Rapoldi Park

Leipziger Platz

Worth knowing

Zwischen Leipzigerplatz, Sill und den Pradler Bauernhöfen beim Florianibrunnen erstreckt sich eine der grünen Oasen Innsbrucks. Der Rapoldipark ist ob seiner zentralen Lage, den vielfältigen Möglichkeiten und der gepflegten Gartenanlage beliebt bei Alt und Jung. Die Entwicklung von ein paar Spazierwegen hin zum Sport- und Spielparadies dauerte fast 100 Jahre.

Den Anfang nahm der Park zwischen dem 1861 in Betrieb gegangenen Gaswerk und dem Leipziger Platz. Neben den herrschaftlichen Bürgerhäusern erhielt sich eine kleine unverbaute Fläche. Während der von Hunger geprägten letzten Jahre des Ersten Weltkrieges wurden hier Schrebergärten zur Versorgung der Bevölkerung angelegt.

Nach dem Krieg wurden die freigewordenen Flächen südlich des Gaswerks in einen Park umgebaut. Der Rapoldipark war ein typisches Projekt der Ersten Republik. Die von jungen Bäumen gesäumten Spazierwege und Bänke vor dem mächtigen Werksgebäude sollten der in Pradl ansässigen Arbeiterschaft ein wenig Ruhe und Erholung ermöglichen. Die Grundstruktur des alten, südlichen Teils des Parks beruht noch immer auf diesen Plänen.

Die offizielle Eröffnung als Parkanlage fand 1927 statt, zwei Jahre vor der Fertigstellung des benachbarten Städtischen Hallenbades. Namensgeber war der kurz zuvor verstorbene Politiker Martin Rapoldi (1880 – 1926), der sich im Arbeiterbezirk Pradl höchster Beliebtheit erfreut hatte. Rapoldi und seine Frau Maria zählten zu den einflussreichsten Persönlichkeiten der frühen Tiroler Sozialdemokratie. Martin war maßgeblich an Aufbau und Herausgabe der Tageszeitung Volks-Zeitung beteiligt. Als Abgeordneter im Tiroler Landtag und im ersten gewählten Nationalrat der Ersten Republik sowie als Vizebürgermeister Innsbrucks setzte er sich für die Bedürfnisse der Arbeiterschaft ein. Fast noch beeindruckender liest sich die Vita seiner Frau Maria. Sie war ein frühes Mitglied der Frauenorganisation der Sozialdemokratie. Nach dem Verbot der Partei unter Bundeskanzler Dollfuß engagierte sich die junge Witwe zuständig für die Versorgung der Familien eingesperrter Genossen und wurde nach dem Anschluss Österreichs 1938 als Mitglied der Arbeiterbewegung verhaftet. 1946 wurde sie in den Innsbrucker Gemeinderat einberufen.

Auch während des Zweiten Weltkrieges und den ersten Jahren der Nachkriegszeit wurde die Anlage wieder als Ackerfläche genutzt. 1958 wurde das sehenswerte, aber nicht unumstrittene Symbol des Rapoldiparks aufgestellt. Der Künstler Hans Plangger (1899 – 1971) hatte den Salige-Fräulein-Brunnen 1944 für die Gau art exhibition Tyrol-Vorarlberg entworfen. Der gebürtige Südtiroler Plangger hatte sein Studium wie viele seiner Künstlerkollegen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bei Josef Müllner an der Akademie der Bildenden Künste absolviert. Seinen Einstieg in die nationalsozialistischen Kunstszene schaffte er 1937 auf der Großen Deutsche Kunstausstellung in München. Er zählte dank seiner klaren Formensprache und Ästhetik zu den geförderten Künstlern des Systems. Ursprünglich geplanter Aufstellungsort war der Rennweg. Dort sollte es als Hintergrund und Aufputz für Aufmärsche der Nationalsozialisten dienen. Das monumentale, aus einem Marmorblock gefertigte Kunstwerk zeigt drei barbusige Frauen und einen Faun. Die Saligen Frauen sind Sagengestalten aus dem alpinen Raum vorchristlicher Zeiten. Sie galten in vielen europäischen Kulturen in verschiedener Form als Archetyp für Reinheit und Weisheit. In vielen Geschichten und Überlieferungen werden sie als Bewahrer vor Missernten, Unglück und Unfruchtbarkeit geschildert. Plangger gab ihnen am Brunnen die Form der idealisierten, arisch-tugendhaften Frau, stark und weiblich-mütterlich zugleich.

