Der Erste Weltkrieg und die Zeit danach
Der Erste Weltkrieg und die Zeit danach
Auch in Innsbruck war die Begeisterung für den Krieg 1914 groß gewesen. Vom Nationalismus und der Begeisterung für „Gott, Kaiser und Vaterland“ der Zeit angetrieben, begrüßten Bauernsöhne und Studenten den Krieg zum allergrößten Teil einhellig. Klerus und Presse stimmten in den allgemeinen Jubel mit ein und heizten die Sache weiter an. Besonders „verdient“ machten sich dabei Theologen wie Joseph Seeber (1856 – 1919) und Anton Müllner alias Bruder Willram (1870 – 1919) die mit ihren Predigten und Schriften wie „Das blutige Jahr“ den Krieg zu einem Kreuzzug gegen Frankreich und Italien erhoben.
Viele Innsbrucker meldeten sich freiwillig für den Feldzug gegen Serbien, von dem man dachte, er wäre eine Angelegenheit weniger Wochen oder Monate. Von außerhalb der Stadt kam eine so große Anzahl an Freiwilligen zu den Stellungskommissionen, dass Innsbruck beinahe aus allen Nähten platzte. Wie anders es kommen sollte, konnte keiner ahnen. Schon nach den ersten Schlachten im fernen Galizien war klar, dass es keine Sache von Monaten werden würde.
1915 trat das Königreich Italien an der Seite Frankreichs und Englands in den Krieg ein. Damit ging die Front quer durch das damalige Tirol. Vom Ortler im Westen über den nördlichen Gardasee bis zu den Sextener Dolomiten fanden die Gefechte des Gebirgskriegs statt. Innsbruck war nicht direkt von den Kampfhandlungen betroffen. Zumindest hören konnte man das Kriegsgeschehen aber bis in die Landeshauptstadt, wie in der Zeitung vom 7. Juli 1915 zu lesen war:
„Bald nach Beginn der Feindseligkeiten der Italiener konnte man in der Gegend der Serlesspitze deutlich Kanonendonner wahrnehmen, der von einem der Kampfplätze im Süden Tirols kam, wahrscheinlich von der Vielgereuter Hochebene. In den letzten Tagen ist nun in Innsbruck selbst und im Nordosten der Stadt unzweifelhaft der Schall von Geschützdonner festgestellt worden, einzelne starke Schläge, die dumpf, nicht rollend und tönend über den Brenner herüberklangen. Eine Täuschung ist ausgeschlossen. In Innsbruck selbst ist der Donner der Kanonen schwerer festzustellen, weil hier der Lärm zu groß ist, es wurde aber doch einmal abends ungefähr um 9 Uhr, als einigermaßen Ruhe herrschte, dieser unzweifelhafte von unseren Mörsern herrührender Donner gehört.“
Bis zur Verlegung regulärer Truppen von der Ostfront hing die Landesverteidigung an den Standschützen, einer Truppe, die aus Männern unter 21, über 42 oder mit Untauglichkeit für den regulären Militärdienst bestand. Täglich trafen wenig erbauliche Neuigkeiten der Front, Särge und Kriegsgefangene ein. Verwundetentransporte luden Menschenmaterial für die Lazarette im Hinterland ab. Um der großen Zahl an Gefallenen Herr zu werden, wurde der Militärfriedhof Pradl angelegt.
Die Bevölkerung in Innsbruck litt unter Mangel, vor allem im letzten Winter, der als Hungerwinter in die europäische Geschichte einging. Die Versorgung erfolgte in den letzten Kriegsjahren über Bezugsscheine. 500 g Fleisch, 60 g Butter und 2 kg Kartoffel waren die Basiskost pro Person – pro Woche, wohlgemerkt. Auf Archivbildern kann man die langen Schlangen verzweifelter und hungriger Menschen vor den Lebensmittelläden sehen.
