Berg Isel

Berg Isel 1

Nordkette Innsbruck

Der Berg Isel ist ein wichtiger Ort für Tiroler Identität und Geschichte. 1809 konnten die Schützen unter Hauptmann Andreas Hofer das Heer der Bayern und Franzosen schlagen, die im Rahmen der napoleonischen Kriege Tirol besetzt hatten. Dieser Freiheitskampf steht für das Tiroler Selbstverständnis. Andreas Hofer wurde im Nationalismus des 19. Jahrhunderts nach und nach zur mythischen Figur und gilt vielen Tirolern heute noch als ein Volksheld. Im Tirol Panorama kann man diesen Freiheitskampf, oder zumindest eine Vorstellung davon, auf großer Leinwand sehen. Das Riesenrundgemälde ist Tirols größtes Kunstwerk. Das beeindruckende Bild war bis 2011 in der Rotunde (43) bei der alten Talstation der Hungerburgbahn im Saggen zu finden, bevor es ins neu erbaute Museum am Berg Isel übersiedelte. Es stellt auf über 1000 Quadratmetern die Dritte Berg Isel Schlacht dar. Sehr detailreich zeigt es nicht nur das Schlachtengeschehen des 13. August, sondern gibt auch einen sehr guten Eindruck von Innsbruck und der Umgebung im Jahr 1809. Ganz wunderbar lässt sich die Entwicklung und Ausbreitung der Stadt nachvollziehen. Gemalt wurde es vom Münchner Künstler Dino Ziemer unter Aufsicht des Tirolers Franz Defreggers. Diese Zusammenarbeit war vor dem ersten Weltkrieg auch ein Ausdruck der Versöhnung zwischen Tirol und Bayern sowie den Verbündeten Österreich und Deutschland. Das Gemälde wurde 1896 angefertigt, einer Zeit als das Nationale innerhalb des Vielvölkerreichs der Habsburger Monarchie immer wichtiger wurde. 1906 war das Bild ein Teil der Imperial Austrian Exhibition in London. 1917 wurde das Bild für Propagandazwecke in Wien ausgestellt. Unter der deutschsprachigen Bevölkerung wurde der „freiheitsliebende Tiroler Widerstand“ unter Andreas Hofer im Laufe der Zeit immer mehr zu einem Mythos überhöht. Diesem Schema folgt auch das Bild. Andreas Hofer, der als stoischer Feldherr dargestellt wird. Tatsächlich war er wohl gar nicht im Schlachtgetümmel, sondern hinter der Frontlinie im Gasthof Schupfen, wo sich der Kommandostand der Tiroler befand. Auch ansonsten hält sich die Darstellung des Bildes nur peripher an die Tatsachen, was dem Genuss in der Betrachtung des Panoramabilds und der Stadt Innsbruck Anno 1809 keinen Abbruch tut. Von den vielen um die Jahrhundertwende beliebten Panoramen sind nur noch wenige vorhanden. Durch die Gegenstände und die künstlich geschaffene Landschaft vor dem Bild ist das Riesenrundgemälde für Touristen und Einheimische immer wieder sehenswert.

Gegenüber dem Riesenrundgemälde befindet sich das Kaiserjägermuseum. Erbaut wurde es 1848 als Militärgebäude samt Offizierscasino, jedoch schon 1880 in ein Museum umgewandelt, das die Geschichte der Tiroler Kaiserjäger beleuchtet. Diese Regimenter wurden nach den napoleonischen Kriegen von Kaiser Franz I., dem ersten österreichischen Kaiser, persönlich ins Leben gerufen. Die Kaiserjäger waren im 19. Jahrhundert vor allem in den Italienischen Unabhängigkeitskriegen im Einsatz. Im Ersten Weltkrieg wurden sie als reguläre Truppen der Habsburgermonarchie zuerst nach Galizien geschickt, bevor sie im Gebirgskrieg gegen Italien die Tiroler Landesgrenzen verteidigten. Das Museum erinnert mit Gemälden, Uniformen, Waffen und Modellen an die Geschichte der Kaiserjäger. Zu sehen ist auch der Eiserne Blumenteufel. Um Spenden für die Angehörigen gefallener Soldaten zu sammeln, wurden in der Monarchie Fonds aufgelegt. Spender durften einen Nagel in den Blumenteufel jagen. In der Zeitung des 2. Juli, kurz nach Kriegsausbruch, stand darüber zu lesen:

Die Benagelung des zur Schaffung eines Fonds für Witwen und Waisen nach gefallenen Tiroler Kriegern gewidmeten „Eisernen Blumenteufels“, der früher im 1. Stock und jetzt in der Einfahrt des Landhauses aufgestellt ist, macht ganz ansehnliche Fortschritte. Die Kappe, der Brustteil und der Turnister, sowie ein Teil des linken Armes sind schon vollständig, und, wie man sieht, unter fachmännischer Leitung benagelt worden. Wie wir erfahren, waren bis Sonntag bereits 31.000 Nägel eingeschlagen, was zum Ruhme unserer opferfreudigen Bevölkerung umso mehr bedeutet, als erst vor kurzem aus Wien gemeldet wurde, daß der dortige Wehrmann in Eisen bereits mit 100.000 Nägeln beschlagen sei.“

Das ebenfalls im Kaiserjägermuseum ausgestellte Ehrenbuch umfasst 157 Bände, in denen die Namen der 1809 und in den beiden Weltkriegen gefallenen Tiroler handschriftliche aufgezeichnet wurden. 1959 ließ die Tiroler Landesregierung die Ehrenhalle der Kaiserjäger um die Gedenkkapelle „Unserer hohen Frau von Tirol“ erbauen.

Der kleine Park vor diesen beiden Museen war im 19. Jahrhundert der Schießplatz der Tiroler Kaiserjäger. Seit jeher war es Sitte, dass Untertanen sich in militärischen Fähigkeiten ausbilden ließen. Der Umgang mit der Waffe gehörte dazu. In Innsbruck gab es mehrere Schießstätten, zum Beispiel im heutigen Olympischen Dorf. Schützenvereine sind bis heute Träger dieser Tradition, auch wenn immer mehr an ihr gerüttelt wird ob ihrer oft zweifelhaften Ausrichtung. Der Berg Isel ist seit 1930 eine Stiftung zum ewigen Gedenken an die vier Tiroler Kaiserjägerregimenter. Neben der großen Statue Andreas Hofers schmücken eine Kapelle und eine Bronzefigur Kaiser Franz Josef I. den Platz. Für die Statue Andreas Hofers wurde von einem Komitee Geld aus allen Kronländern gesammelt. Der Berg Isel sollte als „Heldenberg“ die Vorstellung der Tiroler Identität aus Sicht konservativer Kreise darstellen und einen Kontrast zu den Denkmälern wie dem Rudolfsbrunnen darstellen, die großdeutsch-liberale Politiker rund um Bürgermeister Wilhelm Greil in der Stadt förderten. Bei der feierlichen Eröffnung 1893 war Kaiser Franz Josef anwesend. Sehenswert sind die Schießstände am Südende des Platzes. Das Gebäude am Westende des Platzes, das Urichhaus, diente seit 1893 als Offizierskasino und zur Verwaltung und beheimatet heute die Ortsgruppe des Tiroler Kaiserjägerbundes und den Alt-Kaiserjäger-Club sowie eine militärwissenschaftliche Bibliothek. Das Sommer Offizierskasino wurde nach Plänen von Eduard Klingler zwischen 1893 und 1895 im Heimatstil gebaut. Schon im 19. Jahrhundert war der Berg Isel ein beliebtes Ausflugsziel für die Innsbrucker geworden. Vor allem Pärchen schätzten die relative Abgeschiedenheit, um der neuen Mode des Flirtens abseits allzu neugieriger Blicke nachzugehen.

Etwas weiter westlich von den Museen wird es sportlich. Skisprungfans aus aller Welt kommen alljährlich zur Vier-Schanzen-Tournee nach Innsbruck, wenn sich die besten Athleten wagemutig über den Anlauf wagen und in die brodelnde Atmosphäre im Berg Isel Stadion springen. Für den Länderkampf zwischen Tirol und Bayern in Form ihrer Skispringer wird häufig Andreas Hofer und der Tiroler „Freiheitskampf“ von 1809 als Vergleich bemüht. Das Design der Schanze in ihrem heutigen Aussehen geht zurück auf die Stararchitektin Zaha Hadid, die auch bei der neuen Hungerburgbahn federführend war. Mit einem Lift kann man auf die Schanze gelangen und hoch über Innsbruck bei tollem Panorama Kaffee und Kuchen genießen. Der Skisprungsport hat in Innsbruck lange Tradition. Bereits 1927 gab es ein offizielles Skispringen. Die Athleten und Zuschauer mussten sich im ersten Jahr noch mit einer Naturschanze begnügen. Bereits 1928 wurde ein Turm errichtet, der 1941 einstürzte. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Berg Isel Schanze wieder errichtet. Für die beiden Olympiaden wurde die Sprunganlage renoviert. 2002 schließlich wurde die alte Berg-Isel-Schanze gesprengt. Viele Innsbrucker waren als Zuschauer von der Olympiabrücke aus live mit dabei, als der Betonturm in sich zusammenbrach. Seit 2003 steht die neue Schanze, die als eines der aufregendsten Bauwerke des Sports weltweit gilt.

