Goldenes Dachl

Herzog-Friedrich-Straße

Wissenswert

Als Innsbruck an Bedeutung für das Land Tirol zunahm, ließ Landesfürst Friedrich IV. um 1420 den Neuhof an der Stelle des heutigen Goldenen Dachls erbauen, um seine Innsbrucker Residenz von der Andechser Burg dorthin umzusiedeln. Seinem Nachfolger als Landesfürst Tirols Kaiser Maximilian war der Neuhof bereits zu klein. Der Hofstaat des Kaisers war um einiges größer als der des Landesfürsten. Er siedelte in die Hofburg um, die mehr Platz bot. Den prunkvollen Erker mit seinen 2657 vergoldeten Schindeln, das heutige Goldene Dachl, ließ er von Hofbaumeister Türing an den Neuhof anbauen, um einen Platz zu haben, von dem aus er dem Geschehen am Stadtplatz folgen und sich gleichzeitig präsentieren konnte. Wo sich heute Touristen aus aller Welt ablichten lassen, fanden zu Zeiten Maximilians Ritterturniere, Gerichtsprozesse und andere öffentliche Veranstaltungen statt. Eine Gedenktafel am Gebäude erinnert an den hier verbrannten "Ketzer" Jakob Hutter.

Der Erker war ein Zeichen der landesfürstlichen Macht im Herzen der Stadt. Die Reliefs unter dem Erker zeigen die Gebiete, über die Maximilian herrschte. Von links nach rechts werden die Wappen Österreichs, Ungarns, des Heiligen Römischen Reichs, Deutschlands, Burgunds, Mailands, der Steiermark und Tirols von Rittern und Tierfiguren bewacht.

Die Reliefs auf der Vorderseite zeigen den Kaiser mit seinen beiden Ehefrauen Maria von Burgund und Bianca Maria Sforza. Interessant dabei ist das Erscheinungsbild der beiden Frauen. Die Hochzeit mit Maria von Burgund wurde von Maximilian stets als Liebeshochzeit dargestellt, seine zweite Ehefrau soll er eher geschäftsmäßig geheiratet haben. Während die erste Ehefrau Maria von Burgund züchtig und mit Haube ihr Haar verhüllend dargestellt wird, wallen die Locken der Mailänderin Bianca Maria Sforza weit hinab. Maria von Burgund war als junge, schöne Frau bei einem Reitunfall gestorben. Sie schenkte den Habsburgern im großen Wandel rund um 1500 mit Karl und Ferdinand generationsübergreifend gleich zwei Kaiser.

Die idealisierte und verklärte Darstellung der beiden Frauen ist das Symbol für ihre Bedeutung für Maximilian. Szenen aus dem mittelalterlichen, höfischen Leben verzieren, ganz nach dem Geschmack Maximilians, die Fassade. Einige Figuren und Reliefs geben Forschern bis heute Rätsel auf. Eines davon, die Geheimschrift, die am Band hinter den Tänzern und Personen auf den oberen Reliefplatten zu sehen ist, wurde erst 2020 entschlüsselt. Die Zeichen geben verschlüsselt Folgendes zu verstehen: “Ego sum lux mundi qui sequitur me non ambulabit in tenebris sed habebit lucem vitae dicit dominus”, übersetzt: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir folgt, wird nicht in Finsternis wandeln, sondern wird im Licht wohnen, so spricht der Herr.

Für einen großen Teil der Malereien war Hofmaler Jörg Kölderer verantwortlich, der viele Gebäude und Räume, die rund um 1500 entstanden, mit seiner Kunst schmückte. Auch das Jagdbuch, das Fischereibuch und das Zeugbuch, die das Treiben rund um die Waffenproduktion im Zeughaus zeigt, stammen aus seiner Feder. An der Decke unter dem Erker befinden sich putzige Figuren, einige davon in für das 16. Jahrhundert wohl anzüglicher Pose. Unter dem Erker auch eine Gedenktafel für den verurteilten und hingerichteten Jakob Hutter zu sehen.