1974 wurde das Gaswerk etwas weiter in den Osten an den Sillzwickl verlegt. Der Spirit der 1970er, aus dem später die ersten Umweltschutzbewegungen hervorgehen sollten, machte sich in der Bevölkerung und der Stadtplanung bemerkbar. Anders als auf den Zelgergründen bei der Triumphpforte, wo 45 Jahre zuvor anstatt eines Parks das umstrittene Hochhaus gebaut wurde, zeigte man Mut zum Grünen. Eine Bürgerbefragung ergab, dass der neue, nördliche Teil des Rapoldiparks nicht als distanzierte viktorianische Anlage, sondern naturbelassen gestaltet werden sollte. Innerhalb von drei Jahren entstanden an der ehemaligen Stelle des kohleverbrennenden Gaswerks ein Spielplatz, eine Liegewiese, ein Sportplatz, Tischtennistische, Bocciabahnen und der Ententeich. Während der jüngsten Renovierungen veränderte sich der Park vom naturbelassenen Projekt der 1970er nur in Details.

Auch dieser neue Teil erhielt in den 1980er Jahren einen Brunnen. Der in Pradl aufgewachsene Künstler Helmut Schober gestaltete gemeinsam mit dem Mailänder Architekten Flavio Conti eine bronzene Brunnenskulptur auf einem mit Natursteinen gepflasterten Viereck. Der Kreis, der für das Göttliche steht, verbindet sich mit dem Quadrat, dem Symbol für das Weltliche. Die gewellte Oberfläche des Kreises wird vom Wasser sanft umspült und symbolisiert Christus, der von Thomas von Aquin mit einer das Universum überflutenden Welle verglichen wurde.

Der Rapoldipark genoss nicht immer den besten Ruf. Obdachlose und Drogenabhängige suchten den Park ebenso gerne auf wie Familien. Pradler sind trotzdem stolz auf ihre grüne Lunge am Rand der Innenstadt, frei nach dem Motto: „In Pradl wohnt der Adel".

A First Republic emerges

Few eras are more difficult to grasp than the interwar period. The Roaring TwentiesJazz and automobiles come to mind, as do inflation and the economic crisis. In big cities like Berlin, young ladies behaved as Flappers with a bobbed head, cigarette and short skirts, lascivious to the new sounds, Innsbruck's population, as part of the young Republic of Austria, belonged for the most part to the faction of poverty, economic crisis and political polarisation.

Although the Republic of German-Austria had been proclaimed, it was unclear how things would continue in Austria. The monarchy and nobility were banned. The bureaucratic state of the k.u.k. Empire was seamlessly established under a new flag and name. As the successors to the old crown lands, the federal states were given a great deal of room for manoeuvre in legislation and administration within the framework of federalism. However, enthusiasm for the new state was limited. Not only was the supply situation miserable after the loss of the vast majority of the former Habsburg empire, but people also mistrusted the basic idea of the republic. The monarchy had not been perfect, but only very few people could relate to the idea of democracy. Instead of being subjects of the emperor, they were now citizens, but only citizens of a dwarf state with an oversized capital that was little loved in the provinces instead of a large empire. In the former crown lands, most of which were governed by Christian socialists, people liked to speak of the Viennese water headwho was fed by the yields of the industrious rural population.

Austria was deeply divided. Capital and provinces, city and countryside, citizens, workers and farmers - in the vacuum of the first post-war years, each group wanted to shape the future according to their own ideas. The divide did not only exist on a political level. Morality, family, leisure activities, education, faith, understanding of the law - every area of life was affected. Who should rule? How should wealth, rights and duties be distributed? What should be done with public buildings such as barracks, castles and palaces?

The revolution in Russia and the ensuing civil war with millions of deaths, expropriation and a complete reversal of the system cast a long shadow over Europe. The prospect of Soviet conditions made people afraid. A communist coup was not a real danger, especially in Tyrol, but could be easily instrumentalised in the media as a threat to discredit social democracy.