Im Oktober 1918 kam es zu Fliegeralarm, Schaden entstand keiner. Zu dieser Zeit war den meisten Menschen schon klar, dass der Krieg verloren war, und welches Schicksal Tirol erwarten würde, wie dieser Artikel vom 6. Oktober 1918 zeigt:
„Aeußere und innere Feinde würfeln heute um das Land Andreas Hofers. Der letzte Wurf ist noch grausamer; schändlicher ist noch nie ein freies Land geschachert worden. Das Blut unserer Väter, Söhne und Brüder ist umsonst geflossen, wenn dieser schändliche Plan Wirklichkeit werden soll. Der letzte Wurf ist noch nicht getan. Darum auf Tiroler, zum Tiroler Volkstag in Brixen am 13. Oktober 1918 (nächsten Sonntag). Deutscher Boden muß deutsch bleiben, Tiroler Boden muß tirolisch bleiben. Tiroler entscheidet selbst über Eure Zukunft!“
Am 4. November vereinbarten Österreich-Ungarn und das Königreich Italien schließlich einen Waffenstillstand. Damit verbunden war das Recht der Alliierten Gebiete der Monarchie zu besetzen. Bereits am nächsten Tag rückten bayerische Truppen in Innsbruck ein. Der österreichische Verbündete Deutschland befand sich noch im Krieg mit Italien und hatte Angst, die Front könnte nach Nordtirol näher an das Deutsche Reich verlegt werden. Zum großen Glück für Innsbruck und die Umgebung kapitulierte aber auch Deutschland eine Woche später am 11. November. So blieben die großen Kampfhandlungen zwischen regulären Armeen außen vor.
Trotzdem war Innsbruck in Gefahr. Gewaltige Kolonnen an militärischen Kraftfahrzeugen, Züge voller Soldaten und tausende ausgezehrte Soldaten, die sich zu Fuß auf den Heimweg von der Front machten, passierten die Stadt. Um die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, bildeten sich Wehrgruppen aus Schülern, Studenten, Arbeitern und Bürgern. Die Stadt musste nicht nur die eigenen Bürger in Zaum halten, die Verpflegung garantieren, sondern sich auch vor Plünderungen schützen.
Am 23. November 1918 besetzten italienische Truppen die Stadt und das Umland. Der beschwichtigende Aufruf an die Innsbrucker von Bürgermeister Greil, die Stadt ohne Aufruhr zu übergeben, hatte Erfolg. Es kam kaum zu Ausschreitungen.
Die wirtschaftlichen Aussichten in Innsbruck waren in den Nachkriegsjahren miserabel. Die Republik Deutschösterreich war zwar ausgerufen, wie es mit Tirol weitergehen sollte, war unklar. Bei den Friedensverhandlungen in Paris war wurde der Brenner zur neuen Grenze erklärt. Das historische Tirol war zweigeteilt. Viele Menschen zu beiden Seiten des Brenners fühlten sich verraten. Man hatte den Krieg zwar bei Weitem nicht gewonnen, als Verlierer gegenüber Italien sah man sich aber nicht. Der Hass auf Italiener erreichte in der Zwischenkriegszeit seinen Höhepunkt. Eine Passage aus dem Erzählband „Die Front über den Gipfeln“ des nationalsozialistischen Autors Karl Springenschmid spiegelt die allgemeine Stimmung wider:
„`Walsch (Anm.:Italienisch) werden, das wär das Ärgste!` sagt die Junge.
Da nickt der alte Tappeiner bloß und schimpft: `Weiß wohl selber und wir wissen es alle: Walsch werden, das wär das Ärgste.`“
Der Anschluss an Deutschland erhielt bei einer Abstimmung in Tirol einen Zuspruch von 98% in Tirol, kam aber nie zustande. Auch eine eigene Republik mit Bayern stand im Raum. Viele Menschen, besonders Beamten und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, hatten ihre Arbeit verloren. Der Fremdenverkehr war inexistent. Erst 1923, mit der Währungssanierung unter Kanzler Ignaz Seipel begann sich Innsbruck langsam zu erholen.
Erinnerungsorte an den Ersten Weltkrieg finden sich in Innsbruck vor allem an Kirchen, die der gefallenen Gemeindemitglieder gedenken, und Friedhöfen. Besonders interessant ist der Pradler Friedhof. Den beiden Theologen Anton Müllner und Josef Seeber sind Innsbrucker Straßennamen gewidmet.
Sehenswürdigkeiten dazu…
Verbindungshaus Austria
Josef-Hirn-Straße
Johanneskirche
Bischof-Reinhold-Stecher-Platz
Pembaurblock
Pembaurstraße 31 – 41
Militärfriedhof & Pradler Friedhof
Kaufmannstraße / Wiesengasse
Alter Militärfriedhof Pradl
Anzengruberstraße
Turnusvereinshaus
Innstraße 2
Panoramagebäude
Rennweg 39
Tummelplatz
Haltestelle Tummelplatz