Die Highlights am Berg Isel waren die Olympischen Spiele von 1964 und 1976, die Innsbruck als Wintersportdestination weltbekannt machten. Daneben gab es mit den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften von 1933, 1985 und 2019 (Seefeld) noch weitere sportliche Großereignisse zu bejubeln. Auch abseits des Sports diente die Anlage als Arena Papst Johannes Paul II. wurde am Berg Isel 1988 von Zehntausenden Gläubigen empfangen und hielt eine Messe ab. Ein dunkles Kapitel der Innsbrucker Stadtgeschichte ereignete sich 1999 beim Snowboardfest Air&Style. Bei einer Massenpanik wurden 40 Menschen schwer verletzt, fünf Opfer erlagen ihren Verletzungen.

Spaziergänger und Wanderer kommen am Berg Isel ebenfalls auf ihre Kosten. Ein Wanderweg führt vom Parkplatz des Museums rund um den Berg Isel. Der Weg ist angenehm zu gehen und bietet ein tolles Panorama. Das Highlight ist die Aussichtsplattform Sonnendeck, wo man aus schwindelerregender Höhe einen Blick in die Sillschlucht werfen kann. Die gut 2 Kilometer sind für Jedermann mit normaler Fitness zu bewältigen. Auch Familien mit Kindern können den Rundwanderweg in Angriff nehmen. Wer mag, kann unterwegs abzweigen und einen Abstecher in das schöne Naherholungsgebiet Sillschlucht machen.

Olympische Spiele in Innsbruck

Es gibt Ereignisse, die im kollektiven Gedächtnis einer Gemeinschaft über Generationen hinweg Bestand haben. Man muss nicht dabei gewesen sein, ja noch nicht mal auf der Welt, damals am Patscherkofel am 5. Februar 1976, als Franz Klammer in der Herrenabfahrt in seinem gelben Einteiler zum Sieg in der Olympiaabfahrt der Herren raste. Franz Josef I. mag den Patscherkofel 1848 bestiegen haben, zur Legende auf diesem Berg aber wurde Kaiser Franz. „Jawoll! 1;45,73 für unseren Franzi Klammer,“ schallte es damals aus zahllosen TV-Geräten in Österreich. Zwölf Jahre zuvor war es vor allem das Radio, das den Menschen die Olympischen News ins Haus brachte. Um dem Nationalhelden Klammer auf seinem Teufelsritt folgen zu können, durften die Innsbrucker Schüler wie bereits 1964 an diesem Tag zu Hause bleiben. Auch sonst waren die Straßen leergefegt. Klammer schaffte das, was etliche Kaiser, Könige und Politiker nicht geschafft hatten. Er einte die Nation Österreich. “Mi hats obageibtlt von oben bis unten, I hatt nie gedacht, dass i Bestzeit foa,“ gab Klammer im Kärntner Dialekt beim Siegerinterview zu Protokoll. Kein Tiroler, nobody is perfect, aber die Olympischen Spiele waren für die Gastgebernation Österreich schon am zweiten Tag gerettet. 1976 fanden die Olympischen Winterspiele bereits zum zweiten Mal in Innsbruck statt. Eigentlich wäre Denver an der Reihe gewesen, wegen eines Referendums auf Grund finanzieller und ökologischer Bedenken trat man in Colorado als Ausrichter zurück. Innsbruck setzte sich als Gastgeber im zweiten Versuch gegen Lake Placid, Chamoix und Tampere durch. Zum ersten Mal war man 12 Jahre zuvor Ausrichter der Olympiade gewesen. Vom 29. Januar bis zum 9. Februar 1964 war Innsbruck der Nabel gewesen, nachdem man sich mit der Bewerbung gegen Calgary und Lahti durchgesetzt hatte. Erheblicher Schneemangel bereitete Probleme bei der Durchführung etlicher Events. Nur mit Hilfe des Bundesheeres, das Schnee und Eis aus dem Hochgebirge zu den Wettkampfstätten brachte, konnten die 34 Bewerbe über die Bühne gehen. Die Eröffnungsfeier im randvollen Berg Isel Stadion ist auf Archivbildern gut nachzuvollziehen. Anders als die aufwändigen Zeremonien der heutigen olympischen Spiele ging das Prozedere in den 60er Jahren noch unspektakulär vonstatten. Die Wiltener Stadtmusik erfreute unter Leitung des umstrittenen Kapellmeisters Sepp Tanzer, der nach dem Krieg mit einem Berufsverbot belegt worden war, die internationalen Gäste mit Tiroler Blasmusik. Beim Einmarsch der Fahnen konnten Besucher zum ersten Mal im Rahmen von olympischen Spielen die Flagge Nordkoreas erblicken. Das Entzünden der olympischen Flamme wurde von den Tiroler Schützen bewacht. Auch die Bilder der Sportbewerbe zeigen das Bild einer wesentlich weniger aufwändigen Veranstaltung. Das Bobrennen fand zum ersten Mal auf einer Kunsteisbahn statt, wenn auch noch nicht im heutigen Igler Eiskanal. Die Eishockeyspiele wurden zum Teil noch in der Messehalle in sehr moderatem Rahmen abgehalten. Im Eishockey triumphierte die Sowjetunion vor Schweden. Mit 11 Goldmedaillen sicherte sich die UDSSR auch Platz 1 im Medaillenspiegel, mit vier Goldenen wurde Österreich sensationell Zweiter. Als Logo wurden lediglich die Olympischen Ringe über das Wappen der Stadt gelegt, ein Maskottchen gab es noch nicht. Skibewerbe, wie der Slalom und Riesenslalom der Damen, in dem sich in jeweils anderer Konstellation die französischen Schwestern Christine und Marielle Goitschel Gold und Silber umhängen ließen, fanden in der Axamer Lizum statt. Am Berg Isel verfolgten laut offiziellen Angaben 80.000 Zuschauer das Spektakel, als sich der Finne Veikko Kankonnen Gold sicherte. Am Berg Isel fand auch die Eröffnung der Spiele statt. Die diesmal 37 Bewerbe der zweiten Olympischen Spiele 1976 fanden zu einem großen Teil an den gleichen Wettkampforten in Innsbruck, Axams, Igls und Seefeld statt wie 1964. Eisstadion und Skisprungarena waren noch immer olympiatauglich. In Igls wurde eine neue Kunsteisbahn gebaut. Die Axamer Lizum erhielt eine neue Standbahn, um die Athleten zum Start auf den Hoadl zu bringen. Zur Erinnerung an 1964 wurden am Berg Isel während der Eröffnung zwei Flammen entzündet. 1976 war Schnee erneut Mangelware im Vorfeld und man bangte erneut, rechtzeitig schlug das Wetter im letzten Moment aber um und bescherte Innsbruck das Weiße Gold. Das Schneemanndl, ein runder Schneemann mit Karottennase und Tiroler Hut, das Maskottchen der Spiele von 1976 war wohl ein gutes Omen. Die größte Veränderung zwischen den beiden olympischen Spielen innerhalb von zwölf Jahren war der Status der Athleten. Waren bei den ersten Spielen offiziell nur Amateure am Start, also Sportler, die einem Beruf nachgingen, konnten 1976 Profisportler antreten. Für Österreich und Franz Klammer, dessen Nichtantreten bei den olympischen Spielen 1972 zum Politikum geworden war, änderte das den Verlauf der Spiele. Die Goldmedaille in der Herrenabfahrt, ein nationales Anliegen, war in Reichweite. Auch die Übertragungs- und Fotoqualität war um einiges höher als bei der ersten Innsbrucker Edition. Die deutsche Skirennläuferin Rosi Mittermaier wurde perfekt in Szene gesetzt bei ihren Fahrten zu Doppelgold und Silber bei den Damenskirennen. Das Eishockeyturnier gewann erneut die Sowjetunion vor Schweden, bereits zum vierten Mal in Folge. Die US-Auswahl wurde wie schon 1964 Fünfter. Vier Jahre später sollte es in Lake Placid zum legendären Miracle on Ice, bei dem die USA die Russen im Kalten Krieg auf Kufen bezwingen sollten. Auch der Medaillenspiegel sah am Ende die UDSSR wieder ganz oben, diesmal vor der DDR. Österreich konnte nur zwei Goldene erringen. Mit Klammers Gold in der Abfahrt war dies allerdings nur Nebensache. Der Patscherkofel und Österreichs Franzi sind seither untrennbar miteinander verbunden. Und auch wenn die Innsbrucker nicht ganz so sportlich sind, wie sie gerne wären, den Titel der Olympiastadt kann nach zwei Ausgaben plus einer Universiade und den Youth Olympic Games niemand wegdiskutieren.