Italian troops occupied Innsbruck for almost two years after the end of the war. At the peace negotiations in Paris, the Brenner Pass was declared the new border. The historic Tyrol was divided in two. The military was stationed at the Brenner Pass to secure a border that had never existed before and was perceived as unnatural and unjust. Many people on both sides of the Brenner felt betrayed. Although the war was far from won, they did not see themselves as losers to Italy. Hatred of Italians reached its peak in the interwar period, even if the occupying troops were emphatically lenient. A passage from the short story collection "The front above the peaks" by the National Socialist author Karl Springenschmid from the 1930s reflects the general mood:

"The young girl says, 'Becoming Italian would be the worst thing.

Da nickt der alte Tappeiner bloß und schimpft: `Weiß wohl selber und wir wissen es alle: Walsch werden, das wär das Ärgste.“

Die neu gegründete Tiroler Volkspartei stand Wien und der Sozialdemokratie gegenüber mindestens so ablehnend gegenüber wie den Italienern. Das neue Österreich erschien zu klein und nicht lebensfähig. Auch andere Bundesländer spielten mit dem Gedanken, sich von der Republik abzukoppeln, nachdem der von allen Parteien unterstützte Plan sich Deutschland anzuschließen von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs untersagt worden war. Die Tiroler Pläne allerdings waren besonders spektakulär. Von einem neutralen Alpenstaat mit anderen Bundesländern, einem Freistaat bestehend aus Tirol und Bayern oder von Kufstein bis Salurn, einem Anschluss an die Schweiz bis hin zu einem katholischen Kirchenstaat unter päpstlicher Führung gab es viele Überlegungen. Der Anschluss an Deutschland erhielt in Tirol bei einer Abstimmung in Tirol einen Zuspruch von 98%, kam aber nie zustande.

However, high politics was only the framework for the real problems. The epidemic that went down in history as the Spanish flu also took its toll in Innsbruck in the years after the war. Exact figures were not recorded, but the number of deaths worldwide is estimated at 27 - 50 million. Many Innsbruck residents had not returned home from the battlefields and were missing as fathers, husbands and labourers. Many of those who had made it back were wounded and scarred by the horrors of war. As late as February 1920, the "Tyrolean Committee of the Siberians" at the Gasthof Breinößl "...in favour of the fund for the repatriation of our prisoners of war..." a charity evening.

Viele Menschen, besonders Beamten und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, hatten ihre Arbeit verloren, nachdem der Völkerbund seine Anleihe an herbe Sparmaßnahmen geknüpft hatte. Der Tourismus als Wirtschaftsfaktor war ob der Probleme in den umliegenden, vom Krieg ebenfalls gebeutelten Ländern inexistent. Erst mit der Währungssanierung und der Einführung des Schillings 1925 als neuer Währung unter Kanzler Ignaz Seipel begann sich Innsbruck langsam zu erholen. Große Projekte wie das Tivoli, das Städtische Hallenbad, neue Schulen und Wohnblöcke konnten erst nach der Überwindung der ersten Nachkriegsprobleme entstehen.

Die erste Republik war eine schwere Geburt aus den Überbleibseln der einstigen Monarchie und sie sollte nicht lange halten. Trotz vielen Nachkriegsproblemen passierte in der Ersten Republik aber auch viel Positives. Aus Untertanen wurden Bürgern. Was in der Zeit Maria Theresias begann, wurde nun unter neuen Vorzeichen weitergeführt. Der Wechsel vom Untertanen zum Bürger zeichnete sich nicht nur durch ein neues Wahlrecht, sondern vor allem durch die verstärkte Obsorge des Staates aus. Schulen, Kindergärten, Arbeitsämter, Krankenhäuser und städtische Wohnanlagen traten an die Stelle des Wohlwollens reicher Bürger, der Monarchie und der Kirche. Die Zeiten waren schwer und das neue System noch nicht eingeschliffen.

Bis heute basiert vieles im österreichischen Staatswesen sowie im Innsbrucker Stadtbild und der Infrastruktur auf dem, was nach dem Zusammenbruch der Monarchie entstanden war. In Innsbruck gibt es keine bewussten Erinnerungsorte an die Entstehung der Ersten Republik in Österreich. Die denkmalgeschützten Wohnbauprojekte wie der Schlachthofblock, der Pembaurblock oder der Mandelsbergerblock im Saggen sowie in Pradl und Wilten sind Stein gewordene Zeitzeugen.

