Die Schlachthausbaufrage in Innsbruck

Die Unzulänglichkeit des Schlachthauses am Innrain

Erschienen: Innsbrucker Nachrichten / 17. Juli 1905

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Wohnen und Lebensmittel waren immer schon die entscheidenden Fragen in Städten. Mit dem rasanten Wachstum Innsbrucks nach 1850 wurde das Thema der Fleischversorgung drängend. Die Fleischbank am Innrain, erst kurz vorher errichtet, entsprach in keinster Weise mehr modernen Anforderungen. Der Ruf nach einem neuen Schlachthaus wurde lauter, um dem Problem Herr zu werden. Bis zum Bau der Anlage im Saggen 1910 sollten aber noch einige Jahre vergehen. 

The article

Es dürfte wohl kein Zweifel herrschen: Die derzeitige Situation des Innsbrucker Schlachthauses ist unzureichend. Erst kürzlich wurde ein Unglücksfall, der auf die unzulänglichen Schlachträume zurückzuführen war, öffentlich diskutiert. Auch die am meisten betroffenen Personen, insbesondere die Fleischhauer, haben wiederholt auf diese Missstände hingewiesen und drängen auf den Bau eines neuen Schlachthauses.

Die Notwendigkeit eines solchen ist umso dringender, als durch die Eingemeindung der Vororte den dortigen Metzgern aufgrund des begrenzten Platzes in der derzeitigen Anlage die Nutzung nahezu unmöglich gemacht wird. Zudem lassen die Schlachtanlagen in den Vororten in sanitären Belangen viel zu wünschen übrig. Man sieht gezwungenermaßen über Missstände hinweg, weil es derzeit keine Alternative gibt.

Der Veterinärbericht der Stadt für das Jahr 1905 äußert sich folgendermaßen zum Schlachthaus:
„In baulicher Hinsicht muss erwähnt werden, dass im Berichtsjahr eine geradezu gefährliche Überfüllung der Schlachthalle herrschte. Auf einer Bodenfläche von 340,61 Quadratmetern sind 79 Großvieh-Schlachtplätze verteilt, sodass auf jeden Platz lediglich 4,3 Quadratmeter entfallen. Wenn man bedenkt, dass für die Schlachtung eines Ochsen zwei Gehilfen erforderlich sind und dass für die notwendigen Geräte mindestens zwei Quadratmeter Bodenfläche benötigt werden, ist klar, dass kein Fleischhauer über ausreichend Platz verfügt. Besonders an den großen Schlachttagen führt diese Enge dazu, dass die Sicherheit der Personen nicht gewährleistet ist. Ebenso stellt der Wagenverkehr im Schlachthof ein großes Problem dar, da er den Betriebsablauf erheblich beeinträchtigt.“

Angesichts dieser unhaltbaren Zustände ist der Neubau einer Großvieh-Schlachthalle nicht länger aufzuschieben. Er ist ein Gebot der Sicherheit für all jene, die täglich dort arbeiten und sich permanent in Gefahr befinden.

Ein weiteres Problem stellt der Viehtrieb vom Markt und den Bahnhöfen zum Schlachthaus dar. Immer wieder gibt es Beschwerden über tierquälerische Handlungen, Menschenansammlungen aufgrund liegengebliebener Rinder auf den Straßen sowie untragbare Transportbedingungen für verunglückte Tiere. Diese Zustände sind für eine Landeshauptstadt nicht länger hinnehmbar.

Standortfrage für den Neubau

Bei der Errichtung eines modernen Schlachthauses spielt die Standortfrage die zentrale Rolle. Doch wo soll es gebaut werden?

Ein Vorschlag war die östliche Seite des Südbahn-Viadukts, am Zusammenfluss von Inn und Sill. Dieses Projekt scheint jedoch verworfen worden zu sein – und das zu Recht. Denn eine direkte Anbindung an die Bahn wäre dort nur mit enormen Kosten möglich, obwohl genau diese Anbindung unabdingbar ist. Innsbruck ist auf den Bahntransport von Schlachtvieh angewiesen, da das lokal verfügbare Vieh nur in minimaler Zahl vorhanden ist.

