Der Soldatenfriedhof in Amras ist ein wenig beachtetes Denkmal der wichtigsten Kapitel europäischer Geschichte des 20. Jahrhunderts im Innsbrucker Stadtbild. Der Friedhof wurde 1917 während des Ersten Weltkriegs, als die Kriegsopfer für den Alten Pradler Militärfriedhof zu zahlreich wurden, angelegt. Wie zu allen Zeiten üblich wurde der Gottesacker möglichst weit außerhalb des Zentrums angelegt. Amras war damals noch eine eigenständige Gemeinde und nicht Teil Innsbrucks. 5680 Soldaten und Kriegsopfer vieler Nationen sind hier beigesetzt, die zu einem großen Teil im Lazarett verstorben waren. Die Lage des Militärfriedhofs war auch praktisch, da sich seit 1911 die Conradkaserne mit Militärspital nur ein paar Gehminuten südlich befand. Die meisten männlichen Tiroler kennen dieses Gebäude von der Musterung, häufig dem ersten Zusammentreffen außerhalb der Schule mit der Staatsgewalt im Leben eines jungen Mannes.
Besonders interessant sind die unterschiedlichen Teile der Anlage. Der östliche Eingang des Soldatenfriedhofs wird von einem schmiedeeisernen Emblem der K.u.K. Monarchie mit den Wappen Ungarns und Österreichs, den beiden Teilen der Doppelmonarchie geschmückt, auch wenn das Motto Indivisibiliter et Inseperabiliter, unteilbar und untrennbar, seit Kriegsende nicht mehr zutreffend ist. Dahinter empfängt der italienische Teil des Friedhofs mit einem großen steinernen Denkmal des italienischen Bildhauers Natale Tommasi den Besucher.
Tommasi war als Trentiner während des Krieges noch Untertan der K.u.K. Monarchie gewesen, nach dem Krieg war er zum Italiener geworden. Er arbeitete als Restaurator und Architekt in mehreren Teilen des Habsburgerreichs wie Triest und Pula, bevor er 1898 nach Innsbruck zog, wo er unter anderem auch die Hauptpost in der Maximilianstraße plante. Für seine Arbeit wurde er sowohl vom Papst geehrt wie auch mit dem österreichischen Franz-Joseph-Orden ausgezeichnet. Tommasis Biografie ist eine von vielen, die in den politischen Wirren des Ersten Weltkriegs und des Zusammenbruchs der multinationalen K.u.K. Monarchie eine Zäsur erlitten.
In diesem Sinn kann man auch diesen Teil des Amraser Soldatenfriedhof lesen. Innsbruck war nach dem Ersten Weltkrieg von Truppen des siegreichen Königreichs Italien besetzt. Auf Italienisch, Deutsch und Latein wird am von Tommasi gestalteten Denkmal der 618 Italiener, 178 Österreicher und 2 Franzosen die Opfer der Kampfhandlungen zwischen 1914 und 1918 sowie der 20 italienischen Opfer des Zweiten Weltkriegs gedacht, die auf diesem Teil des Friedhofs liegen. Die Krone und der savoyische Knoten am Denkmal sind ein Symbol der Herrschaft des italienischen Königshauses. Über Jahrhunderte waren es die Habsburger, die in weiten Teilen Italiens ihre Spuren hinterlassen hatten, nun hatte sich der Spieß umgedreht.
An den italienischen schließt westlich der Tiroler Teil des Friedhofs an. Neben Gefallenen des ersten Weltkriegs befinden sich hier auch Ehrengräber aus den Napoleonischen Kriegen 1796-97 und 1799. Viele dieser Ruhestätten haben einen langen Weg hinter sich. Als 1983 in Stams, einem Ort 40 km westlich von Innsbruck, der örtliche Kriegerfriedhof der neugebauten Autobahn weichen musste, wurden die Gräber nach Innsbruck verlegt. Im Folgejahr, 175 Jahre nach der Tiroler Erhebung von 1809, wurde neben diesen Gräbern auch ein neuer Altar eingeweiht. Die meisten der schmiedeeisernen Kreuze waren damals zwar wohl Massenware, wirken aber heute wie kleine Kunstwerke. Es ist interessant zu sehen, aus wie vielen Nationen Männer damals im Abwehrkrieg gegen Napoleon für die Österreichische Monarchie kämpften. Auch unbekannte Soldaten fanden hier ihre letzte Ruhestätte.