Auch für die un-sportliche Infrastruktur griff man bei beiden Spielen kräftig in die Taschen. Nach dem raschen Wiederaufbau der Stadt nach dem Krieg kam es im Vorfeld zu einer Modernisierung der Stadt. Die erste olympische Edition Innsbrucks fiel in die Zeit des Wirtschaftswunders. 1963 wurde die Olympiabrücke, die den Westen der Stadt mit den Wettkampfstätten verband, gebaut. Bis dahin ging der Ost-West Verkehr Innsbrucks kompliziert durch die Innenstadt. Die einzelnen Straßen zwischen der Amraser-See-Straße im Osten und der Bachlechnerstraße im Westen, aus denen die Hauptverkehrsader Südring heute besteht, wurden erst in der Folge ausgebaut und waren bis dahin ruhige Teile der Vorstadt. Wiesen und Felder prägten die Szenerie. Der Vergleich von Luftaufnahmen von 1960 und 2020 ist faszinierend. In Amras standen da, wo sich heute die tägliche Rush Hour abspielt, bis in die 1970er Jahre Bauernhöfe und einzelne Wohnhäuser. In der heutigen Egger-Lienz-Straße beim Westbahnhof verlief das Bahnviadukt der Westbahn. Alte Fotos zeigen die Gleise, daneben Bäume und spielende Kinder. Rund um die heutige Graßmayrkreuzung entstand fast im Vorbeigehen ein neuer Stadtteil. Das Kaufhaus Forum, hier befindet sich heute ein Kino, war eine Sensation und ein Zeichen für die Modernisierung Innsbrucks. Für die wurde zwei Mal ein olympisches Dorf aus dem Boden gestanzt. Der heutige Stadtteil O-Dorf im Osten der Stadt fungierte während der Spiele als Olympisches Dorf für die Athleten, das durch die Reichenauer Brücke über den Inn mit der Innenstadt und den Wettkampfstätten verbunden wurde. In der kaum besiedelten Arzler Au wurde 1961 mit dem Bau der ersten Wohnblöcke begonnen. Der Arzler Schießstand, den man auf einer Landkarte von 1960 noch sehen kann, wurde eine Talstufe weiter nach oben verlegt. In den 1970er Jahren kamen weitere Blöcke dazu. Das Olympische Dorf genießt unter Innsbruckern als Wohnviertel nicht den besten Ruf. Das geht auf seine Historie zurück. In den von Armut und Wohnungsnot geprägten 1930er Jahren (109) war am Gebiet der heutigen Reichenau die sogenannte Bocksiedlung entstanden, eine wilde Ansammlung von Baracken und Wohnwägen, die vom inoffiziellen Bürgermeister der Siedlung Johann Bock (1900 – 1975) wie eine unabhängige Kommune geleitet wurde. Die Bockala hatten einen fürchterlichen Ruf, das Leben in der Siedlung war arm und von Arbeitslosigkeit und Kriminalität geprägt. Um Wohnungen auf dem Gebiet bauen zu können, musste die Stadt Innsbruck in den 1950ern mit Johann Bock verhandeln. Erst ein Brand in der Siedlung zwang die letzten Bockala 1963 zum Aufgeben. Viele wurden nach den Olympischen Spielen in städtische Wohnungen in Pradl, der Reichenau und eben auch im O-Dorf einquartiert. Die Sitten der Bocksiedlung lebten noch einige Jahre fort, was den schlechten Ruf des Stadtviertels bis heute ausmacht. Tatsächlich ist das O-Dorf, trotz der wenig beschaulichen Hochhäuser im Stil der 1960er und 1970er Jahre wegen seiner Lage am Inn, den Grünflächen und der großartigen Anbindung an den öffentlichen Verkehr mittlerweile ein lebenswertes Grätzel. Viele weitere Bauten in Innsbruck, die während der Olympiade als Infrastruktur für Presse und Medien genutzt wurden, gehen ebenfalls auf die Olympischen Spiele zurück. Die Pädagogische Akademie PÄDAK in Wilten, die IVB-Halle und das Landessportheim können als olympisches Erbe betrachtet werden. Ebenfalls ein Erbe der olympischen Spiele ist etwas, das man heute verzweifelt zu ändern versucht: Das olympiabedingte Wachstum fiel mit den 60er und 70er Jahren in die frühe und unreflektierte Blütezeit des Automobils. Die Infrastruktur der Stadt drückt diesen Wandel noch in vielen Belangen aus.

Andreas Hofer und die Tiroler Erhebung von 1809

Die Zeit der napoleonischen Kriege bescherte dem Land Tirol ein nationales Epos und einen Helden, dessen Glanz bis in die heutige Zeit strahlt. Grund dafür war nach 1703 einmal mehr eine Auseinandersetzung mit dem nördlichen Nachbarn und dessen Verbündeten. Das Königreich Bayern war während der Napoleonischen Kriege, wie schon während des Spanischen Erbfolgekrieges (96) mit Frankreich verbündet und konnte in mehreren Etappen des Kriegs zwischen 1796 und 1805 Tirol erobern. Innsbruck war nicht mehr Landeshauptstadt Tirols, sondern nur noch eine von vielen Kreishauptstädten der Verwaltungseinheit Innkreis. Das Land hing von bayerischem Wohlwollen ab. Steuern wurden erhöht, Befugnisse verringert. Prozessionen und religiöse Feste der konservativen und frommen Tiroler fielen dem aufklärerischen Programm der von der französischen Revolution geprägten neuen Landesherren zum Opfer. Strengen Katholiken wie dem später als Kriegstreiber auftretenden Pater Haspinger waren auch Maßnahmen wie die von den Bayern verordneten Pockenimpfungen zuwider. Das und die Aushebung zum Dienst in der bayrisch-napoleonischen Armee, obwohl Tiroler seit dem Landlibell, einem Gesetz Kaiser Maximilians (83), nur für die Verteidigung der eigenen Grenzen herangezogen werden durften, führte zu ersten Unruhen. Am 10. April kam es bei einer Aushebung in Axams bei Innsbruck zu einem Tumult, der schließlich zu einem Aufstand führte. Für Gott, Kaiser und Vaterland kamen Abteilungen der Tiroler Landesverteidigung zusammen, um den kleinen Armeeteil und die Verwaltungsbeamten der Bayern aus der Stadt zu vertreiben. Dabei plünderten sie auch Innsbrucker Häuser, deren teilweise liberale Bevölkerung der modernen bayrischen Verwaltung nicht in allem abgeneigt war. Napoleon war bekannt dafür, unterworfene Gebiete mit Toleranz ähnlich einer Pax Romana zu behandeln, solange die neuen Bürger sich nicht auflehnten. Teilen der Bürgerschaft wäre dieser frische Wind, der aus dem revolutionären Frankreich herüberwehte, auch wenn Napoleon sich mittlerweile vom Konsul zum Kaiser erhoben hatte, lieber gewesen als die konservativen Habsburger. Der Mob und die Schützen vereint waren für die Stadt wohl wesentlich schädlicher als die bayrischen Verwalter seit 1805. Vor allem gegen den kleinen jüdischen Bevölkerungsanteil Innsbrucks kam es zu heftigen Ausschreitungen der erzkonservativen katholischen Triumphatoren unter Andreas Hofer. Schon einen Monat später hatten Bayern und Franzosen Innsbruck aber wieder zurückerobert. Was nun folgte, war das, was als Tiroler Erhebung unter Andreas Hofer, der mittlerweile das Oberkommando über die Tiroler Landesverteidigung übernommen hatte, in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Insgesamt drei Mal konnten die Tiroler Aufständischen den Sieg vom Schlachtfeld tragen und die Stadt „befreien“ oder verteidigen. Besonders bekannt ist die 3. Schlacht im August 1809 am Berg Isel. „Innsbruck sieht und hört, was es noch nie gehört und gesehen: eine Schlacht von 40.000 Kombattanten…“ Für kurze Zeit war Andreas Hofer in Ermangelung regulärer Tatsachen Oberkommandant Tirols, auch für zivile Angelegenheiten. Die Kosten für Kost und Logis dieses Bauernregiments musste die Stadt Innsbruck tragen. Seine Antrittsrede, die er an die Bürger der Stadt hielt, findet sich noch auf einer Tafel vor dem Eingang des Gasthofs Goldener Adler in der Altstadt. Am Ende gab es im Herbst 1809 allerdings in der vierten und letzten Schlacht am Berg Isel eine empfindliche Niederlage gegen die französische Übermacht. Hofer selbst war zu dieser Zeit bereits ein von der Belastung dem Alkohol gezeichneter Mann. Konservative Kräfte und die Regierung in Wien hatten ihn vor allem als taktischen Prellbock im Krieg gegen Napoleon benutzt. Bereits zuvor hatte der Kaiser das Land Tirol offiziell im Friedensvertrag von Schönbrunn wieder abtreten müssen. Innsbruck war zwischen 1810 und 1814 wieder unter bayrischer Verwaltung. Andreas Hofer wurde gefangengenommen und am 20. Januar 1810 in Mantua in Norditalien hingerichtet.

