Landesberufsschule / Tiroler Fachberufsschule

Mandelsbergerstraße 16

Wissenswert

Nachdem der Stadtteil Wilten seit dem Ende der 1920er Jahre weiter gewachsen war und sich nach Westen ausgebreitet hatte, musste die Stadt mit der Infrastruktur nachziehen. Beim Bau des Mandelsbergerblocks hatte Architekt Theodor Prachensky zwar einen Kindergarten vorgesehen, zur Umsetzung kam er allerdings nie. Zehn Jahre später sollte eine Volksschule direkt gegenüber dieser Wohnanlage entstehen.

Mit Wilhelm Stigler (1903 – 1976) wurde direkt nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ein SS-Mitglied der ersten Stunde und treues Parteimitglied mit der Planung beauftragt. Der talentierte Stigler hatte mit seinem Architekturbüro im Saggen die Ausschreibung für die Errichtung der Theresienkirche auf der Hungerburg gewonnen. 1940 wurde er auch mit der Planung für die Messerschmitt-Siedlung in Kematen und Projekten für die Südtiroler Optanten betraut. Nach dem Krieg sollte er weitere Großprojekte aller Art in Tirol zur Planung übertragen bekommen, nachdem er im Zuge der Entnazifizierung knapp zwei Jahre Haft überstehen hatte müssen.

Stigler plante ganz im Stil der Zeit eine Doppel-Volksschule, in der Buben und Mädchen zwar in einem Gebäude, aber in getrennten Hälften unterrichtet werden. Auch mit diesem Projekt war ihm kein Glück beschieden. Diesmal war es das Kriegstreiben, das zu einem Baustopp führte, da die Geldmittel anderweitig eingesetzt wurden. Spätestens nach den Luftangriffen auf Innsbruck wurde das Projekt gestoppt.

Nach dem Krieg nutzten die französischen Besatzer das halbfertige Gebäude als Truppenunterkunft. Erst mit dem Ende der Besatzungszeit 1956 wurde es nach kurzer Renovierung und Adaption als Schulgebäude eingesetzt, allerdings nicht als Volksschule. Bis heute ist die ehemalige Landesberufsschule Mandelsbergerstraße, heute Tiroler Fachberufsschule, ein wichtiges Fortbildungszentrum für Lehrlinge verschiedener Branchen.

Das spiegelt sich in der Architektur wider. Hinter den Laubengängen im Eingangsbereich erstrahlt in kräftigen Farben ein Wandbild mit 22 Metern Länge und sechs Metern Höhe. Tirol wird durch Burgen und Bergpanorama dargestellt, Innsbruck durch Stadt- und Kirchtürme, den Dom und die Annasäule. Vor allem aber stellt das Bild einige der typischen Berufe der Zeit der 1950er dar. Besonders interessant sind die darüber transportierten Geschlechterrollen. Schmied, Elektriker und Maler stehen Fotografin und Schneiderin gegenüber. Das Mosaik an der rechten Hausmauer zeigt den Weg vom Lehrling zum Baumeister, der eine wohl Innsbruck symbolisierende Stadt Richtung Berggipfel und Sonne wachsen lässt.

Für die Gestaltung dieser Bilder verantwortlich waren Fritz Berger (1916 – 2002) und Emmerich Kerle (1916 – 2010), die im Rahmen der nach 1949 geltenden Aktion Kunst am Bau in Tirol viele Werke im öffentlichen Raum hinterließen.

Der kleine Park vor der Schule, der heute dicht mit Bäumen bewachsen ist, beherbergt die 1962 aufgestellte Statue Maienflötenspieler von Josef Bachlechner (1921 – 1979). Die Flöte symbolisierte in der griechischen Mythologie die Sehnsucht nach dem Vergangenen. Der barfüßige Bub mit seinem Maipfeiferl, einem Instrument, das von Tiroler Bauern und Hirten in Handarbeit selbst hergestellt wurde, stellt das Bedürfnis der Mehrheit der Überlebenden der Schrecken des Zweiten Weltkrieges nach einer heilen Vergangenheit und idealisierter Tiroler Tradition dar.

Kunst am Bau: Die Nachkriegszeit in Innsbruck

Nach Ende des Krieges kontrollierten US-Truppen für zwei Monate das besetzte Tirol. Anschließend übernahm die Siegermacht Frankreich die Verwaltung. Stand man der Besatzungsmacht anfangs feindlich gesinnt gegenüber, schon wieder war ein Krieg verloren gegangen, wich die Skepsis der Innsbrucker mit der Zeit. Innsbruck hatte Glück, die Franzosen unter Emile Bethouart als Besatzungsmacht zu haben, waren sie doch sehr milde gegenüber dem ehemaligen Feind und begegneten der Tiroler Kultur und Bevölkerung freundlich und aufgeschlossen.