Ein neuer Vorschlag sieht die Errichtung eines Schlachthauses in Pradl oder oberhalb der Staatsbahnstation Wilten vor. Doch auch Pradl erscheint ungeeignet, da es keine direkte Bahnanbindung gibt. Selbst wenn eine solche technisch machbar wäre, wären die Kosten wohl zu hoch. Zudem gibt es dort kein fließendes Wasser – die Sill führt nicht immer ausreichend Wasser, und Grundwasser wäre nur im Hochsommer verfügbar.

Die zweite Option, das Gelände oberhalb der Staatsbahnstation Wilten, bietet zwar eine leichtere Anbindung an die Bahn, ist aber ebenfalls problematisch. Die Zufahrten sind stark eingeschränkt und führen entweder über die Neuhauserstraße oder über eine Straße beim „Tschurtscherthaler Keller“. Letztere weist bereits jetzt erhebliche Verkehrsprobleme auf, die sich durch die Errichtung eines Schlachthauses noch verschärfen würden. Hinzu kommt, dass das Gelände durch die Bahn und die umliegenden Berge stark begrenzt ist und wenig Spielraum für eine spätere Erweiterung bietet.

Die beste Lösung: Siglanger

Ein Schlachthaus in Innsbruck muss großzügig angelegt werden, um auch künftigen Anforderungen gerecht zu werden. Daher sollte ein Standort gewählt werden, der eine spätere Erweiterung erlaubt, über eine direkte Bahnanbindung verfügt und ausreichend Wasserressourcen bietet.

All diese Bedingungen erfüllt das sogenannte Siglanger-Gebiet, das sich unterhalb von Peterbründl und zwischen den Figgenhöfen erstreckt. Es gibt eine direkte Verbindung zur Bahn, die Völserstraße führt dorthin, und auch der Inn sowie der Geroldsbach sind in unmittelbarer Nähe.

Durch die Eingemeindung der Vororte hat Innsbruck nun insgesamt acht Jahresmärkte und 52 Wochenmärkte. Es wäre daher sinnvoll, diese Märkte in die Nähe des neuen Schlachthauses zu verlegen. Die dafür nötige Fläche ist im Siglanger-Gebiet ausreichend vorhanden. Dies würde nicht nur den Verkehr in der Stadt entlasten, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung dieses Stadtteils fördern.

Die Anbindung an das städtische Verkehrsnetz könnte ebenfalls leicht verbessert werden. Eine Verlängerung der Stadtbahn über den Innrain bis in dieses Gebiet würde die Entfernung zur Innenstadt kaum spürbar machen. Zudem befinden sich in der Nähe mehrere Bahnhöfe, darunter jene der Staatsbahn, der Lokalbahn und der Stubaitalbahn.

Natürlich mag es sein, dass einzelne Geschäftsleute oder Stadtviertel durch eine Verlegung des Schlachthauses Nachteile erleiden. Doch letztlich sind hier die Interessen der Allgemeinheit entscheidend. Die Steuerkraft dieses neuen Wirtschaftsraums würde sich langfristig positiv auf die gesamte Stadt auswirken.

Fazit

Der Bau eines neuen Schlachthauses und die Verlegung der Märkte sind unabdingbar. Die Bevölkerung sollte sich aktiv an der Diskussion beteiligen und ihre Meinung äußern. Nur so können die verantwortlichen Stellen die besten Entscheidungen im Sinne der Stadt treffen. Schweigen und später Kritik üben, wenn die Entscheidung längst gefallen ist, bringt niemanden weiter.

Die Zukunft Innsbrucks liegt in vorausschauender Planung – und dazu gehört ein modernes, gut erreichbares und hygienisch einwandfreies Schlachthaus.