Das Gebäude, dessen Teil der Prunkerker ist, wurde 1780 zu einer Kaserne. 1822 erhielt die Fassade während eines Umbaus zum Mietshaus ihr heutiges Aussehen. Heute kann man im Goldenen Dachl ein kleines Museum besuchen, das sich um die Stadtgeschichte Innsbrucks und Maximilian dreht. Im Goldenen Dachl befindet sich auch das Innsbrucker Standesamt, in dem sich Innsbrucker Paare das Ja-Wort geben. Besonders malerisch ist der Platz vor dem Prunkerker zur Weihnachtszeit, wenn der Christkindlmarkt samt Christbaum aufgebaut wird.

Der Innsbrucker Hexenprozess von 1485

Das Mittelalter wird in Büchern und Filmen oft als dunkles Zeitalter porträtiert, in dem tyrannische Aristokraten und blutrünstige Raubritter mausgrau gekleidete Bauern unterdrücken und Frauen ohne Prozess als Hexen am Scheiterhaufen verbrannt werden. Diese Darstellung entspricht in keinerlei Hinsicht den Tatsachen. Weder war das Mittelalter eine farblose Epoche, tatsächlich war die Zeit bis 1500 sogar ausgesprochen farbenfroh, noch war sie von Gesetzlosigkeit und Willkür geprägt. Das Mittelalter war auch nicht die große Zeit der Hexenverbrennungen im großen Stil. Diese dunkle Episode sollte erst im 16. Jahrhundert starten. Seinen Anfang nahm dieses finstere Kapitel der Geschichte im Jahr 1485 zum Teil in Innsbruck unter Mitwirkung Heinrich Kramers, dem Verfasser des Hexenhammers.

Die wirtschaftlichen und sozialen Umstände in Städten wie dem vormodernen Innsbruck waren ein guter Nährboden für Hexenprozesse. Städte wuchsen überdurchschnittlich schnell. Beamte, Hofdiener, Schausteller, Soldaten, Händler und anderes „fremdes Volk“ erregte Unsicherheit. Die Sterblichkeit bei Kindern unter 10 Jahren lag bei annähernd 50%. Wetterberichte, anhand derer Bauern ihre Tätigkeit hätten ausrichten können, gab es ebenfalls nicht. Nahrungsmittel waren dauerhaft knapp, was zum vermehrten Auftreten von Krankheiten und Missbildungen aller Art führten. Medizin und Wissenschaft waren noch nicht so weit, um all das zu erklären.

Vieles wurde deshalb überirdischen Mächten zugeschrieben. Es gab im Aberglauben der Menschen schwarze, also schädliche, und weiße, helfende Magie. Heilige wurden um Beistand gebeten. Prozessionen und Gebete sollten helfen, dem Teufel und der Verdammung im Leben nach dem Tod zu entgehen. Schädliche Gegenstände wie Knochensplitter ungetauft verstorbener Kinder oder Holzstücke eines Galgens brachten Unglück, Reliquien hingegen waren heiß begehrte Artefakte, um sich davor zu schützen. Schon in kleinsten Partikeln des Körpers eines Heiligen wurden Kräfte vermutet, die Wunder wirken konnten. Liebes- oder Krankheitszauber, Flüche, Teufelsanbetung – die Gründe, warum man der Hexerei angeklagt werden konnte im Innsbruck des 15. Jahrhunderts waren mannigfaltig.