In drei siegreichen und einer verlorenen Schlacht am Berg Isel hatte der "Sandwirt" 1809 in der Tiroler Erhebung gegen die bayrischen Besatzer Tirols gekämpft. Dieser „Freiheitskampf“ symbolisiert bis heute für das Tiroler Selbstverständnis. Lange Zeit galt Andreas Hofer, der Wirt aus dem Südtiroler Passeiertal als unumstrittener Held und als Prototyp des wehrhaften, vaterlandstreuen und standhaften Tirolers. Der Underdog, der sich gegen die fremde Übermacht und unheilige Sitten wehrte. Tatsächlich war Hofer wohl ein charismatischer Anführer, politisch aber unbegabter und konservativ-klerikaler, simpler Geist. Seine Taktik bei der 3. Schlacht am Berg Isel „Grad nit aufferlassen tiat sie“ (Ann.: Ihr dürft sie nur nicht heraufkommen lassen) fasst dies wohl ganz gut zusammen. Die von ihm als Landeskommandant erlassenen Gesetze erinnern eher an einen Tiroler Gottesstaat als ein modernes Land des 19. Jahrhunderts. So sollten Frauen züchtig verhüllt auf die Straßen gehen, die Bildung wieder vollinhaltlich an den Klerus gehen und allzu freizügige Denkmäler wie die heute am Leopoldsbrunnen zu besichtigenden Nymphen aus dem öffentlichen Raum verbannt werden. Liberale und Intellektuelle wurden teils verhaftet, dafür wurde das Rosenkranzbeten zum Gebot. In Tirol wurde und wird er trotzdem gerne für alle möglichen Initiativen und Pläne vor den Karren gespannt. Vor allem im Nationalismus des 19. Jahrhunderts berief man sich immer wieder auf den verklärten Helden Andreas Hofer. Hofer wurde über Gemälde, Flugblätter und Schauspiele zur Ikone stilisiert. Aber auch heute noch kann man das Konterfei des Oberschützen sehen, wenn sich Tiroler gegen unliebsame Maßnahmen der Bundesregierung, den Transitbestimmungen der EU oder der FC Wacker gegen auswärtige Fußballvereine zur Wehr setzen. Das Motto lautet dann „Mannder, s´isch Zeit!“.  1896 wurde der Kampf der Tiroler gegen Bayern und Franzosen am Riesenrundgemälde festgehalten. Dieses Gemälde kann im Museum 1809 am Berg Isel noch bewundert werden.

In konservativen Kreisen Tirols wie den Schützen wird Hofer unkritisch und kultisch verehrt. Das Tiroler Schützenwesen ist noch gelebtes Brauchtum, das sich zwar modernisiert hat, in vielen dunklen Winkeln aber noch den Mief des Reaktionären mit sich trägt. Wiltener, Amraser, Pradler und Höttinger Schützen marschieren immer noch einträchtig neben dem Klerus, Trachtenvereinen und Marschmusikkapellen bei kirchlichen Prozessionen und schießen in die Luft, um alles Übel von der katholischen Kirche fernzuhalten. Die Legende vom wehrfähigen Tiroler Bauern, der unter Tags das Feld bestellt und sich abends am Schießstand zum Scharfschützen und Verteidiger der Heimat ausbilden lässt, wird immer wieder gerne aus der Schublade geholt zur Stärkung der „echten“ Tiroler Identität. Auch in der Schule lernen Kinder noch recht einseitig die Geschichte von den bösen Franzosen und den braven Tirolern unter ihrem Anführer Andreas Hofer. In den letzten Jahrzehnten allerdings setzte eine kritische Betrachtung des erzkonservativen und mit seiner Aufgabe als Tiroler Landeskommandanten wohl überforderten Schützenhauptmanns ein, der angestachelt von Teilen der Habsburger (77) und der katholischen Kirche nicht nur Franzosen und Bayern, sondern auch das liberale Gedankengut der Aufklärung vehement aus Tirol fernhalten wollte. Der Todestag Andreas Hofers am 20. Februar lockt bis heute regelmäßig fromme Schützen aus allen Landesteilen Tirols in die Landeshauptstadt.  In Innsbruck erinnern die Andreas-Hofer-Straße, der Berg Isel und viele Denkmäler an Andreas Hofer und die Tiroler Erhebung von 1809.

1796 - 1866: Vom Herzen Jesu bis Königgrätz

Die Zeit zwischen der Französischen Revolution, den darauffolgenden Koalitionskriegen und der Schlacht bei Königgrätz von 1866 war für das Habsburgerreich eine kriegerische Periode, die mit der Neuordnung Europas und einem Bedeutungsverlust des Kaiserreichs Österreich endete. Nach der Französischen Revolution hatten die Monarchien Europas der Französischen Republik den Krieg erklärt. Die Angst ging um, dass sich der Wahlspruch der Revolution „Liberté, Égalité, Fraternité“ in Europa ausbreiten könnte und weitere Monarchen bei Aufständen ihren Kopf verlieren könnten. Ein junger General namens Napoleon Bonaparte, erst 1804 krönte er sich zum Kaiser, war mit seiner italienischen Armee im Rahmen der Koalitionskriege über die Alpen vorgerückt und traf dort auf die österreichischen Truppen, die Norditalien beherrschten. Es war nicht nur ein Krieg um Territorium und Macht, es war ein Kampf der Systeme. Die Truppen der revolutionären Republik Frankreich trafen auf die Habsburger. Tirol war damals nach Süden hin bis ins heutige Trentino ein geeintes Fürstentum und somit ein Teil der Frontlinie. Die regulären österreichischen Truppen verloren in den Jahren 1796 und 1797 mehrere Schlachten in Norditalien und mussten sich im Frieden von Campoformio den französischen Truppen ergeben. Tiroler Schützen waren dabei am Kampfgeschehen beteiligt, um die Landesgrenzen im heutigen Italien gegen die einrückenden Franzosen zu verteidigen. Die 1796 offiziell gegründete Höttinger Schützenkompanie war damals zum Beispiel Teil des Landsturms. Der Herz-Jesu-Kult, wonach Tiroler Schützen einen Bund mit dem Herzen Jesu in aussichtsloser Lage geschlossen hatten und trotz Unterzahl siegreich aus einer Schlacht hervorgingen, geht auf diese Jahre zurück. Tatsächlich war es der Abt des Klosters Stams gewesen, der bei den Tiroler Landständen in Bozen beantragte, von nun an alljährlich "das Fest des göttlichen Herzens Jesu mit feierlichem Gottesdienst zu begehen, wenn Tirol von der drohenden Feindesgefahr befreit werde." Neben der Gnadenmutter Cranachs ist die Darstellung des Herzen Jesu wohl das beliebteste christliche Motiv im ländlichen Raum und prangt auf der Fassade unzähliger Bauernhäuser. Eine andere Legende des Jahres 1796 rankt sich um eine junge Frau aus dem Dorf Spinges. Katharina Lanz, die als die Jungfrau von Spinges in die Landesgeschichte als identitätsstiftende Nationalheldin einging, soll die beinahe geschlagenen Truppen mit ihrem herrischen Auftreten in der Schlacht solcherart motiviert haben, dass sie schlussendlich den Sieg über die französische Übermacht davontragen konnten. Je nach Darstellung soll sie mit einer Mistgabel, einem Dreschflegel oder einer Sense ähnlich der französischen Jungfrau von Orleans den Truppen Napoleons das Fürchten gelehrt haben. Teile des Tiroler Selbstverständnisses rund um die Schützen und das Nationalgefühl, eine selbstständige und von Gott auserwählte Nation zu sein, die zufällig der Republik Österreich angehängt wurde, geht auf diese Legenden zurück. Nationalisten zu beiden Seiten des Brenners bedienen sich noch heute der Jungfrau von Spinges, dem Herzen Jesu und Andreas Hofers, um ihre Anliegen publikumstauglich anzubringen. 1805 übernahmen Frankreich und gemeinsam mit ihren bayerischen Verbündeten nach mehreren Niederlagen des österreichischen Heeres auf den Schlachtfeldern Europas die Verwaltung Tirols in Innsbruck. Zwar konnten die Tiroler Truppen unter Andreas Hofer (99) kleinere Erfolge feiern, erst nach Ende der Napoleonischen Kriege wurde Tirol wieder ein Teil des Habsburgerreiches. In und um Innsbruck kam es immer wieder zu Gefechten. Stadt und Bevölkerung wurden bei jedem Machtwechsel zwischen bayerisch-französischer Besatzung und Tiroler „Befreier“ in Mitleidenschaft gezogen. Das leerstehende Schloss Ambras wurde zu einem Lazarett umgewandelt.

