Die Reichskristallnacht in Innsbruck
Reichskristallnacht in Innsbruck
Wie viele andere deutsche und österreichische Städte war auch Innsbruck Tatort während der Ereignisse, die sich in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 abspielten und als Reichskristallnacht und Novemberpogrome einen der traurigsten Teile der jüngeren Geschichte bilden. Das NS-Regime nahm das Attentat eines polnisch-jüdischen Studenten auf den deutschen Botschafter in Paris zum Anlass für die organisierten Pogrome. Ausgehend von der Parteispitze rund um Adolf Hitler wurden die Befehle an die lokalen Vertretungen in den Städten des Deutschen Reichs gegeben, um die Entjudung Deutschlands und die Arisierung, die Enteignung der jüdischen Bevölkerung, zu beschleunigen.
Im Gegensatz zu jüdischer Bevölkerung und Kultur war Antisemitismus gängige Tradition. Innsbruck war das Zentrum jüdischen Lebens in Tirol, eine nennenswerte Anzahl jüdischer Bürger gab es allerdings nie. Die ersten Zuzügler jüdischen Glaubens waren im Mittelalter in die Stadt gekommen. Anfang des 16. Jahrhunderts wurde der jüdische Friedhof am Judenbühel in St. Nikolaus erstmals erwähnt. 1864 musste die Grablege in den Westfriedhof verlegt werden, nachdem sie zuvor mehrmals beschädigt worden war. 1880 waren es nur 109 Juden, die in Innsbruck gemeldet waren. In den Tagen vor dem Ersten Weltkrieg, in dem jüdische Soldaten als Untertanen der Habsburgermonarchie regulär ihren Dienst leisteten, zählte Innsbruck 500 jüdische Bürger.
Politische Fraktionen bauten ihre Programme auch lange vor dem Aufstieg der Nationalsozialisten auf Antisemitismus auf. Die Partei Christlicher Mittelstand warnte ihre Wähler vor den „schädlichen Juden“ per Flugblatt vor den Wahlen des Jahres 1889 zu warnen. In den Kirchen waren antisemitische Predigten und die Legende des Ritualmordes im Tiroler Gewand vom Anderle von Rinn an der Tagesordnung. Der in Tirol populäre Theologe Josef Seeber verfasste mit seiner Version des Ewigen Juden eine epische, antisemitische Ballade.
Neu war 1938 die Gewalt, die sich offen zeigte. Am 9. November wurde im Stadttheater zur Erinnerung an den nationalsozialistischen Putschversuch von 1923 in München eine Feier abgehalten. Das Publikum wurde mit Vorführungen der Hitlerjugend sowie Richard Wagners Lohengrin auf die Angelobung der SS-Mitglieder am Adolf-Hitler-Platz vor dem Theater eingestimmt.
Nach Mitternacht versammelten sich Gauleiter Hofer und hochrangige Mitglieder der SS, um die Details der zu folgenden „spontanen Erhebung des Deutschen Volkes gegen die Juden“ durchzugehen. Wohnungen und Geschäfte von Juden wurden zerstört. Jüdische Bürger wurden misshandelt und verprügelt. Richard Berger, Wilhelm Bauer und Richard Graubart kamen zu Tode. Mehr oder minder die gesamte jüdische Bevölkerung wurde in den Tagen nach der Reichspogromnacht nach Wien zwangsübersiedelt.
Innsbruck war, betrachtet man die Relation des kleinen jüdischen Bevölkerungsanteils zu den Opferzahlen, eine der am brutalsten agierenden Städte im Deutschen Reich im Rahmen der Novemberpogrome. Gut dokumentiert ist die Ermordung Richard Graubarts. Er führte ein Schuhgeschäft in der Museumstraße. Mit seiner Familie bewohnte er eine Villa in der Gänsbacherstraße im Stadtteil Saggen. Unter Leitung des SS-Hauptsturmführers Hans Aichinger drangen seine Mörder, die er zum Teil persönlich kannte, in die Wohnung der Familie ein. Graubart wurde erstochen, der eine Stunde später eintreffende Arzt konnte nur noch seinen Tod feststellen. Die Villa war bereits vor der Tat an einen NS-Parteifunktionär vergeben worden, ebenso der restliche Besitz der Familie Graubart. In der Neuesten Zeitung vom 10. November stand zu lesen:
„Synagoge in Innsbruck ist zerstört… Ähnlich wie in allen Städten Deutschlands fanden solche Proteste auch in Innsbruck statt…. Die Menschenmenge demonstrierte mit ihrer Wut die Empörung über das grausame Blutvergießen und rief zu Maßnahmen gegen Juden auf…. Um weitere Unruhe zu vermeiden waren viele Juden verhaftet… Übrigens freu sich die Stadt Innsbruck und unser Gau ziemlich bald von jüdischer Last befreit zu werden, indem massenweise ein Prozess der Arisierung eingesetzt wird.“
Als es nach dem Krieg zum Prozess vor dem Volksgericht am Landesgericht Innsbruck rund um die Ausschreitungen kam, wurde keiner der Angeklagten wegen Mordes verurteilt. Rudolf Schwarz und Robert Huttig, zwei der Männer, die Richard Graubart ermordet hatten, wurden 1947 zu 11 bzw. 10 Jahren Haft verurteilt, allerdings 1951 bereits begnadigt und aus dem Gefängnis entlassen.
Es dauerte bis 1981, bevor die Stadt Innsbruck eine Erinnerungstafel am Ort der 1938 zerstörten Synagoge anbrachte. 1993 wurde an selber Stelle in der Sillgasse die neue Synagoge im Beisein des bis heute beliebten Innsbrucker Bischofs Stecher eröffnet. Zur Einweihung erhielt die kleine jüdische Gemeinde Tirols und Vorarlbergs ein besonderes Geschenk. Im November 1938 hatten die damaligen Nachbarn den Schlüssel der zerstörten Tür der alten Synagoge abgezogen und aufbewahrt, der an diesem Tag zurückgegeben wurde.
Sehenswürdigkeiten dazu…
Landhausplatz & Tiroler Landhaus
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