Die Soldaten waren vor allem bei den Kindern beliebt wegen der Schokoladen und Süßigkeiten, die sie verteilten. Viele Menschen bekamen innerhalb der französischen Verwaltung Arbeitsstellen. Manch ein Tiroler sah dank der Uniformierten zum ersten Mal dunkelhäutige Menschen. Am Emile-Bethouart-Steg, der St. Nikolaus und die Innenstadt über den Inn verbindet, befindet sich eine Gedenktafel, die die Beziehung zwischen Besatzung und Bevölkerung gut zum Ausdruck bringt:

„Als Sieger gekommen.

Als Beschützer geblieben.

Als Freund in die Heimat zurückgekehrt.“

Weniges erinnert in Innsbruck noch an den desaströsen Zustand, in dem sich Innsbruck nach den Luftangriffen der letzten Kriegsjahre in den ersten Nachkriegsjahren befand. Die Maria-Theresien-Straße, die Museumstraße, das Bahnhofsviertel, Wilten oder die Pradlerstraße wären wohl um einiges ansehnlicher, hätte man nicht die Löcher im Straßenbild schnell stopfen müssen. Viele der ab den 1950er Jahren errichteten Gebäude sind zwar architektonisch wenig attraktiv, sie beherbergen aber durchaus interessante Kunstwerke.

Ab 1949 gab es in Österreich das Projekt Kunst am Bau. Bei staatlich durchgeführten Bauten sollten 2% der Gesamtausgaben in die künstlerische Gestaltung fließen. Die Umsetzung des Baurechts und somit auch die Verwaltung der Budgets oblag damals wie heute den Bundesländern. Über diese öffentliche Auftragsvergabe sollten Künstler finanziell unterstützt werden. Erstmals tauchte die Idee 1919 in der Weimarer Republik auf und wurde ab 1934 von den Nationalsozialisten fortgesetzt.

Österreich griff Kunst am Bau nach dem Krieg auf, um den öffentlichen Raum im Rahmen des Wiederaufbaus zu gestalten. Die mit der Gestaltung der Kunstwerke betrauten Tiroler Künstler wurden in ausgeschriebenen Wettbewerben ermittelt. Der bekannteste unter ihnen ist wohl Max Weiler, der vielleicht prominenteste Künstler im Tirol der Nachkriegszeit, der in Innsbruck unter anderem für die Fresken in der Theresienkirche auf der Hungerburg verantwortlich war. Weitere prominente Namen sind Helmut Rehm (1911 – 1991), Walter Honeder (1906 – 2006), Fritz Berger (1916 – 2002) und Emmerich Kerle (1916 – 2010).

Die Biografien der Künstler wurden nicht nur von der Gewerbeschule Innsbruck (Anm.: heutige HTL Trenkwalderstraße) und der Akademie der Bildenden Künste in Wien als häufig gemeinsamem Nenner, sondern auch von der gemeinsamen Erfahrung des Nationalsozialismus geprägt. So hatte Fritz Berger im Krieg seinen rechten Arm und ein Auge verloren und musste lernen, mit der linken Hand zu arbeiten. Emmerich Kerle wurde an der Akademie der Bildenden Künste in Wien unter anderem von Josef Müllner unterrichtet, einem Künstler, der sich mit Büsten Adolf Hitlers, Siegfrieds aus der Nibelungensage und dem bis heute umstrittenen Karl-Lueger-Denkmal in Wien in die Kunstgeschichte eingetragen hatte. Kerle diente in Finnland als Kriegsmaler.

Wie ein großer Teil der Tiroler Bevölkerung wollten auch Politiker, Beamte und die Künstler nach den harten und leidvollen Kriegsjahren Ruhe und Frieden, um Gras über das Geschehen der letzten Jahrzehnte wachsen zu lassen. Das Befreiungsdenkmal am Platz vor dem ehemaligen Gauhaus am heutigen Landhausplatz war dafür nicht ideal. Die im Rahmen von Kunst am Bau entstandenen Kunstwerke hingegen reflektieren diese Haltung. Märchen, Sagen, religiöse Symbole waren beliebte Motive, die sich auf den Sgraffitos, Mosaiken, Wandbildern und Statuen bis heute begutachten lassen. Die unterschiedlich ausgeführten Motive zeigen auch Freizeitaktivitäten, Kleidungsstile und Vorstellungen der sozialen Ordnung und gesellschaftlichen Normen der Nachkriegszeit. Frauen wurden häufig in Tracht und Dirndl, Männer in Lederhosen dargestellt. Geschlechterrollen wurden in der Kunst verarbeitet. Fleißig arbeitende Väter, brave Ehefrauen, die sich um Haus und Herd kümmerten und Kinder, die in der Schule eifrig lernen waren das Idealbild bis weit in die 1970er Jahre. Wer den Tiroler Kunstkataster durchforstet und aufmerksam durch die Stadt geht, findet viele der noch heute sichtbaren Kunstwerke auf Häusern in Pradl und Wilten. Besonders schöne Beispiele finden sich an den Fassaden in der Pacherstraße, der Hunoldstraße, der Ing.-Thommenstraße, am Innrain 119, der Landesberufsschule Mandelsbergerstraße oder im Innenhof zwischen Landhausplatz und Maria-Theresienstraße