Die Neuordnung Europas am Wiener Kongress brachte nicht nur territoriale und politische, sondern auch verteidigungspolitische Änderungen. 1816 wurde aus dem Tiroler Jägerkorps das k.k. Tiroler Kaiserjägerregiment. In den Kriegsjahren 1848, 1859 und 1866 kam es in Italien zu den sogenannten Befreiungs- und Einigungskriegen, in denen Österreich probierte seine italienischen Reichsteile Lombardei und Venetien gegen das sich neu formende Königreich Italien zu verteidigen. In ganz Europa, so war es im Laufe des 19. Jahrhunderts, spätestens seit 1848, besonders unter jungen Männern zu einem regelrechten nationalen Rausch gekommen. Freiwilligenheere schossen aus allen Richtungen aus dem Boden. Studenten, die sich in den Verbindungen zusammentaten, Turner, Schützen, alle wollten ihre neue Liebe zur Nation auf dem Schlachtfeld unter Beweis stellen. Innsbrucker und Tiroler Einheiten wie eine Abteilung der Innsbrucker Akademiker oder die Stubaier Schützen zählten zu den Kombattanten in den italienischen Einigungskriegen. Die "Innsbrucker Zeitung" predigte in ihren Artikeln Kaisertreue und großdeutsch-tirolischen Nationalismus, wetterte gegen das Italienertum und Franzosen und pries den Mut Tiroler Soldaten. "Die starke Besetzung der Höhen am Ausgange des Valsugana bei Primolano und le Tezze gab schon oft den Innsbrucker-Akademikern I. und den Stubaiern Anlaß, freiwillige Ercur:sionen gegen le Tezze, Fonzago und Fastro, als auch auf das rechte Brenta-Ufer und den Höhen gegen die kleinen Lager von den Sette comuni zu machen...Am 19. schon haben die Stubaier einige Feinde niedergestreckt, als sie sich das erste mal hinunterwagten, indem sie sich ihnen entgegenschlichen..."

Innsbruck war als Garnisonsstadt ein wichtiger Versorgungsposten, obwohl die Front recht weit entfernt war. Das Tiroler Kaiserjägerregiment war in allen wichtigen Schlachten dieser Kriegsjahre beteiligt. In diesem Klima des deutschnationalen Patriotismus kamen antiitalienische Resentiments und Stereotype, die sich bis heute teilweise halten, immer öfter zur Oberfläche. Vor allem Studenten aus den italienischsprachigen Teilen Tirols, die in Innsbruck die Universität besuchten, waren davon betroffen. Zur wohl bekanntesten, der Schlacht von Solferino, kam es 1859 in der Nähe des Gardasees, bei der Österreich gegen das Königreich Piemont-Sardinien und Frankreich ins Feld zog. Der Schriftsteller Joseph Roth beschreibt diese Schlacht auf den ersten Seiten seines lesenswerten Klassikers Radetzkymarsch.

„In der Schlacht bei Solferino befehligte er (Anm.: Leutnant Trotta) als Leutnant der Infanterie einen Zug. Seit einer halben Stunde war das Gefecht im Gange. Drei Schritte vor sich sah er die weißen Rücken seiner Soldaten. Die erste Reihe seines Zuges kniete, die zweite stand. Heiter waren alle und sicher des Sieges. Sie hatten ausgiebig gegessen und Branntwein getrunken, auf Kosten und zu Ehren des Kaisers, der seit gestern im Felde war. Hier und dort fiel einer aus der Reihe. Trotta sprang flugs in jede Lücke und schoß aus den verwaisten Gewehren der Toten und Verwundeten.“

Das 19. Jahrhundert war das Zeitalter des Militarismus. Die Kriege wurden sehr brutal geführt, waren aber bei weitem noch nicht die totalen Kriege, die im 20. Jahrhundert auch große Teile der Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft ziehen würden. Es waren meist Feldschlachten zwischen großen Armeen. Was zu Problemen und hohen Opferzahlen führte, war die für die fortgeschrittene Waffentechnik eigentlich überholte Soldatenehre im Feld, die sich zumindest in den Anfangsjahren des Ersten Weltkriegs noch halten sollten. Entsetzt vom blutigen Geschehen entschloss sich Henry Durant das Rote Kreuz zu gründen. In weiterer Folge kam es 1863 zur Genfer Konvention, in der eine Art Kriegsrecht begründet wurde.

Das Jahr 1866 stellte eine entscheidende Zäsur der österreichischen Geschichte dar. In Italien verlor das Kaiserreich Österreich Venetien und die Lombardei. Preußen und Österreich, ehemals vereint im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation kämpften gleichzeitig um die Vorherrschaft im Deutschen Bund, aus dem das Deutsche Reich unter preußischer Führung als neuer Nationalstaat später hervorging. Preußen wollte das Kaisertum Österreich aus dem Bund deutscher Einzelstaaten zu drängen. Zwar gewann man die Schlachten gegen das Königreich Italien und seine Verbündeten, in Königgrätz ging aber der kurze als Bruderkrieg später in die Geschichte eingegangene Kampf gegen Preußen verloren. Der Grund war die technische Überlegenheit der mit Zündnadelgewehren ausgestatteten preußischen Armee, die auf die mit Vorderladern bewaffneten Soldaten Österreichs trafen. Während die österreichischen Soldaten ihre Gewehre vorne im Stehen laden mussten, konnten die preußischen Soldaten sie aus der Deckung wie Pappfiguren abschießen. Der Kampf dauerte nur wenige Stunden, forderte aber vor allem auf österreichischer Seite viele Todesopfer. Das Königreich Italien war in den Einigungskriegen zwischen 1848 und 1871 der Einheit mit Ausnahme des päpstlichen Rom und des Trentino, dem alten Süd- oder Welschtirol, nähergekommen. Nach dem Zerfall des Heiligen Römischen Reiches von 1806 war das Jahr 1866 dies der zweite Schritt, der Österreich einem nach Ost- und Südosteuropa orientierten multinationalen Großreich näherbrachte. Der Ausgleich mit Ungarn 1867 vollendete die Genese hin zur k.u.k. Monarchie Österreich-Ungarn unter der Personalunion Kaiser Franz Josef I.

Innsbrucker Soldaten waren in die Kampfhandlungen bei der Sicherung der Landesgrenzen und auf den Schlachtfeldern außerhalb Tirols beteiligt. Innsbruck besitzt einige Erinnerungsorte, die noch auf diese Kriege hinweisen. Sie befinden sich nicht in der Innenstadt, sondern an den Randgebieten. Neben dem Tummelplatz und dem Militärfriedhof Pradl wird am Berg Isel im Kaiserjägermuseum und durch eine etwas hinter dem Parkplatz abgelegene Steinsäule erinnert. Es handelt sich mit Ausnahme eines Museums nicht um eigens errichtete Denkmäler, sondern um Begräbnisstätten. Königgrätz gilt bis heute als einer der Schlüsselmomente österreichischer Geschichte. Für Innsbruck bedeutete diese Entwicklung, dass man endgültig zu einer Stadt an der westlichen Peripherie geworden war. Der Hang zur sogenannten Großdeutschen Lösung, also einer Staatlichkeit mit dem Deutschen Reich gemeinsam anstatt dem alleinstehenden Kaisertum Österreich, war in Tirol stärker ausgeprägt als im restlichen Österreich. Unter anderem war Bürgermeister Wilhelm Greil ein Verfechter einer deutschnationalen Lösung, die sich mehr nach Norden als in die östlichen Teile der Monarchie orientierte. Auf vielen Bauwerken in Innsbruck, zum Beispiel am Andreas-Hofer-Denkmal am Berg Isel oder an der Krypta am Pradler Friedhof findet sich der Eichelkranz als Symbol dieser politischen Orientierung.

Wilhelm Greil: DER Bürgermeister Innsbrucks

Eine der wichtigsten Figuren der Stadtgeschichte war Wilhelm Greil (1850 – 1923). Von 1896 bis 1923 war er Innsbrucker Bürgermeister, nachdem er vorher bereits als Vizebürgermeister tätig war. Greil war selbst als Unternehmer tätig. Er gehörte der "Deutschen Volkspartei" an, die sich als nationale, großdeutsch orientierte Partei aus der liberalen Bewegung herausgeschält hatte. Was uns heute als Widerspruch erscheint, liberal und national, war im 19. Jahrhundert ein politisch übliches und gut funktionierendes Gedankenpaar. Der Pangermanismus war keine politische Besonderheit einer rechtsradikalen Minderheit, sondern eine Strömung der Mitte, die bis nach dem Zweiten Weltkrieg durch fast alle Parteien hindurch in unterschiedlicher Ausprägung Bedeutung hatte. Bedingt durch eine Wahlordnung, die auf das Stimmrecht über Vermögensklassen aufgebaut war, konnten sich große Massenparteien wie die Sozialdemokraten noch nicht durchsetzen. Die Konservativen hatten es, anders als im restlichen Tirol, schwer in Innsbruck, dessen Bevölkerung seit der Zeit Napoleons liberale Morgenluft geschnuppert hatte. Viel mehr waren es eben die von wohlhabenden Bürgern und Unternehmern unterstützten liberalnationalen Politiker, die den politischen Ton Innsbrucks dieser Zeit vorgaben. Politik, öffentliche Verwaltung, Bildung und das Militär sollten zentral, möglichst unter Ausschluss der landbesitzenden Kirche geregelt werden.