Im hinteren Teil findet sich mit der Männerpieta „Denkmal des unbenannt Beerdigten“ des Bildhauers Eduard Föderl (1909 – 1974) ein kontroverses Kunstwerk. Während der Zeit des Austrofaschismus wurde diese Steinkomposition zur Erinnerung an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges gestaltet. Es symbolisiert heroisches Leiden und Aufopferung im Krieg, indem es den soldatischen Heldentod für das Vaterland auf eine Stufe mit dem Kreuzestod Jesu stellt. Gedacht war es als Geschenk der Stadt Wien an Budapest. Sowohl Österreich als auch Ungarn orientierten sich damals am faschistischen Italien Mussolinis, wo bis heute viele ähnlich gestaltete Kriegerdenkmäler im öffentlichen Raum stehen. Die Übergabe scheiterte 1938 an der nationalsozialistischen Machtübernahme. 1953 kam das Denkmal nach Innsbruck, nachdem man im sowjetisch besetzten Wien keinen Platz dafür gefunden hatte. Um das Jahr 2000 wurde die Männerpieta in den Bauhof verfrachtet und restauriert. 2023 wurde die Statue, die wegen ihrer Symbolkraft um den Heldentod für das Vaterlandes durchaus umstritten ist, wieder am Soldatenfriedhof aufgestellt.
Im westlichen Teil der Anlage befinden sich der muslimische und sowjetische Soldatenfriedhof. Die Gräber der bosnisch-herzegowinischen Soldaten, die für die K.u.K. Monarchie im Ersten Weltkrieg kämpften, werden von kleinen, nach Osten hin orientierten Steinkegeln mit einem Fez verziert. Der russische Teil des Friedhofs wurde 1949 angelegt. Er erinnert an die sowjetischen Kriegsgefangenen, die im Arbeitslager KZ Reichenau ihr Leben verloren. Im Zentrum befindet sich ein mit einem Stern verzierter Obelisk. Die Pflege sowjetischer Kriegsdenkmäler wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Pflicht der Republik Österreich als Teil der Unabhängigkeit Österreichs als Bedingung der Sowjetunion festgelegt und gilt bis heute.
Nördlich des Soldatenfriedhofs liegen der Pradler Friedhof, der größte der Stadt, und das Krematorium. Geplant wurde die Anlage 1912 von Eduard Klingler. Einsegnungshalle und Aufbahrungshalle thronen wie ein kleines Schloss vor der Kaufmannstraße. Das Gebäude wirkt wie aus einem Roman Charles Dickens des viktorianischen Englands nach Innsbruck entnommen. Der Eingangsbereich wurde ganz im Stil der Zeit mit klassizistischen Säulen gestaltet. Im Inneren findet man eine Darstellung des vom Kreuz genommenen Jesu. Die friedliche Art und Weise des Wandgemäldes unterscheidet sich sehr von den sonstigen in Innsbruck gängigen barocken Darstellungen, in denen das Leiden am Kreuz für die Christenheit zum Ausdruck gebracht wird.
Gegenüber an der Südseite in die Friedhofsmauer integriert erinnert die Kryptakapelle an die gefallenen Soldaten bis 1917, die hier ihre letzte Ruhe fanden. Entworfen wurde sie von Theodor Prachensky. Das Innere der Kapelle ist ein kleines Kunstwerk. Das dunkelblaue Mosaik mit Gold trägt den Schriftzug: Gewidmet dem Andenken an die in diesem Friedhof beerdigten Opfer des Weltkriegs. An den Wänden finden sich Namenslisten, getrennt nach den Jahren ihres Dahinscheidens. Die Namen der serbischen, rumänischen und montenegrinischen Gefallenen, also den Soldaten, die nicht Teil der k.u.k. Armee waren, wurden gesondert auf eigenen Tafeln vermerkt. Die Tafel auf der Außenmauer nach Süden hin zur Wiesengasse wird von einem Eichelkranz, einem Symbol des Großdeutschtums, geschmückt. Der Text darauf lautet:
„Vergesset nie, dass die Freiheit eurer Heimat nicht ein Geschenk des Himmels allein ist, sondern immer wieder mit schweren Blutopfern eurer Väter, Großväter und Ahnen gegen frevelhaften Zugriff fremder Machthaber verteidigt werden musste.“
Das Krematorium südlich des Soldatenfriedhofs wurde erst in den Nullerjahren dieses Jahrtausends in Innsbruck eröffnet. Als die Aufklärung wie eine zweite Renaissance im 18. und 19. Jahrhundert die Eliten Europas erfasste, stellten mehr und mehr Menschen die Erdbestattung in Frage. Sich nach antikem Vorbild nach dem Tod kremieren zu lassen kam in Mode. Es wurde nicht nur als vernünftig, platzsparend und hygienisch angesehen, sondern hatte auch einen Touch von Moderne an sich. Der katholischen Kirche war diese unchristliche, heidnische, fast schon pagane Art der Bestattung aber noch sehr lange nicht genehm. In Innsbruck sollte es noch einige Jahrhunderte dauern bis es möglich war, seine sterblichen Überreste den Flammen zu übergeben.