Der „Boarische Rummel“ und der Spanische Erbfolgekrieg
Der Boarische Rummel und der Spanische Erbfolgekrieg
Der Boarische Rummel als Teil des Spanischen Erbfolgekriegs veranschaulicht, wie eine kleine Stadt wie Innsbruck zu Zeiten der großen Koalitionskriege in die Wirren der Weltpolitik gelangen konnte. Als 1700 mit Karl II. von Spanien der letzte Habsburger der spanischen Linie den Thron ohne Erben hinterließ, entbrannte der Spanische Erbfolgekrieg zwischen den Weltmächten, die sich in wechselnden Allianzen rund um den Globus gegenüberstanden. Die österreichischen Habsburger wollten Karl VI., den Vater Maria Theresias, auf den Thron bringen. Der französische König Ludwig XIV. wollte seinen Landsmann Philipp II. von Anjou in der Nachbarschaft an der Macht sehen, um nicht von Osten und Westen von den Habsburgern bedrängt zu werden. Die bayerischen Wittelsbacher wollten Josef Ferdinand inthronisieren, dieser starb aber sehr zum Leidwesen der Bayern bereits 1699. Über häufig wechselnde Bündnisse mischten auch Niederländer, Großbritannien - ja sogar Schweden und Russen mit. Der Spanische Erbfolgekrieg war ein Konflikt, in dem die Bündnisse häufig wechselten und es weniger um regionale Landgewinne als um Vorherrschaften und Kolonien ging. Was aber hat das mit Innsbruck zu tun? 1703 erhob Kurfürst Max II. von Bayern Anspruch auf die Grafschaft Tirol, die im frühen Mittelalter Teil des Herzogtums Bayern war. Die Bayern, Bündnispartner der Franzosen, waren zwar am Papier noch Mitglieder des Heiligen Römischen Reiches, lehnten sich faktisch aber gegen den eigenen Kaiser auf. Um ihren Anspruch auf Tirol militärisch zu untermauern, marschierten sie mit 12.000 Mann über Kufstein nach Innsbruck. Relativ schnell konnten sie den Raum um Innsbruck erobern, um sich hier mit den Truppen des französischen Bündnispartners, der aus Italien Richtung Tirol marschierte, zu vereinigen. Tirol war von den Habsburgern vernachlässigt worden, war das Hauptaugenmerk doch eher nach Osten als in den Wilden Westen des Reichs gerichtet. Bei einer Schlacht an der Pontlatzerbrücke bei Landeck konnten die Tiroler einen Erfolg feiern, der die Wende brachte. Die Verteidiger schworen sich dabei auf das Herz-Jesu (98) ein, einen Schwur, den sie 1809 (99) an selber Stelle während des Tiroler Aufstandes erneut leisteten und der bis heute alljährlich im Juni von den Tiroler Schützen erneuert wird. Südtiroler Truppen und Oberinntaler Truppen, zu großen Teil aus der Landbevölkerung schnell rekrutiert, boten den Fremdmächten erfolgreich Paroli. Die zahlenmäßig unterlegenen Tiroler Schützen waren im Guerillakrieg in unwegsamem Gelände den großen Armeen, die für Feldschlachten ausgebildet und ausgestattet waren, ebenbürtig. Geschickt nützten sie die bessere Ortskenntnis und ihre Fähigkeiten als Scharfschützen aus. Rasch rückten von Südtirol her auch reguläre Truppen der Habsburger nach, um die Tiroler zu unterstützen. So konnte die bayrische Fremdherrschaft am 26. Juli, dem Sankt-Anna-Tag, wieder aus Innsbruck vertreiben, zumindest fürs erste war der Schrecken vorbei. Aus diesem Anlass beschlossen die Tiroler Landstände bestehend aus Adel, Klerus, Bauern und Bürgertum die Annasäule zu errichten. Die Tiroler Bauern warfen dem offiziellen Österreich nicht zu Unrecht die Vernachlässigung der Landesverteidigung vor. In einer Welle des Zorns ergoss sich Gewalt gegen alle möglichen Stellen wie das Stift Wilten, wo die Bayern Quartier bezogen hatten. Auch das ohnehin historisch schlechte Verhältnis zwischen Stadt- und Landbevölkerung wurde durch den Empfang, den ein Teil der Bürgerschaft Innsbrucks dem bayerischen Landesfürsten Max Emanuel bereitet hatte, nicht verbessert. Die Unzufriedenheit der Tiroler Landbevölkerung mit der offiziellen Landesverteidigung und der Zorn auf Bayern und Franzosen, die 1809 im Aufstand unter Andreas Hofer gipfelten, reicht bis in diese Zeit zurück. Der Boarische Rummel, wie der kurze Kampf um Tirol genannt wurde, klingt nur oberflächlich nach einem Scharmützel. 1704 kam es in der Schlacht von Höchstädt zu einer bayrischen Niederlage gegen die Habsburger. In der Folge besetzten österreichische Truppen München besetzen. Nun war es andersherum, die Bayern erhoben sich gegen die Habsburger. Unter anderem kam es dabei zur bekannten Sendlinger Mordweihnacht, bei der habsburgische Truppen etwa 1000 Soldaten, die sich eigentlich schon ergeben hatten, niedermetzeln ließen. Das komplizierte Verhältnis zwischen den Tirolern, den Innsbruckern und den Bayern, die ihre Anrechte auf Tirol bis in die Zeit der Spätantike zurückdatierten, war ein Phänomen, von dem das Land lange begleitet wurde.