Das Problem an dieser Strategie des Verdrängens war, dass niemand die Verantwortung für das Geschehene übernahm, auch wenn vor allem zu Beginn die Begeisterung und Unterstützung für den Nationalsozialismus groß war. Scham über das, was seit 1938 und in den Jahren in der Politik Österreichs geschehen war mischte sich zur Angst davor, von den Besatzungsmächten USA, Großbritannien, Frankreich und die UDSSR als Kriegsschuldiger ähnlich wie 1918 behandelt zu werden. Es entstand ein Klima, in dem niemand, weder die daran beteiligte noch die nachfolgende Generation über das Geschehene sprach. Trauma und Scham verhinderten lange die Aufarbeitung. Es gab kaum eine Familie, die nicht mindestens ein Mitglied mit einer wenig rühmlichen Geschichte zwischen 1933 und 1945 hatte.

Der Mythos von Österreich als erstem Opfer des Nationalsozialismus, der erst mit der Affäre Waldheim in den 1980er Jahren langsam zu bröckeln begann, war geboren. Polizisten, Lehrer, Richter – sie alle wurden auf der einen Seite trotz ihrer politischen Gesinnung an ihrem Platz gelassen, auf der anderen Seite auch benötigt, um die Gesellschaft am Laufen zu halten.

Ein Beispiel mit großem Bezug zu Innsbruck ist die Vita des Arztes Burghard Breitners (1884-1956). Er wuchs in Mattsee in einem wohlbetuchten bürgerlichen Haushalt auf. Die Villa Breitner war Sitz eines Museums, das den deutschnationalen Dichter Josef Viktor Scheffel zum Thema hatte, den sein Vater sehr verehrte. Nach dem Gymnasium entschied sich Breitner gegen eine Karriere in der Literatur und für ein Medizinstudium. Anschließend beschloss er seinen Militärdienst und begann seine Karriere als Arzt. 1912/13 diente er als Militärarzt im Balkankrieg. 1914 verschlug es ihn an die Ostfront, wo er in russische Kriegsgefangenschaft geriet. Erst 1920 sollte er als Held und „Engel von Sibirien“ aus dem Gefangenenlager wieder nach Österreich zurückkehren. 1932 begann seine Laufbahn an der Universität Innsbruck. 1938 stand Breitner vor dem Problem, dass er auf Grund des jüdischen Hintergrundes seiner Großmutter väterlicherseits den „Großen Ariernachweis“ nicht erbringen konnte. Auf Grund seines guten Verhältnisses zum Rektor der Uni Innsbruck und zu wichtigen Nationalsozialisten konnte er aber schlussendlich an der Universitätsklinik weiterarbeiten. Während des NS-Regimes war Breitner als Vorstand der Klinik Innsbruck für Zwangssterilisierungen und „freiwillige Entmannungen“ verantwortlich, auch wenn er wohl keine der Operationen persönlich durchführte. Nach dem Krieg schaffte er es mit einigen Mühen sich durch das Entnazifizierungsverfahren zu winden. 1951 wurde er als Kandidat des VDU, einem politischen Sammelbecken für ehemalige Nationalsozialisten, als Kandidat für die Bundespräsidentschaftswahl aufgestellt. 1952 wurde Breitner Rektor der Universität Innsbruck. Nach seinem Tod widmete ihm die Stadt Innsbruck ein Ehrengrab am Westfriedhof Innsbruck. In der Reichenau ist ihm in unmittelbarer Nähe des Standortes des ehemaligen Konzentrationslagers eine Straße gewidmet.

Bis heute sind Nationalsozialismus und die Nachkriegszeit in Innsbrucks Stadtbild kaum Thema. Eine 1972 enthüllte Bronzetafel am ehemaligen Hauptquartier der Gestapo in der Herrengasse, der Landhausplatz und ein Denkmal in der Reichenau an der Stelle des damaligen Arbeitslagers sind drei der spärlich gesäten Erinnerungsorte, wobei der Landhausplatz mit Ausnahme der Menora als Denkmal für die Novemberpogrome kaum als solcher wahrgenommen wird.