Heinrich Kramer war ein frauenfeindlicher, abergläubischer, vom Glauben an den Teufel und die Apokalypse getriebener, unglücklicherweise vom Papst mit einer Vollmacht zur Hexenjagd ausgestatteter religiöser Eiferer, der sich genau diese Situation zu Nutze machte. Ähnlich einem Schausteller zog er als Inquisitor durchs Land und kam 1485 nach Innsbruck. Seine Darlegungen und Predigten rund um Magie und Zauberei fielen in Innsbruck auf fruchtbaren Boden. Kramer ermunterte sein Publikum der Hexerei Verdächtige zu melden, was dankend angenommen wurde. Neid und Missgunst waren innerhalb der Stadtgemeinde Teil des Alltags. Streitigkeiten über Denunziation zu regeln, war ein von einigen Stadtbürgern gerne in Anspruch genommenes Mittel. 50 Personen, der Großteil davon Frauen, standen nach Denunziation durch Mitbürger wegen des Vorwurfs der Häresie im Verdacht der Hexerei. Nach Verhaftungen und Verhören wurden sieben Personen angeklagt, ihnen drohte die Todesstrafe. Die Gründe für die Anklagen waren mannigfaltig. Helene Scheuberin wurde zum Beispiel vorgeworfen, den Ritter Jörg Spiess per Magie vergiftet zu haben.

Es war der Brixner Bischof Golser, der an Kramers Darstellung zweifelte und einschritt. Sein Gesandter stellte schwere Verfahrensmängel fest. Ein Anwalt wurde dazu erkoren, alle sieben Angeklagten Frauen vor Gericht zu vertreten. Schließlich wurden alle Verdächtigen freigelassen. Der Bischof forderte Kramer auf, Tirol zu verlassen. „In der Praxis zeigte sich seine Dummheit, denn er unterstellt vieles, was gar nicht erwiesen war,“ schrieb Golser in einem Brief. Dieser für ihn enttäuschende Prozess war der Startschuss einer zweifelhaften Karriere für den in seiner Ehre beleidigten Kramer. Im Anschluss an diese Episode verfasste er sein Werk Der Hexenhammer. Er leitete es sogar bezugnehmend auf Innsbruck ein mit „aber was, wenn ich alle (Fälle) berichten wollte, die allein in jener Stadt gefunden worden sind? Es hieße, ein Buch zu verfassen.

Kramers Schrift wurde zum Standardwerk der Inquisitoren Europas. Fast gleichzeitig feierte der Buchdruck um 1500 seinen großen Durchbruch und vereinfachte die Verbreitung dieser Anleitung zur Hexenjagd und den Prozessen. Es ist zu bemerken ist, dass die meisten Hexenprozesse nicht vor kirchlichen Gerichten verhandelt wurden. Häresie war ein weltliches Verbrechen, für deren Durchführung zumindest am Papier Richtlinien galten. Folter war geregelt, was sie nicht weniger fürchterlich machte, zumindest aber ein wenig der Willkür wegnahm.

In Europa starben geschätzt zwischen 100.000 und 150.000 Menschen als Ketzer, Hexen und Zauberer. Dabei traf es Eliten, die Neid erregten ebenso wie Protestanten, Randgruppen und sozial Schwache, die als Sündenböcke für Unwetter, Krankheit und sonstiges Unglück herhalten mussten. Das Verhältnis zwischen Mann und Frau war dabei etwa 1:3. Innsbruck sollte nach 1485 von weiteren Hexenverfolgungswellen verschont bleiben. Das Einschreiten Golsers und eines Teils der Innsbrucker spielten dabei eine entscheidende Rolle.

Reform und Revolution: Jakob Hutter und Michael Gaismair

Die ersten Regierungsjahre Kaiser Ferdinands I. (1503 – 1564) als Landesfürst von Tirol waren von theologischen und sozialen Unruhen gekennzeichnet. Theologische und soziale Spannungen nahmen in dieser krisenhaften Zeit zu. Das neue Recht, das über die von Maximilian eingeführte Verwaltung eingeführt worden war, stand dem alten Gewohnheitsrecht gegenüber. Die bäuerliche Jagd im Wald und das Suchen nach Feuerholz waren damit illegal geworden. Die aufwändige Hofführung Siegmunds und die Kriege Maximilians samt der Verpfändung eines großen Teils des Landesvermögens hatte die finanzielle Lage Tirols in arge Schieflage gebracht. In Tirol traten zu dieser Zeit mit Jakob Hutter (1500 – 1536) und Michael Gaismair (1490 – 1532) zwei Männer auf den Plan, die die bestehende Ordnung bedrohten und dafür mit dem Leben bezahlten.