Risen from the ruins

Nach Ende des Krieges kontrollierten US-Truppen für zwei Monate Tirol. Anschließend übernahm die Siegermacht Frankreich die Verwaltung. Den Tirolern blieb die sowjetische Besatzung, die über Ostösterreich hereinbrach, erspart. Besonders in den ersten drei Nachkriegsjahren war der Hunger der größte Feind der Menschen. Der Mai 1945 brachte nicht nur das Kriegsende, sondern auch Schnee. Der Winter 1946/47 ging als besonders kalt und lang in die Tiroler Klimageschichte ein, der Sommer als besonders heiß und trocken. Es kam zu Ernteausfällen von bis zu 50%.

Die Versorgungslage war vor allem in der Stadt in der unmittelbaren Nachkriegszeit katastrophal. Die tägliche Nahrungsmittelbeschaffung wurde zur lebensgefährlichen Sorge im Alltag der Innsbrucker. Neben den eigenen Bürgern mussten auch tausende von Displaced Persons, freigekommenen Zwangsarbeitern und Besatzungssoldaten ernährt werden. Um diese Aufgabe zu bewältigen, war die Tiroler Landesregierung auf die Hilfe von außerhalb angewiesen. Der Vorsitzende der UNRRA (Anm.: United Nations Relief and Rehabilitation Administration), die Kriegsgebiete mit dem Nötigsten versorgte, Fiorello La Guardia zählte Österreich „zu jenen Völkern der Welt, die dem Hungertod am nächsten sind.

Milch, Brot, Eier, Zucker, Mehl, Fett – von allem war zu wenig da. Die französische Besatzung konnte den Bedarf an benötigten Kilokalorien pro Kopf nicht abdecken, fehlte es doch der eigenen Bevölkerung und den Einsatzkräften oft an der Versorgung. Bis 1946 entnahmen sie der Tiroler Wirtschaft sogar Güter.

Die Lebensmittelversorgung erfolgte schon wenige Wochen nach Kriegsende über Lebensmittelkarten. Erwachsene mussten eine Bestätigung des Arbeitsamtes vorlegen, um an diese Karten zu kommen. Die Rationen unterschieden sich je nach Kategorie der Arbeiter. Schwerstarbeiter, Schwangere und stillende Mütter erhielten Lebensmittel im „Wert“ von 2700 Kalorien. Handwerker mit leichten Berufen, Beamte und Freiberufler erhielten 1850 Kilokalorien, Angestellte 1450 Kalorien. Hausfrauen und andere „Normalverbraucher“ konnten nur 1200 Kalorien beziehen.

Zusätzlich gab es Initiativen wie Volksküchen oder Ausspeisungen für Schulkinder, die von ausländischen Hilfsorganisationen übernommen wurden. Aus Amerika kamen Carepakete von der Wohlfahrtsorganisation Cooperative for American Remittances to Europe. Viele Kinder wurden im Sommer zu Pflegehaushalten in die Schweiz verschickt, um wieder zu Kräften zu kommen und ein paar zusätzliche Kilo auf die Rippen zu bekommen.

Für alle reichten all diese Maßnahmen allerdings nicht aus. Vor allem Hausfrauen und andere „Normalverbraucher“ litten unter den geringen Zuteilungen. Viele Innsbrucker machten sich trotz der Gefahr, festgenommen zu werden, auf den Weg in die umliegenden Dörfer, um zu hamstern. Wer Geld hatte, bezahlte teils utopische Preise bei den Bauern. Wer keins hatte, musste um Nahrungsmittel betteln. Frauen, deren Männer gefallen, in Gefangenschaft oder vermisst waren, sahen in Extremfällen keinen anderen Ausweg, als sich zu prostituieren. Diese Frauen, besonders die unglücklichen, die schwanger wurden, mussten über sich und ihren Nachwuchs übelste Beschimpfungen ergehen lassen. Vom legalen Schwangerschaftsabbruch war man in Österreich noch 30 Jahre entfernt.