Die Amtszeit Greils war dreigeteilt. Sie fiel in die Epoche des Wirtschaftsaufschwungs nach dem Börsenkrach von 1873, den Ersten Weltkrieg und die karge Nachkriegszeit. Diese Epoche war für Innsbruck in vielerlei Hinsicht richtungsweisend. Unter ihm wurde von der Stadt ganz im Sinne des Kaufmanns vorausschauend Grund angekauft, um Projekte zu ermöglichen. Vieles das damals vorangetrieben wurden, gehören heute wie selbstverständlich zum täglichen Leben in Innsbruck, waren um die Jahrhundertwende aber eine echte Revolution. Bereits sein Vorgänger Bürgermeister Heinrich Falk (1840 – 1917) hatte erheblich zur Modernisierung der Stadt und zur Besiedelung des Saggen beigetragen. Zwischen 1887 und  1891 wurde Innsbruck mit einer modernen Hochdruckwasserleitung ausgestattet, über die auch Wohnungen in höher gelegenen Stockwerken mit frischem Wasser versorgt werden konnten. Wie viele andere europäische Städte erlebte Innsbruck zwischen 1890 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs einen großen Modernisierungsschub. Greil war ein geschickter Politiker, der sich innerhalb der vorgegebenen Machtstrukturen seiner Zeit bewegte. Er wusste sich um die traditionellen Kräfte, die Monarchie und den Klerus geschickt zu manövrieren und sich mit ihnen zu arrangieren. Unter Wilhelm Greil erweiterte sich Innsbruck beträchtlich. Der Politiker Greil konnte sich auf die Beamten und Stadtplaner Eduard Klingler, Jakob Albert und Theodor Prachensky stützen. Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war im Allgemeinen von einem nie dagewesenen Wirtschaftswachstum und einer rasenden Modernisierung gekennzeichnet. Die Wirtschaft der Stadt boomte. Betriebe in Pradl und Wilten gründeten sich und lockten Arbeitskräfte an. Auch der Tourismus brachte frisches Kapital in die Stadt. Greil konnte sich bei dieser Innsbrucker Renaissance auf der Stadt geneigte Mäzen aus dem Bürgertum stützen. Freiherr Johann von Sieberer (103) stiftete das Greisenasyl und das Waisenhaus im Saggen. Leonhard Lang stiftete das Gebäude, das vorher als Hotel genutzt wurde, in das das Rathaus von der Altstadt 1897 übersiedelte, gegen das Versprechen der Stadt ein Lehrlingsheim zu bauen. Neben den Villen im Saggen entstanden auch die Wohnhäuser im östlichen Teil des Stadtviertels. Infrastrukturprojekte wie das neue Rathaus in der Maria-Theresienstraße 1897, die Hungerburgbahn 1906 und die Karwendelbahn, die Innsbruck bis heute mit Seefeld verbindet, wurden umgesetzt. Andere Projekte waren die Erneuerung des Marktplatzes und der Bau der Markthalle. Wilhelm Greil veranlasste die Übernahme des Gaswerks in Pradl und des Elektrizitätswerks in Mühlau in städtischen Besitz. Unter ihm erfolgte die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf elektrisches Licht. Seit 1859 war die Beleuchtung der Stadt mit Gasrohrleitungen stetig vorangeschritten. Nun war es an der Zeit, dass auch in Innsbruck Elektrizität Einkehr hielt. Die Berufsfeuerwehr Innsbruck entstand 1899. In seinen letzten Amtsjahren begleitete Greil Innsbruck am Übergang von der Habsburgermonarchie zur Republik durch Jahre, die vor allem durch Mittelknappheit geprägt waren. 1928 verstarb der verdiente Altbürgermeister als Ehrenbürger der Stadt Innsbruck im Alter von 78 Jahren. Die Wilhelm-Greil-Straße wurde noch zu seinen Lebzeiten nach ihm benannt.

Tourismusland Tirol

In den 1990er Jahren sorgte eine österreichische Fernsehserie für einen Skandal. Die Piefke Saga aus der Feder des Tiroler Schriftstellers Felix Mitterer beschrieb in vier skurril-entlarvend-amüsanten Folgen die Beziehung zwi-schen der deutschen Urlauberfamilie Sattmann und ihrem fiktiven Tiroler Urlaubsort. Bei aller Skepsis gegenüber dem Tourismus in seinen heutigen teils extremen Auswüchsen sollte man nicht vergessen, dass der Fremden-verkehr im 19. Jahrhundert ein wichtiger Faktor in Innsbruck und Umge-bung war, der die Entwicklung der Region nachhaltig antrieb, nicht nur wirtschaftlich. Anfangs waren es die Berggipfel der Alpen, die Besucher anzogen. Für lange Zeit war die Zone zwischen Mittenwald in Bayern und Italien nur eine Art Durchzugskorridor gewesen. Zwar verdienten die Inns-brucker Gasthöfe und Wirte bereits im Mittelalter und der Frühen Neuzeit an Händlern und der Entourage der adligen Gäste des Hofs, von Fremden-verkehr wie wir ihn heute verstehen war aber noch keine Rede. Lange waren die Berge eine reine Bedrohung für die Menschen gewesen. Es waren vor allem Briten, die sich aufmachten, sich nach den Weltmeeren auch die Gebirge dieser Erde untertan zu machen. Über Reiseberichte verbreitete sich ab dem späten 18. Jahrhundert, der Epoche der Romantik, die Kunde von der Naturschönheit der Alpen. Neben der alpinen Attraktion waren es die wil-den und exotischen Eingeborenen Tirols, die international für Aufsehen sorgten. Der bärtige Revoluzzer namens Andreas Hofer, der es mit seinem Bauernheer geschafft hatte, Napoleons Armee in die Knie zu zwingen, erzeugte bei den Briten, den notorischen Erzfeinden der Franzosen, ebenso großes Interesse wie bei deutschen Nationalisten nördlich der Alpen, die in ihm einen frühen Protodeutschen sahen. Die Tiroler galten als unbeugbarer Menschenschlag, archetypisch und ungezähmt, ähnlich den Germanen unter Arminius, die das Imperium Romanum herausgefordert hatten. Die Be-schreibungen Innsbrucks aus der Feder des Autors Beda Weber (1798 – 1858) und andere Reiseberichte in der boomenden Presselandschaft dieser Zeit trugen dazu bei, ein attraktives Bild Innsbrucks zu prägen. Nun mussten die wilden Alpen nur noch der Masse an Touristen zugänglich gemacht werden, die zwar gerne den Expeditionen nacheifern wollten, deren Risikobereitschaft und Fitness mit den Wünschen nicht schritthalten konnten. Der Deut-sche Alpenverein eröffnete 1869 eine Sektion Innsbruck, nachdem der 1862 Österreichische Alpenverein wenig erfolgreich war. Es waren wohl vor allem die großdeutsch orientierten Mitglieder, die 1873 die beiden Stellen fusioniert für das alpine Wohl sorgend sehen wollten. Der Alpenverein war bürgerlich geprägt, sein sozialdemokratisches Pendant waren die Naturfreunde, die sich vor allem aus der Arbeiterschaft speisten. Neben dem sportlichen er-möglichten diese Vereine auch ein touristisches Wachstum. Das Wegenetz wuchs durch dessen Erschließung ebenso wie die Zahl an Hütten, die Gäste beherbergen konnten. Die Alpenvereine bildeten auch Bergführer aus. Der Tiroler Theologe Franz Senn (1831 – 1884) und der Schriftsteller Adolf Pichler (1819 – 1900) waren maßgeblich an der Vermessung Tirols und der Erstel-lung von Kartenmaterial beteiligt. Anders als gerne behauptet waren die Tiroler nicht geborene Bergsteiger, sondern mussten sich die Fähigkeiten die Bergwelt zu erobern erst beibringen lassen. Bis dato waren Berge vor allem eins: gefährlich und mühsam im landwirtschaftlichen Alltag. Sie zu besteigen, war zuvor kaum jemandem in den Sinn gekommen. Ab der Jahrhundertwende kam der Skisport in Mode. Lifte gab es noch nicht, um auf die Berge zu gelangen, musste man sich der Felle bedienen, die heute noch auf Tourenski geklebt werden. Mit dem Grand Hotel Europa hatte 1869 auch in Innsbruck ein Haus ersten Ranges geöffnet und löste die Gasthöfe in der Altstadt ab. 1892 folgte mit dem Reformhotel Habsburger Hof ein zweiter großer Betrieb, der mit der Nähe zum Bahnhof warb. Was heute eher als Wettbewerbsnachteil angesehen würde, war zu dieser Zeit ein Verkaufsargument. Bahnhöfe waren die Zentren moderner Städte. Die Bahnhofsplätze waren keine überfüllten Verkehrsknotenpunkte wie heute, sondern mondäne und gepflegte Orte vor den architektonisch anspruchsvoll gestalteten Hallen, in denen die Züge ankamen. Der Habsburger Hof konnte seinen Gästen auch bereits elektrisches Licht bieten, eine absolute Sensation. Bis dahin waren es vor allem die Umlandgemeinden gewesen, die von den Gästen profitierten. Vor allem Igls war als Kurort für Sommerfrischler bekannt. Der Igler Hof, damals Grandhotel Igler Hof und das Sporthotel Igls, verströmen heute noch teilweise den Chic dieser Zeit. Michael Obexer, der Gründer des Kurortes Igls und Besitzer des Grandhotels, war ein Tourismuspionier. Auch das Kuren, die frühe Form der Wellness, bei der betuchte Kunden sich in alpinem Umfeld von unterschiedlichsten Krankheiten erholen konnten, war in Innsbruck möglich. Am heutigen Stadtgebiet Innsbrucks, in Egerdach zwischen Amras und Ampass und in Mühlau, gab es zwei Kurbäder. So schick wie die Hotspots der Zeit in Bad Ischl, Marienbad oder Baden bei Wien waren die Anlagen nicht, wie man auf alten Fotos und Postkarten sehen kann, die Anwendungen mit Sole, Dampf, Gymnastik, sogar Magne-tismus, entsprachen aber dem damaligen Standard dessen, was heute teilweise noch bei Kur- und Wellnessurlaubern beliebt ist. Bad Egerdach bei Innsbruck war als Heilquelle seit dem 17. Jahrhundert bekannt. Die Quelle sollte Gicht, Hautkrankheiten, Anämie, ja sogar die im 19. Jahrhundert als Vorgängerin des Burnouts als Neurasthenie bekannte Nervenkrankheit be-heben. Die Kapelle der Anstalt besteht bis heute gegenüber dem SOS Kin-derdorf. Die Badeanstalt in Mühlau existierte seit 1768 und wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem Gasthaus mit Kuranstalt ganz im Stil der Zeit umgebaut. Das Viertel in direkter Nähe zu den Villas des Saggen rund um die alte Kettenbrücke und die Hungerburgbahn, die Innsbruck mit dem Luftkurort über der Stadt verband, war zur Jahrhundertwende das schicke und moderne Zentrum der Stadt. Heute ist das schicke Gebäude als Wohn-haus in der Anton-Rauch-Straße noch zu besichtigen. 1888 gründeten die Profiteure des Fremdenverkehrs in Innsbruck eine Kom-mission zur Förderung des Tourismus, den Vorgänger des heutigen Tourismus-verbands. Durch vereinte Kräfte in Werbung und Qualitätssicherung bei den Beherbergungsbetrieben hofften die einzelnen Player, den Tourismus weiter anzukurbeln. Ab 1880 sorgten neben der Werbung auch Postkarten dafür, dass Innsbruck als Reiseziel an Bekanntheit gewann. Für Digital Natives, die mit Social Media aufwuchsen, ist es nur schwer vorstellbar, dass man Urlaubsgrüße noch mit Karton und Briefmarke versandte. Postkarten waren die ersten massentauglichen Influencer der Tourismusgeschichte. Viele Betriebe ließen ihre eigenen Postkarten drucken. Daneben gab es die offiziell von den Verlagen verkauften. Es ist interessant zu sehen, was damals als sehenswert galt und auf den Karten abgebildet wurde. Anders als heute waren es vor allem die neuen Errungenschaften der Stadt wie der Leopoldbrunnen, das Stadtcafé beim Theater, die neu errichtete Kettenbrücke, die 1845 eröffnete Stefansbrücke an der Brennerstraße, die als Steinbogen aus Quadern die Sill überquerte, die Hungerburgbahn, der Gasthof Schupfen in dem Andreas Hofer sein Hauptquartier hatte und der Berg Isel mit dem großen Andreas-Hofer-Denkmal. Andreas Hofer selbst war bereits damals ein gut funktionierendes Testimonial. Mit dem Ersten Weltkrieg versandete die erste touristische Welle. 1914 gab es in Innsbruck 17 Hotels, die Gäste anlockten. Dazu kamen die Sommer- und Winterfrischler in Igls und dem Stubaital. Der Krieg zerstörte dies alles mit abrupt. Gerade als sich der Fremdenverkehr Ende der 1920er Jahre langsam wieder erholt hatte, kamen mit der Wirtschaftskrise und Hitlers 1000 Mark Sperre, mit der er die österreichische Regierung 1933 unter Druck setzen wollte, um das Verbot der NSDAP zu beenden, die nächsten Dämpfer. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Flughafen vom Osten der Stadt an seinen heutigen Standort in der Höttinger Au verlegt. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Krieg erholte sich auch der Tourismus wieder. Nach den beschwerlichen 1950er Jahren konnten Tirol und Innsbruck den Frem-denverkehr langsam, aber stetig als verlässlichen Motor der Wirtschaft stabil etablieren.