Jakob Hutter war die Galionsfigur der vor allem im Inntal und im Südtiroler Pustertal aktiven Wiedertäufer. Die ersten Anzeichen der Kleinen Eiszeit verursachten vermehrt Missernten. Viele Menschen sahen darin eine Strafe Gottes für das sündige Leben der Menschen. Sekten wie die Wiedertäufer predigten die reine Lehre der Religion, um sich von dieser Schuld zu befreien und die Ordnung so wiederherzustellen. Besonderen Unmut bei der Römischen Kirche und dem frommen Landesfürsten Ferdinand erregte ihre Einstellung zu weltlichem Besitz und zur Taufe. Menschen sollten frei als erwachsene und mündige Bürger ihren Willen, dem Christentum beizutreten, kundtun und nicht als Kinder getauft werden. Für den streng gläubigen und papsttreuen Landesfürsten Ferdinand stellten die Wiedertäufer eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung dar, einem Großteil der Tiroler waren sie willkommene Sündenböcke. Bereits 1524 wurden drei Wiedertäufer in Innsbruck vor dem Goldenen Dachl wegen Ketzerei am Scheiterhaufen verbrannt. Fünf Jahre später wurden Tausende Wiedertäufer des Landes verwiesen und wanderten nach Mähren, die heutige Tschechei, aus.

Einer von ihnen war Jakob Hutter. Aufgewachsen in Südtirol führten ihn seine Lehr- und Gesellenjahre als Hutmacher nach Prag und Kärnten, wo er wahrscheinlich zum ersten Mal mit den Wiedertäufern und ihren Lehren in Verbindung kam. Als die Religionsgemeinschaft 1535 auch aus Mähren vertrieben wurden, kam Jakob Hutter wieder zurück nach Tirol. Er wurde gefangengenommen, nach Innsbruck gebracht und im Kräuterturm gefoltert. Er fand als Anführer der Häretiker für sein Wirken 1536 vor dem Goldenen Dachl am Scheiterhaufen sein Ende.

Die Gemeinde der Hutterischen Brüder kam nach ihrer endgültigen Vertreibung aus den deutschen Ländern und langen Irrfahrten und Fluchten quer durch Europa im 19. Jahrhundert in Nordamerika an. Noch heute gibt es einige hundert Hutterer Kolonien in Kanada und den USA, die noch immer nach dem Gebot der Jerusalemer Gütergemeinschaft in einer Art kommunistischem Urchristentum leben. Wie die Mennoniten und die Amisch leben die Hutterer meist isoliert von der Außenwelt und haben sich eine eigene Form der an das Deutsche angelehnten Sprache erhalten. In Innsbruck erinnern eine kleine Tafel am Goldenen Dachl sowie eine Straße im Westen der Stadt an Jakob Hutter. 2008 hatten die Bischöfe von Brixen und Innsbruck gemeinsam mit den Landeshauptleuten Nord- und Südtirols in einem Brief an den Ältestenrat der Hutterischen Brüder das knapp 500 Jahre vergangene Unrecht an der Täufergemeinschaft eingestanden. 2015 wurde im Saggen ein paar Schritte südwestlich des Panoramagebäudes der Huttererpark eröffnet, in dem das Denkmal „Übrige Brocken“ an das Schicksal und Leid der Verfolgten erinnert.