Die Politik stand dem zu einem großen Teil machtlos gegenüber. Alle Interessen zu befrieden, war schon in normalen Zeiten unmöglich. Viele Entscheidung zwischen dem Parlament in Wien, dem Tiroler Landtag und dem Innsbrucker Rathaus waren für die Menschen nicht nachvollziehbar. Während Kinder auf Obst und Vitamine verzichten mussten, wurde von manchen Bauern legal gewinnbringender Schnaps gebrannt. Amtsgebäude und Gewerbebetriebe bekamen vom Elektrizitätswerk Innsbruck freie Hand, während den Privathaushalten ab Oktober 1945 der Zugang zum Strom an mehreren Tagzeiten eingeschränkt wurde. Selbige Benachteiligung der Haushalte gegenüber der Wirtschaft galt für die Versorgung mit Kohle.

Auch die alten Gräben zwischen Stadt und Land wurden größer und hasserfüllter. Innsbrucker warfen der Umlandbevölkerung vor, bewusst Lebensmittel für den Schwarzmarkt zurückzuhalten. Es kam zu Überfällen, Diebstählen und Holzschlägerungen. Transporte am Bahnhof wurden von bewaffneten Einheiten bewacht. Der erste Tiroler Landeshauptmann Gruber, während des Krieges selbst illegal im Widerstand, hatte zwar Verständnis für die Situation der Menschen, die sich gegen das System auflehnten, konnte aber nichts daran ändern. Auch dem Innsbrucker Bürgermeister Anton Melzer waren die Hände gebunden. Es war nicht nur schwierig, die Bedürfnisse aller Interessensgruppen unter einen Hut zu bringen, immer wieder kam es unter der Beamtenschaft zu Fällen von Korruption und Gefälligkeiten gegenüber Verwandten und Bekannten. Grubers Nachfolger am Landeshauptmannsessel Alfons Weißgatterer musste gleich mehrere kleine Aufstände überstehen, als sich der Volkszorn Luft machte und Steine Richtung Landhaus flogen Die Antwort der Landesregierung erfolgte über die neue, konservativ geprägte Tiroler Tageszeitung:

Sind etwa die zerbrochenen Fensterscheiben, die gestern vom Landhaus auf die Straße klirrten, geeignete Argumente, um unseren Willen zum Wiederaufbau zu beweisen? Sollten wir uns nicht daran erinnern, dass noch niemals in irgendeinerm Lande wirtschaftliche Schwierigkeiten durch Demonstrationen und Kundgebungen beseitigt worden sind?

Auch wenn sich die Situation nach 1947 entspannte, blieben die Lebensumstände in Tirol prekär. Die Lebensmittelrationierungen wurde erst am 1. Juli 1953 eingestellt.

The housing situation was at least as bad. An estimated 30,000 Innsbruck residents were homeless, living in cramped conditions with relatives or in shanty towns such as the former labour camp in Reichenau, the shanty town for displaced persons from the former German territories of Europe, popularly known as the "Ausländerlager", or the "Ausländerlager". Bocksiedlung. There are few reminders of the disastrous state Innsbruck was in after the air raids of the last years of the war in the first years after the war. Tens of thousands of citizens helped to clear rubble and debris from the streets. Maria-Theresien-Straße, Museumstraße, the Bahnhofsviertel, Wilten and Pradlerstraße would probably have been much more attractive if the holes in the streetscape had not had to be quickly filled in order to create living space for the many homeless and returnees as quickly as possible.

Ästhetik aber war ein Luxus, den man sich in dieser Situation nicht leisten konnte. Die ausgezehrte Bevölkerung benötigte neuen Wohnraum, um den gesundheitsschädlichen Lebensbedingungen, in denen Großfamilien teils in Einraumwohnungen einquartiert waren, zu entfliehen. Wie schon nach dem Ersten Weltkrieg, als die Spanische Grippe viele Opfer forderte, kam es auch 1945 zu einem Anstieg gefährlicher Infektionen. Impfstoffe gegen Tuberkulose konnten im ersten Winter nicht geliefert werden. Auch Krankenhausbetten waren Mangelware.

Innsbruck hatte aber Glück im Unglück. Die französischen Truppen unter Emile Bethouart verhielten sich sehr milde gegenüber dem ehemaligen Feind und begegneten der Tiroler Kultur und Bevölkerung freundlich und aufgeschlossen. Stand man der Besatzungsmacht anfangs feindlich gesinnt gegenüber - schon wieder war ein Krieg verloren gegangen -  wich die Skepsis der Innsbrucker mit der Zeit. Die Soldaten waren vor allem bei den Kindern beliebt wegen der Schokoladen und Süßigkeiten, die sie verteilten. Viele Menschen erhielten innerhalb der französischen Verwaltung Arbeit. Manch ein Tiroler sah dank der Uniformierten der 4. Marokkanischen Gebirgsdivision, die bis September 1945 den Großteil der Soldaten stellten, zum ersten Mal dunkelhäutige Menschen.