Sportliches Innsbruck

Wer den Beweis benötigt, dass die Innsbrucker stets ein aktives Völkchen waren, könnte das Bild Winterlandschaft des niederländischen Malers Pieter Bruegel (circa 1525 – 1569) aus dem 16. Jahrhundert bemühen. Auf seiner Rückreise von Italien gen Norden hielt der Meister wohl auch in Innsbruck und beobachtete dabei die Bevölkerung beim Eislaufen auf dem zugefrorenen Amraser See. Muse und frei verfügbare Zeit, für Sport und Hobbies wie der Jagd oder Reiten war im Mittelalter und der Frühen Neuzeit vor allem ein Privileg des Adels. Erst durch die geänderten Lebensumstände des 19. Jahrhunderts hatte ein guter Teil der Bevölkerung, vor allem in den Städten, zum ersten Mal so etwas wie Freizeit. Beda Weber beschreibt in seinem Handbuch für Reisende in Tirol 1851 die Freizeitgewohnheiten der Innsbrucker, darunter auch das Eislaufen am Amraser See. „Der unweit davon (Anm.: Amras) liegende See, eine Lache in der Moosgegend, wird im Winter von den Schlittschuhläufern benützt.“ Mehr und mehr arbeiteten Menschen nicht mehr in der Landwirtschaft, sondern als Arbeiter und Angestellte in Büros, Werkstätten und Fabriken. In vielen Ländern Europas sank durch die Rationalisierung der Erwerbsarbeit die Arbeitszeit. Vorreiter war das industrialisierte England, in dem sich Arbeiter und Angestellte langsam vom Turbokapitalismus der frühen Industrialisierung zu befreien begannen. 16-Stunden-Tage waren nicht nur gesundheitlich bedenklich für den Arbeiter, auch Unternehmer merkten, dass eine Überbelastung unrentabel war. Gesunde und glückliche Arbeiter waren besser fürs Geschäft. Seit den 1860er Jahren gab es Bestrebungen, einen 8-Stunden-Tag einzuführen. Der Weg dorthin war lang, Schritt für Schritt ging es aber in diese Richtung. 1873 setzten die österreichischen Buchdrucker eine Arbeitszeit von zehn Stunden pro Tag durch. 1918 stellt man in Österreich auf eine 48-Stunden-Woche um. Ab 1930 galten in Industriebetrieben 40 Stunden pro Woche als Normalarbeitszeit. Diese Änderungen in der Arbeitswelt, zogen ein geändertes Freizeitverhalten nach sich. Menschen jeder Schicht, nicht mehr nur die Aristokratie, hatten nun Geist für Hobbies, Vereinsleben und sportliche Betätigung.