Der größte Aufruhr im Zuge der Reformation in Tirol war der Bauernaufstand von 1525, der eng mit dem Namen Michael Gaismairs verbunden ist. Anders als Hutter, der vor allem eine spirituelle Erneuerung forderte, wollte Gaismair auch soziale Veränderungen vorantreiben. Der Tiroler Aufstand war ein Teil dessen, was als Deutscher Bauernkrieg große Teile des Heiligen Römischen Reiches erschütterte. Es war zum Teil reformatorischer, theologischer Eifer, zum Teil Unzufriedenheit mit der sozialen Lage und Güterverteilung, was die Aufständischen antrieb. Anders als Martin Luther, war Gaismair kein Theologe. Er war der Sohn eines Bergwerksunternehmers, man könnte sagen gebildete Mittelschicht. Während seiner Arbeit in Diensten des Bischofs von Brixen sah er, wie die landesherrschaftliche Verwaltung und Rechtsprechung die Untertanen behandelten. Im Mai 1525 beteiligte er sich an der Erhebung gegen den Klerus in Brixen. Ein Mob drang in das Kloster Neustift und Besitztümer des Bischofs ein. Die aufgebrachten Untertanen plünderten das Kloster und zerstören die Urbare, die Aufzeichnungen rund um Besitz, Schulden und Verpflichtungen der Bauern gegenüber dem Grundherrn. Der Bischof war gleichzeitig weltlicher Fürst und galt als besonders strenger Landesherr.

Die Bewegung nahm schnell Fahrt auf und breitete sich rasant aus. Im ganzen Land war es zu Erhebungen gekommen. In Innsbruck wurde das Stift Wilten als Sitz des Grundherren vieler Untertanen belagert. Gaismair wurde von den Aufständischen zum Hauptmann erkoren, um Verhandlungen mit dem Tiroler Landesfürsten, Ferdinand I. am Landtag in Innsbruck zu führen. Er erarbeitete eine utopische Art Landesverfassung. Damit wollte er nicht am Landesfürsten Ferdinand selbst rütteln, sondern ihn bitten im Namen Gottes das Land gerechter zu gestalten und verwalten. Der Klerus sollte sich um das Seelenheil der Untertanen statt um Politik kümmern. Land und Güter wie Bergwerkserträge sollten sozial gerecht verteilt, Zinsen gestrichen werden. Die Einschränkungen von Jagd und Fischerei, die Ferdinands Vorgänger Maximilian I. den Tirolern auferlegte, sollten wieder aufgehoben werden. Diese Anliegen wurden in den 62 Meraner Artikeln gesammelt, die später auf 96 Innsbrucker Artikel erweitert wurden.

Als Gaismair und seine Abordnung im Juni 1525 in Innsbruck mit Ferdinand und seinen Beamten verhandelten, wurde er verhaftet und im Kräuterturm eingekerkert. Nach knapp zwei Monaten Kerker konnte er flüchten, um seinen Kampf von Sterzing aus weiterzuführen. Nach einigen Niederlagen begab er sich in die benachbarte, gegen die Habsburger aufständische Schweiz, wo er den Reformer und Revolutionär Huldyrich Zwingli kennenlernte. Hier schrieb er seine sozialrevolutionäre Landesordnung nieder, die einen christlichen Bauern-, Handwerker- und Knappenstaat vorsah, in dem Güter vergemeinschaftet werden sollten. Einer der Artikel lautete:

Was den Zehent betriff, so soll ihn jeder geben nach dem Gebot Gottes, und er soll wie folgt verwendet werden: Jede Pfarre habe einen Priester nach der Lehre des Apostels Paulus, den den Menschen das Wort Gottes verkündet… was übrig bleibt, ist den Armen zu geben.“

Weiterhin war er auch Heeresführer der Widerstandsgruppe gegen die Habsburger. Der Ruf seiner militärischen Erfolge erreichte die Republik Venedig, die sich seit dem Krieg 1477 mit Siegmund dem Münzreichen in ständigem Konflikt mit den Habsburgern befand. Gaismair wurde als Condottiere, als Heerführer, engagiert. Bald fiel er aber auch hier in Ungnade. Nicht nur schloss Venedig Frieden mit den Habsburgern, auch seine antikatholische Haltung und seine unangepasste Lebensweise erregten Missgunst und Neid. 1532 wurde auf seinem Landsitz bei Venedig mit mehr als 40 Messerstichen ermordet. Welche der vielen Mächte, die er gegen sich aufgebracht hatte, dahintersteckte, ist nicht geklärt.