Das Franzosendenkmal am Landhausplatz erinnert an die französische Besatzungszeit. Am Emile Bethouart footbridgeThe memorial plaque on the river Inn, which connects St. Nikolaus and the city centre, is a good expression of the relationship between the occupation and the population:

"Arrived as a winner.

Remained as a protector.

Returned home as a friend."

Life reform and social democracy

"Light air and sun" was the motto of the Lebensreform, a collective movement of alternative lifestyles that began in Germany in the late 19th century in step with the development of social democracy and the rise of the bourgeoisie. People wanted to distance themselves from what Max Weber described as the Protestant ethic, industry, time clocks and, in general, rapid technological progress with all its effects on people and the social fabric. The culture of the old society, in which the nobility and clergy stood above the rest of society, was to be overcome.

The Lebensreform influenced art and architecture in particular. Urbanisation and the associated living conditions were increasingly perceived as a burden. Art Nouveau in its playfulness was the artistic response of the bourgeois elites and creative minds to this Back to the origin of the turn of the century, was hardly able to assert itself in Innsbruck. People as individuals, not their economic performance, should once again take centre stage. This attitude gave rise to vegetarianism, nudism, garden cities, various esoteric movements and other alternative lifestyles, which have survived in one form or another to this day.

What was possible for wealthy citizens in their villas in Saggen, Wilten and Pradl was denied to most workers. Many tenement blocks were dreary and overcrowded biotopes without infrastructure such as sports facilities or parks. Modern housing estates should be functional, comfortable, affordable and connected with green spaces. These views also prevailed in public authorities. Albert Gruber, professor at the Innsbruck Trade School, wrote in 1907:

"I've often heard people say that we don't need plants in Innsbruck, that nature provides us with everything, but that's not true. What could be nicer than when professionals can walk from their place of work to their home through a series of plants. It turns the journey to and from work into a relaxing walk. Incidentally, there are many reasons why planting trees and gardens in urban areas is beneficial. I do not want to emphasise the interaction between people and plants, which is probably well known. In another way, plants improve the air we breathe by reducing dust."

In many cases, however, the fulfilment of this demand had to wait until after the First World War. The major infrastructure and housing projects in Innsbruck, such as the Tivoli, the municipal indoor swimming pool, the Pembaur, Mandelsberger and Schlachthof blocks, were not realised until the First Republic. Although social democracy had officially existed as a political movement since 1889, it only had very limited creative possibilities under the Habsburg monarchy. This was doubly true for the conservative Catholic Tyrol.

Josef Prachensky (1861 - 1931), the father of architect and town planner Theodor Prachensky, was a well-known Innsbruck representative of the Lebensreform and social democracy. He grew up in German-speaking Bohemia, then part of the Austro-Hungarian Empire. As a trained book printer, he discovered the labour movement during his wanderings in Vienna during the book printers' strike. After marrying a Tyrolean woman, he settled in Innsbruck, where he worked as an editor for the Social Democratic People's newspaper for Tyrol and Vorarlberg worked. Josef Prachensky supported the Arbeiter-Consum-Vereinwhich Tyrolean labourers' bakery and founded the catering business "Non-alcoholic", which aimed to improve general health in the spirit of the life reform movement and socialism. Friedrich Engels (1820 - 1895), the co-author of the Communist Manifestohad recognised schnapps and brandy as an evil of the working class in the first half of the 19th century. Socialism shared the goal of getting people away from alcohol with church organisations, like so many other things. The communist revolution was no more feasible with addicts than a virtuous, God-pleasing life.

Prachensky was involved in the founding of the Tyrolean Social Democratic Party in 1890 and, after the First World War, in the founding of the Tyrolean Republican Defence League the left-wing counterpart to the right-wing Heimwehr organisations. One of his particular concerns was the restriction of the church on school education, which was still very high in the 19th and early 20th century, even in the actually liberal Innsbruck, which had to adhere to the national school regulations.