Die Stadt hatte von Anfang an ein Auge darauf, Möglichkeiten für die Bevölkerung zur sportlichen Betätigung zu schaffen. Den Anfang des organisierten Vereinssports machte der ITV, der Innsbrucker Turnverein, der sich 1849 gründete. Das ITV Gebäude in der Bürgerstraße besteht bis heute. Turnvereine waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts groß in Mode. Das Turnen war der Inbegriff des Sports. Der Wettkampfgedanke stand nicht im Vordergrund bei den Vereinen. Viele Vereine hatten einen politischen Hintergrund. Es gab christliche, sozialistische, und großdeutsche Sportvereine. Sie dienten vielfach als Vorfeldorganisation politischer Parteien und Organe. Mehr oder minder alle Vereine hatten Arierparagraphen in ihren Statuten, weshalb jüdische Bürger ihre eigenen Sportvereine gründeten. Aus den deutschen Turnvereinen ging neben den Studentenverbindungen die Nationalbewegung hervor. Die Mitglieder sollten sich körperlich ertüchtigen, um dem nationalen Volkskörper im Kriegsfall bestmöglich zu dienen. Die Ritter- und Söldnerheere hatten ausgedient, der Militärdienst war unter Maria Theresia in Österreich zur Bürgerpflicht geworden. Sitzende Berufe, vor allem die akademischen, wurden mehr, Turnen diente als Ausgleich Der großdeutsche Agitator Friedrich Ludwig Jahn (1778 – 1852), landläufig bekannt als Turnvater Jahn, war nicht nur Vorturner der Nation, sondern war auch geistiger Vater des Lützow´schen Freikorps das gegen Napoleon als eine Art gesamtdeutsches Freiwilligenheer ins Feld zog. Im Saggen erinnern die Jahnstraße und ein kleiner Park an Friedrich Ludwig Jahn. 1883 gründeten die Radfahrer den Verein Bicycle Club. Die ersten Radrennen in Frankreich und Großbritannien hatten in ab 1869 stattgefunden. Bereits im selben Jahre hatte die Innsbrucker Presse von den modernen Mitteln des Individualverkehrs berichtet, als sich „einige Herren mit mehreren von der Firma Peterlongo bestellten Velocipedes auf die Straße wagten“. 1876 kam es zu einem kurzzeitigen Verbot des Radverkehrs, da es immer wieder zu Unfällen gekommen war. Die Gefährte waren teils abenteuerliche Konstrukte, Hochräder, die keinen Antrieb mit Kette hatten. Die Velocipedisten siedelten sich im Saggen nahe der Viaduktbögen mit einer Radrennbahn samt Tribüne an. Neben Radrennen fanden hier Boxkämpfe und Tennismatches statt. 1896 fand am Ausstellungsplatz bei der Radrennbahn die „Internationale Ausstellung für körperliche Erziehung, Gesundheitspflege und Sport“ statt. Die Fußballer waren wegen des Arierparagraphen, der Matches mit Mannschaften mit jüdischen Spielern verbot, aus dem Dachverein ITV ausgetreten. Es gründete sich zuerst der Verein Fußball Innsbruck, der später zum SVI werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits überregionale Fußballspiele, zum Beispiel ein 1:1 Unentschieden der Mannschaft des ITV gegen Bayern München. In Wilten, mittlerweile ein Teil Innsbrucks, entstand 1910 der SK Wilten. 1913 gründete sich mit Wacker Innsbruck der erfolgreichste Tiroler Fußballverein. 1925 errichtete die Stadt bei den Sillhöfen ein Sportzentrum, um dem steigenden Bedarf nachzukommen. Schon im 19. Jahrhundert war dieses Areal zwischen Wilten, Pradl und Amras am Fuße des Berg Isel ein beliebtes Ausflugsziel für Innsbrucker. Die erste Anlage bestand aus zwei Fußballfeldern samt Aschenbahn für Leichtathletik. Die Sportplätze wurden während des Zweiten Weltkrieges Opfer der Bomben und wurden in der Nachkriegszeit als Schrebergärten genutzt. 1953 wurde das alte Tivoli-Fußballstadion eröffnet, in dem der FC Wacker Innsbruck unter verschiedenen Vereinsnamen bis zum Umzug in die neue Heimstätte hinter dem Olympiastadion im Jahr 2000 acht von insgesamt zehn österreichischen Meistertiteln feiern konnte. 1961 wurde das Sportangebot um das Freischwimmbad Tivoli erweitert. Abgesehen von einigen Erneuerungen und der Umstrukturierung auf Grund der Wohnanlage Tivoli besteht das Schwimmbad im Kern seit über 60 Jahren nach den Plänen dieser Zeit und gilt als internationales Vorbild für die Gestaltung einer städtischen Freizeitanlage. Bereits 1928 wurde mit dem Städtischen Hallenbad die überdachte Anlage für die Sportschwimmer eröffnet. Die 1920er Jahre waren die Zeit, in der Theodor Prachensky Wohnprojekte, Schulen, Kindergärten und Volkshäuser für die Arbeiterschicht in Innsbruck umsetzte. Eine Zeit der Emanzipation und des Aufbruchs nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs und den Krisenjahren, die von Inflation und Versorgungsengpässen charakterisiert waren. Neben den diversen Sommersportarten wurde auch der Wintersport immer populärer. 1884 gründete sich der Eislaufverein und nutzte das Ausstellungsgelände als Eisbahn. Mit dem Lansersee, dem Amraser See (heute: Einkaufszentrum DEZ), der Schwimmanlage Höttinger Au und dem Sillkanal in der Kohlstatt standen den Innsbruckern Möglichkeiten zum Eislaufen zur Verfügung. Der Skisport, anfangs ein nordisches Vergnügen im Tal, breitete sich bald auch als Abfahrtsdisziplin aus. Nach St. Anton und Kitzbühel gründete sich 1906 der erste Innsbrucker Skiverein. Die Ausrüstung war primitiv, trotzdem wagte man sich in Mutters oder auf der Ferrariwiese die Pisten hinabzudüsen. Seit 1928 führten zwei Seilschwebebahnen sowohl auf die Nordkette und den Patscherkofel.

Innsbrucker identifizieren sich bis heute sehr stark über den Sport. Mit der Fußball-EM 2008, der Radsport-WM 2018 und der Kletter-WM 2018 konnte man an die glorreichen 1930er Jahre mit zwei Skiweltmeisterschaften und die beiden Olympiaden von 1964 und 1976 auch im Spitzensportbereich wieder anknüpfen. Trotzdem ist es weniger der Spitzen- als vielmehr der Breitensport, der dazu beiträgt. Es gibt kaum jemanden der nicht zumindest den Alpinski anschnallt. Mountainbiken auf den zahlreichen Almen rund um Innsbruck, Skibergsteigen, Sportklettern und Wandern sind überdurchschnittlich populär in der Bevölkerung und fest im Alltag vieler Innsbrucker verankert.

Eduard Klingler: Der Baumeister der Erweiterung

Bezeichnet man Wilhelm Greil als Bürgermeister der Erweiterung, kann der gebürtige Wiener Eduard Klingler (1861 – 1916) wohl als der Architekt der Erweiterung Innsbrucks rund um die Jahrhundertwende bezeichnet werden. 1883 begann er für das Land Tirol zu arbeiten. 1889 trat er zum städtischen Bauamt über, dessen Leiter er unter Bürgermeister Wilhelm Greil (105) 1902 wurde. In dieser Zeit begann die Stadt in alle Richtungen zu wachsen. Nicht nur quantitativ, auch qualitativ musste Innsbruck sich unter den neuen politischen Vorzeichen verändern. Die ersten freien Wahlen des Reichsrates für alle männlichen Bürger im Jahr 1907 veränderten auch die sozialen Spielregeln. Arbeiter mit politischem Stimmrecht mussten anders gepflegt werden als Untertanen ohne dieses Recht. Johann von Sieberer ließ mit dem Waisenhaus und dem Altenheim zwei große Projekte im Saggen umsetzen. Umliegenden Dörfer wie Pradl und Wilten wurden eingemeindet. Klingler prägte das Stadtbild Innsbrucks wesentlich mit. Vor allem die jüngeren Stadtteile wie Wilten, Pradl und der Saggen entstanden unter seiner Obhut. Die bis dato eigenständigen Dörfer Wilten und Pradl, die 1904 eingemeindet und Teil der Stadt wurden, trugen zum Wachstum bei. Von 1880 bis 1900 wuchs Innsbrucks Bevölkerung „nur“ von 20.000 auf 26.000 Einwohner an, Wilten verdreifachte sich von 4000 auf 12.000. Neben dem quantitativen Wachstum durch die Stadterweiterung wuchs Innsbruck, auch qualitativ, was die Lebensqualität der Menschen anbelangt. Die Stadt trieb die Bautätigkeit innerhalb der Stadtteile emsig voran. Die Anforderungen an die Infrastruktur stiegen. Gas, Wasser, Elektrizität begannen sich als Standard zu etablieren. Die Wohnhäuser, die in den Arbeitervierteln gebaut wurden, waren ein Spiegel einer neuen Gesellschaft. Anders als im ländlichen Bereich Tirols, wo Bauernfamilien samt den Bediensteten in Bauernhäusern im Verbund einer Sippschaft lebten, kam das Leben in der Stadt dem Familienleben, das wir heute kennen, nahe. Damit einher gingen neue individuelle Freiheiten und Zerstreuungsmöglichkeiten in der Freizeit. Schulen und Kindergärten mussten für die neuen Bewohner gebaut werden. Die Anforderungen an die Medizin und damit die Klinik wuchsen.

Ganz im Geist der Zeit plante Klingler in den Stilen des Historismus und des Klassizismus sowie des Heimatstils. In Innsbruck gehen unter anderem die Handelsakademie, der Friedhof Pradl, die Dermatologische Klinik im Klinikareal, der Städtische Kindergarten in der Michael-Gaismair-Straße, die Trainkaserne (heute ein Wohnhaus im Saggen) und das Tiroler Landeskonservatorium auf Klinglers Konto. Ein sehenswertes Gebäude im Heimatstil ist das Ulrichhaus am Berg Isel, das heute den Alt-Kaiserjäger-Club beheimatet. Als Leiter des Bauamts hatte er aber auf alle größeren Projekte dieser Zeit seinen Einfluss. Während die von Klingler direkt verantworteten Gebäude moderat und funktional sind, gestalteten sich die bürgerlichen Gebäude wie das Winklerhaus (70) oder die Villen im Saggen durchaus prunkvoll. Auch einige Miethäuser wurden im Stil des Klassizismus angelegt. Die Wiederbelebung der Antike stand in der Architektur hoch im Kurs. Vor allem bis 1900 waren klare Formen, Masken, Statuen und Säulen stilprägende Elemente bei der Anlage neuer Gebäude. Die Aufklärung, die sich an der Vernunft antiker Denker orientierte bekam auch in den Gesichtern der Städte ihren fixen Platz. In einem teils wilden Mix wurden die Vorstellungen, die Architekten vom klassischen Griechenland und dem alten Rom hatten, verwirklicht. Straßenzüge wie die Sonnenburgstraße, die Stafflerstraße, die Kaiser-Josef-Straße oder die Claudiastraße zeigen den Stil der Zeit. Die Änderungen der Nachkriegszeit hin zu einer zweckorientierten Architektur, zum Beispiel das Städtische Hallenbad oder den Pembaurblock erlebte Klingler nicht mehr