der ihn daraufhin zum Reichsverteidigungskommissar der Alpenfestung machte.

Nach Verhandlungen mit den heranrückenden alliierten Streitkräften wurde Innsbruck am 3. Mai 1945 kampflos als offene Stadt übergeben und somit von verheerenden Kämpfen zum Kriegsende verschont. Trotz dieser Vernunftmaßnahme blieb Hofer auch in der Niederlage noch fanatischer Nationalsozialist wie seine Rede im Radio vom 30.4. zeigt:

„Sollte aber der Feind trotz heldenhaften Kampfes doch einmal vor den Toren Innsbrucks stehen, würde eine Verteidigung der Gauhauptstadt unter den gegebenen Verhältnissen keinesfalls das Ärgste ersparen, sondern vielmehr das Letzte vernichten…. Umso zäher aber wollen wir uns in unserer Berge krallen…“

Hofer wurde wenige Tage später festgenommen. Im Oktober 1948 konnte er aus dem Internierungslager Dachau entkommen und nach Deutschland flüchten, wo er in Mühlheim an der Ruhr unter falschem Namen untertauchte. Es ist nicht gesichert, aber durchaus möglich, dass amerikanische und britische Geheimdienste dem einstigen Widersacher bei der Flucht behilflich waren, um ihre Methoden gegen den Nationalsozialismus auf Tiroler Boden, die nun im Einsatz gegen die Sowjetunion waren, damit schützen wollten, wären diese bei einer Verhandlung wohl offen zur Sprache gekommen. Ein Gericht in München verurteilte ihn 1949 in Abwesenheit zu 10 Jahren Haft. Im Juli 1953 wurde dieser Richtspruch in München bestätigt, allerdings die Haft auf drei Jahre Dauer herabgesetzt. Durch Anrechnung der bisherigen Haftzeiten blieb Hofer allerdings auf freiem Fuße. Ein Gericht in Österreich verurteilte ihn 1949 zum Tode. Eine Strafverfolgung fand allerdings nicht statt. Zu seinen Fürsprechern zählten unter anderem der Bischof von Brixen, Johannes Baptist Geisler und der Tiroler Landeshauptmann Alfons Weißgatterer. In einem Verfahren in Innsbruck wurde 1950 sein Vermögen von der Republik Österreich eingezogen.

Ab 1954 lebte Hofer unter seinem echten Namen in Deutschland. Er führte die Ruhr Armatur GmbH, ein Unternehmen für Sanitärbedarf. Seine Beteiligung an der Aktion T4 in Tirol, der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“, wurde zwar vor Gericht als Verfahren eingeleitet, das Verfahren jedoch 1963 eingestellt.

Hofer war ein Liebhaber Tiroler Tradition. Er förderte in seiner Zeit in Tirol volkstümliche Musik, Trachtenwesen und die Tiroler Schützen. Diese Vereine wurden offiziell 1938 aufgelöst, unter ihm aber in den Stammschützenverband überführt. Der Leiter der Stadtmusikkapelle Wilten-Innsbruck, Sepp Tanzer, den er zum Leiter des Referats Volksmusik in der Reichsmusikkammer machte, komponierte für ihn den Stammschützenmarsch. Bei Hofers Beisetzung 1975 in Mühlhausen war eine Abordnung der Tiroler Schützen anwesend, um dem bis zu seinem Tod überzeugten Nationalsozialisten Hofer die letzte Ehre zu erweisen. Der Bau des Tiroler Landhaus, das bis heute Sitz der Tiroler Landesregierung ist, wurde unter Hofer begonnen und ist bis heute Stein gewordene Erinnerung an den Gauleiter Tirols.