Nicht weniger interessant als sein Leben ist sein Werdegang post mortem. Gaismair schaffte es nie zum allgemeinen Ruhm Andreas Hofers in Tirol. In Schulen wird bis heute kaum über ihn gesprochen. Anders als Hofer, der sich als braver Katholik gegen eine fremde Macht erhob, war Gaismair ein Aufständischer, ein Unangenehmer und Querdenker. 1899 war ein Theaterstück über den Bauernführer von Franz Kranewitter erschienen. Im 20. Jahrhundert wurde Gaismair je nach Bedarf als Kämpfer gegen Monarchie und Klerus, von den Nationalsozialisten als deutscher Held und Befreier der Bauern oder von der Linken als früher Kommunist gedeutet. Die 68er Generation feierte den eigentlich frommen und gottesfürchtigen Revolutionär für seine Ideen zur Vergemeinschaftung von Eigentum. Der Tiroler Journalist und Historiker Claus Gatterer schrieb zur ständigen Umdeutung der Figur Gaismairs:

 „Wieviel Wahrheit darf ein Volk über seine Vergangenheit, über Wachsen und Werden seiner Gegenwart erfahren?... Der jeweiligen Ideologie entsprechend, werden altverdiente Helden und Heilige von den Sockeln gestürzt, und durch andere, bis dahin missachtet, ersetzt; oder es wird einem etablierten Heiligen kurzerhand eine neue Biographie verpasst, die namentlich in der Motivation des Handelns sich mit aktuellen Erfordernissen passt.

Anders als für Andreas Hofer gibt es für Michael Gaismair und den Bauernaufstand von 1525 kaum Erinnerungsorte in Innsbruck. In Wilten erinnern eine Straße und eine Hauptschule an ihn.

Siegmund der Münzreiche

Auf Friedl mit der leeren Tasche folgte Siegmund der Münzreiche als Tiroler Landesfürst. Siegmund von Tirol (1427 – 1496) startete denkbar schlecht in sein Amt als Landesfürst. Als sein Vater Friedrich IV. starb, war Siegmund erst 12 Jahre alt. Deshalb nahm ihn sein Onkel Friedrich III., der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs und Vater Maximilians I., in unfreiwillige Obhut und Vormundschaft. Man könnte sagen, Siegmund startete seine Karriere als Geisel des Kaisers, seines eigenen Vetters. Tirol war mittlerweile eine reiche Grafschaft, die direkte Kontrolle darüber wollte der Kaiser nur ungern aufgeben. Erst als die Tiroler Landstände gegen diese Bevormundung protestierten, konnte Siegmund sein Amt antreten. Der Tiroler Landtag hatte die Regierungsgeschäfte in Ermangelung eines Landesfürsten übernommen und so erstmals politisches Gewicht bewiesen. Mit 18 Jahren zog Siegmund in Innsbruck ein, um die Amtsgeschäfte zu übernehmen. Vier Jahre später heiratete er Eleonore von Schottland (1433 – 1480), die optisch wenig attraktive, 16 Jahre alte Tochter Königs Jakob aus dem Hause Stewart. Die Ehe sollte ohne Kinder bleiben.

