Das Heilige Römische Reich

Quaternionenadler Innsbruck
Das Heilige Römische Reich

Über mehr als 1000 Jahre war Tirol ein Land des Heiligen Römischen Reiches. Tiroler waren somit Untertanen des Kaisers. Und Untertanen des Tiroler Landesfürsten. Und ihres Grundherrn. Falls sie das Bürgerrecht hatten, waren sie auch Innsbrucker. Und sehr wahrscheinlich auch Christen mit römisch-katholischem Glauben. Was sie nicht waren, zumindest nicht bis 1806, war Österreicher, auch wenn das allzu oft anders dargestellt wird. Das Treueverhältnis eines Untertanen galt seinem Herrscher, umgekehrt war der Herrscher dazu verpflichtet seine Untertanen zu beschützen. Innerhalb des feudalen Lehensystems erhielten Lehensmänner von ihren Lehensherren Ländereien, die sie vererben konnten. Dafür waren sie dem Lehensherrn zu Treue und Gefolgschaft verpflichtet. Diese Treue mag uns als Staatsbürgern moderner Prägung fremd erscheinen, sind die Pflichten heutzutage über Steuern, Pflichte zur Einhaltung von Gesetzen, Wahlen oder Präsenzdienst abstrakter und wesentlich weniger persönlich. Bis ins 20. Jahrhundert hinein baute das monarchische System aber genau darauf auf. Der „österreichische“ Militär Prinz Eugen mag französischer Abstammung gewesen sein, trotzdem kämpfte er in der Armee Leopolds I., des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches gegen Frankreich. Er war ein Untertan des Erzherzogs von Österreich mit Wohnsitzen in Wien und Ungarn. Karl V. wurde im heute belgischen Gent geboren, wuchs am burgundischen Hof auf, wurde spanischer König, bevor er das Erzherzogtum Österreich erbte und später zum Kaiser gewählt wurde. Was aber war dieses Heilige Römische Reich. Und wer war der Kaiser? Und war er wirklich mächtiger als der König?

Als Karl der Große im Jahr 800 in Rom zum Römisch-Deutschen Kaiser gekrönt wurde, trat er das Erbe der römischen Kaiser unter Patronanz und gleichzeitig als Schutzherr des Papstes an. Der Herzog von Bayern war sein Lehensmann, dessen Machteinfluss auch das Gebiet des heutigen Innsbrucks umfasste. Von einem Land namens Österreich war zu dieser Zeit nach lange keine Rede. Das Gebiet war ein Teil dieses Heiligen Römischen Reiches, das erst 1806 während der napoleonischen Kriege und der Ausrufung des Kaiserreiches Österreich aufhörte zu existieren. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, dessen Oberhaupt der Kaiser war, darf man sich nicht als Nationalstaat moderner Prägung vorstellen. Germanicus zu sein bedeutete nicht, Deutscher zu sein, es bezog sich meist auf die Alltagssprache, die eine Person verwendete. Es war ein Zusammenschluss einzelner Länder, geprägt von Konflikten und Zankereien um Macht, sowohl zwischen den Fürsten des Reiches untereinander wie auch zwischen den Fürsten und dem Kaiser. Im Reichstag hatten die Fürsten Sitz und Stimme, der Kaiser war in seinen Entscheidungen trotz seines Vorsitzes von ihnen abhängig. Um sich durchzusetzen, bedurfte er einer starken Hausmacht. Die Habsburger konnten auf die österreichischen Erblande zurückgreifen. Sie waren aber nicht davor gefeit, in Kriege mit dem Herzog von Bayern verwickelt zu werden, obwohl beide Mächte dem Heiligen Römischen Reich angehörten. Das Kaiserreich hatte keine Hauptstadt. Das Zentrum des Reiches war dort, wo der Kaiser war, der seine Residenzen immer wieder änderte. Es gab weder Nationalstaaten noch die Vorstellung eines Europas im Sinne der heutigen Europäischen Union. So gehörten zum Beispiel im 17. und 18. Jahrhundert nicht alle Länder der Habsburger zum Heiligen Römischen Reich. Die Nationalität und gefühlte Zugehörigkeit spielte für die Staatszugehörigkeit, bis ins 19. Jahrhundert weniger eine Rolle als heute. Das Christentum war das Band, das vieles zusammenhielt. Man war Innsbrucker, Tiroler, Christ, Untertan seines Gutsherrn, des Bischofs und des Kaisers mit jeweils wechselnden Verbindlichkeiten und Treueverhältnis. Diese Tradition setzt sich heute noch im Commonwealth vor. Als Kanadier ist man noch immer Untertan des Königs von Großbritannien, auch wenn man nicht Brite ist.

Das Kaisertum war als Wechselbeziehung zwischen irdischer und himmlischer Macht legitimiert. Der Kaiser wurde vom Papst gesalbt. Der Kaiser war im Gegenzug die Schutzmacht des Heiligen Stuhls auf Erden. Das lateinische Europa mit dem römischen Christentum basiert auf dieser Idee der zwei Schwerter, des himmlischen und des weltlichen. Durch das gesamte Mittelalter war die Superiorität zwischen Kaiser und Papst ein steter Konfliktherd. Besonders die Frage, ob Bischöfe vom Papst oder vom Kaiser eingesetzt wurden, prägte Europas Geschichte bis ins 15. Jahrhundert. Institutionen wie das Reichskammergericht oder der Reichstag wurden erst im späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit eingeführt, um die Verwaltung zu erleichtern und Streitigkeiten unter den einzelnen Landesfürsten beizulegen. Die Goldene Bulle, die unter anderem die Wahl des Kaisers regelten, war eine sehr einfache Form einer frühen Verfassung. Drei geistliche und 4 weltliche Kurfürsten wählten ihr Oberhaupt. Der Kaiser hatte zwar Vorrang in Europa und war Reichslehensherr, trotzdem musste er über eine starke Hausmacht verfügen, um seine Rechte auch durchsetzen zu können. Die Römisch-Deutschen Kaiser verstanden sich als direkte Nachfolger der Römischen Kaiser der Antike. Für gläubige Christen war es laut der Lehre der Vier Weltreiche von enormer Wichtigkeit, dass dieses Kaisertum fortbestand. Grundlage der Lehre der Vier Weltreiche war das Buch Daniel des Alten Testaments. In dieser Geschichte wird der Traum des babylonischen Königs Nebukadnezar erzählt, der vier irdische Reiche aufeinanderfolgen sieht. Nach diesen vier Weltreichen geht laut dem Glauben die Welt unter. Der Kirchenvater Hieronymus deutete diese vier Reiche um 400 nach Christus als die Abfolge Babylon, Persien, Griechenland und eben dem Römischen Kaiserreich. Damit legitimierte er den Herrschaftsanspruch Roms. Das Ende der römischen Herrschaft bedeutete im Glauben des Mittelalters gleichzeitig das Ende der Welt und somit durfte Rom nicht untergehen. Über diese sogenannte Translatio Imperii, also die Übertragung des Rechtsanspruchs des Imperium Romanum der Antike auf die Römisch Deutschen Kaiser nach Karl dem Großen, wurde die Beständigkeit Roms formell gewahrt und die Erde konnte fortbestehen. Dass sie 1806 mit Ende des Heiligen Römischen Reiches nicht unterging, kann man in wohlwollendem Sinne den Habsburgern positiv ankreiden.

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