Innsbruck's industrial revolutions

Im 15. Jahrhundert begann sich in Innsbruck eine erste frühe Form der Industrialisierung zu entwickeln. Glocken- und Waffengießer wie die Löfflers errichteten in Hötting, Mühlau und Dreiheiligen Betriebe, die zu den führenden Werken ihrer Zeit gehörten. Unternehmer waren zwar nicht von edlem Blut, sie hatten aber oft mehr Kapital zur Verfügung als die Aristokratie. Die alten Hierarchien bestanden zwar noch, begannen aber zumindest etwas brüchig zu werden. Die Industrie änderten nicht nur die Spielregeln im Sozialen durch den Zuzug neuer Arbeitskräfte und ihrer Familien, sie hatte auch Einfluss auf die Erscheinung Innsbrucks. Die Arbeiter waren, anders als die Bauern, keines Herren Untertanen. Sie brachten neue Mode mit und kleideten sich anders. Kapital von außerhalb kam in die Stadt. Wohnhäuser und Kirchen für die neu zugezogenen Untertanen entstanden. Die großen Werkstätten veränderten den Geruch und den Klang der Stadt. Die Hüttenwerke waren laut, der Rauch der Öfen verpestete die Luft.

Die zweite Welle der Industrialisierung erfolgte im Verhältnis zu anderen europäischen Regionen in Innsbruck spät. Das Kleine Handwerk, die bäuerliche Herstellung von allerlei Gebrauchsgegenständen vor allem im weniger arbeitsintensiven Winter, und die ehemaligen in Zünften organisierten Handwerksbetriebe der Stadt gerieten unter den Errungenschaften der modernen Warenherstellung unter Druck. In St. Nikolaus, Wilten, Mühlau und Pradl entstanden entlang des Mühlbaches und des Sillkanals moderne Fabriken. Viele innovative Betriebsgründer kamen von außerhalb Innsbrucks. Im heutigen Haus Innstraße 23 gründete der aus der Lausitz nach Innsbrucker übersiedelte Peter Walde 1777 sein Unternehmen, in dem aus Fett gewonnene Produkte wie Talglichter und Seifen hergestellt wurden. Acht Generationen später besteht Walde als eines der ältesten Familienunternehmen Österreichs noch immer. Im denkmalgeschützten Stammhaus mit gotischem Gewölbe kann man heute das Ergebnis der jahrhundertelangen Tradition in Seifen- und Kerzenform kaufen. 1838 kam die Spinnmaschine über die Dornbirner Firma Herrburger & Rhomberg über den Arlberg nach Pradl. H&R hatte ein Grundstück an den Sillgründen erworben. Der Platz eignete sich dank der Wasserkraft des Flusses ideal für die schweren Maschinen der Textilindustrie. Neben der traditionellen Schafwolle wurde nun auch Baumwolle verarbeitet.

Wie 400 Jahre zuvor veränderte auch die Zweite Industrielle Revolution die Stadt nachhaltig. Stadtteile wie Mühlau, Pradl und Wilten wuchsen rasant. Die Betriebe standen oft mitten in den Wohngebieten. Über 20 Betriebe nutzten den Sillkanal um 1900. Der Lärm und die Abgase der Motoren waren für die Anrainer die Hölle, wie ein Zeitungsartikel aus dem Jahr 1912 zeigt:

„Entrüstung ruft bei den Bewohnern des nächst dem Hauptbahnhofe gelegenen Stadtteiles der seit einiger Zeit in der hibler´schen Feigenkaffeefabrik aufgestellte Explosionsmotor hervor. Der Lärm, welchen diese Maschine fast den ganzen Tag ununterbrochen verbreitet, stört die ganz Umgebung in der empfindlichsten Weise und muß die umliegenden Wohnungen entwerten. In den am Bahnhofplatze liegenden Hotels sind die früher so gesuchten und beliebten Gartenzimmer kaum mehr zu vermieten. Noch schlimmer als der ruhestörende Lärm aber ist der Qualm und Gestank der neuen Maschine…“

Auch so mancher Angehörige des Kleinadels investierte das Geld der Grundentlastung von 1848 in Industrie und Wirtschaft. Der steigende Arbeitskräftebedarf wurde von ehemaligen Knechten und Landwirten ohne Land gedeckt. Während sich die neue vermögende Unternehmerklasse Villen in Wilten, Pradl und dem Saggen bauen ließ und mittlere Angestellte in Wohnhäusern in denselben Vierteln wohnten, waren die Arbeiter in Arbeiterwohnheimen und Massenunterkünften untergebracht. Die einen sorgten in Betrieben wie dem Gaswerk, dem Steinbruch oder in einer der Fabriken für den Wohlstand, während ihn die anderen konsumierten. Schichten von 12 Stunden in engen, lauten und rußigen Bedingungen forderten den Arbeitern alles ab. Zu einem Verbot der Kinderarbeit kam es erst ab den 1840er Jahren. Frauen verdienten nur einen Bruchteil dessen, was Männer bekamen. Die Arbeiter wohnten oft in von ihren Arbeitgebern errichteten Mietskasernen und waren ihnen mangels eines Arbeitsrechtes auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Es gab weder Sozial- noch Arbeitslosenversicherungen. Wer nicht arbeiten konnte, war auf die Wohlfahrtseinrichtungen seines Heimatortes angewiesen. Zur Bildung einer bedeutenden Arbeiterbewegung wie in Wien kam es in Tirol trotzdem nie. Innsbruck war immer schon vorwiegend Handels- und Universitätsstadt. Zwar gab es Sozialdemokraten und eine Handvoll Kommunisten, die Zahl der Arbeiter war aber immer zu klein, um wirklich etwas zu bewegen.

Die Industrialisierung betraf aber nicht nur den materiellen Alltag. Innsbruck erfuhr eine Gentrifizierung wie man sie heute in angesagten Großstadtvierteln wie dem Prenzlauer Berg in Berlin beobachten kann. Der Wechsel vom bäuerlichen Leben des Dorfes in die Stadt beinhaltete mehr als einen örtlichen Wechsel. Wie die Menschen die Verstädterung des ehemals ländlichen Bereichs erlebten, lässt uns der Innsbrucker Schriftsteller Josef Leitgeb in einem seiner Texte wissen:

„…viel fremdes, billig gekleidetes Volk, in wachsenden Wohnblocks zusammengedrängt, morgens, mittags und abends die Straßen füllend, wenn es zur Arbeit ging oder von ihr kam, aus Werkstätten, Läden, Fabriken, vom Bahndienst, die Gesichter oft blaß und vorzeitig alternd, in Haltung, Sprache und Kleidung nichts Persönliches mehr, sondern ein Allgemeines, massenhaft Wiederholtes und Wiederholbares: städtischer Arbeitsmensch. Bahnhof und Gaswerk erschienen als Kern dieser neuen, unsäglich fremden Landschaft.“

Für viele Innsbrucker kam es nach dem Revolutionsjahr 1848 und den neuen wirtschaftlichen Gegebenheiten zu einer Verbürgerlichung. Erfolgreiche Unternehmer übernahmen die einstige Rolle der adeligen Grundherren. Gemeinsam mit den zahlreichen Akademikern bildeten sie eine neue Schicht, die auch politisch mehr und mehr Einfluss gewann. Beda Weber schrieb dazu 1851:

Their social circles are without constraint, and there is a distinctly metropolitan flavour that is not so easy to find elsewhere in Tyrol."

Auch die Arbeiter verbürgerlichten. War der Grundherr am Land noch Herr über das Privatleben seiner Knechte und Mägde und konnte bis zur Sexualität über die Freigabe zur Ehe über deren Lebenswandel bestimmen, waren die Arbeiter nun individuell zumindest etwas freier. Sie wurden zwar nur schlecht bezahlt, immerhin erhielten sie aber nun ihren eigenen Lohn anstelle von Kost und Logis und konnten ihre Privatangelegenheiten für sich regeln ohne grundherrschaftliche Vormundschaft.

Innsbruck ist keine traditionelle Arbeiterstadt. Maiaufmärsche werden vom Großteil der Menschen maximal wegen billiger Schnitzel und Freibier besucht. Auch sonst gibt es kaum Erinnerungsorte an die Industrialisierung und die Errungenschaften der Arbeiterschaft. In der St.-Nikolaus-Gasse und in vielen Mietzinshäusern in Wilten und Pradl haben sich vereinzelt Häuser erhalten, die einen Eindruck vom Alltag der Innsbrucker Arbeiterschaft geben.