Im selben Jahr erließ Siegmund die Schwazer Bergordnung, die zum Vorbild für alle Bergwerke der Habsburger werden sollte. Den Bergbeamten wurden, ähnlich den Universitäten, mehr Rechte innerhalb ihres Wirkungsbereiches gegeben. Für die Bergarbeiter gab es Sonderregelungen innerhalb der Gesellschaft, waren sie doch heiß begehrte Arbeitskräfte. Man kann von einer frühen sozial- und arbeitsrechtlichen Vereinbarung sprechen. Die Bergleute arbeiteten hart, verdienten aber verhältnismäßig gut. Sie bildeten eine Art Mittelschicht mit höherer Kaufkraft. Die Nachfrage nach Fleisch stieg an. Das hatte eine Veränderung der Landwirtschaft zur Folge. In stadtnahen Dörfern wie Pradl und Amras oder im Tiroler Unterland nahe den Bergwerken Hall und Schwaz östlich Innsbrucks entdeckten die Bauern die Viehzucht als einträglichere Quelle als den Ackerbau für sich. Bis heute unterscheiden sich die Anbauarten in den unterschiedlichen Regionen Tirols stark.

1484 ließ Siegmund die Münzprägeanstalt von Meran in Südtirol nach Hall verlegen, was ihm den Beinamen Siegmund der Münzreiche einbrachte. Für die kleine Stadt Hall, die ja in unmittelbarer Umgebung von Innsbruck liegt, sowie für Innsbruck selbst, bedeutete das eine immense Aufwertung. In Wahrheit war Siegmund aber trotz des reichen Landes, das er von Friedrich IV. geerbt hatte, auf Grund seines opulenten Lebenswandels nicht besonders münzreich im Gegensatz zu seinem Vater. In zweiter Ehe hatte er Katharina von Sachsen (1468 – 1524), eine Dame aus kurfürstlichem hocharistokratischem Haus, geheiratet. Es war wohl auch dem Einfluss und der Hofhaltung Siegmunds und seiner beiden Ehefrauen zu verdanken, dass die Ausgaben des Münzreichen auf lange Sicht die Einnahmen aus Steuern, Salinen und den Bergwerken überstiegen. Bei der landesfürstlichen Hochzeit 1484 umfasste allein der Zug der Braut 54 Wagen. Die Gäste mussten in Innsbruck einquartiert und verköstigt werden. Auch mit der 40 Jahre jüngeren Frau war dem mittlerweile senilen Siegmund männlicher Erbe vergönnt, was besonders bitter für ihn gewesen sein muss, betrachtet man die ihm nachgesagten 30 außerehelich gezeugten Kinder.

Innsbruck blühte unter Hofstaat und Säckel Siegmunds auf. Die Stadt war während seiner opulenten Regentschaft zu einem Anziehungspunkt für Handwerker, Goldschmiede und Künstler geworden. Der Stadtturm beim Alten Rathaus als Ausdruck des städtischen Wohlstands und erste Teile der Hofburg wurden unter Siegmund erbaut. Ein Glasmaler siedete sich in Innsbruck an und begründete die Tradition der Glasmalerei in Innsbruck. Um 1900 war die darauf zurückgehende Glasmalerei Innsbruck in der heutigen Glasmalereistraße einer der weltweit führenden Betriebe mit Niederlassungen in New York und München. Die Hofbibliothek wuchs im Gleichschritt mit Siegmunds und Eleonores humanistisch gelehrten Gästen. Beide galten als kunstsinnig und literarisch interessiert. Bücher waren in der Zeit vor der Erfindung des Buchdrucks ein teures Hobby. Auch fahrendes Volk und Schausteller waren am Hof gerne gesehen, um die einheimischen und internationalen Gäste zu unterhalten.

Gleichzeitig wurden die Zeiten rauer für die, die mit dem neuen Lebensrhythmus der Stadt nicht mithalten konnten. Man kann von circa 2000 Stadtbürgern zu dieser Zeit ausgehen. Der Hofstaat Sigmunds dürfte aus 500 Personen bestanden haben. Diese „Fremden“ erregten in Innsbruck Aufsehen. Die Kluft zwischen den sozialen Schichten wuchs. Der Hexenprozess von 1485 fanden in einem Klima aus Neid, Missgunst und Skepsis gegenüber den neuen Sitten statt, die in Innsbruck Einzug hielten.

Siegmund war nicht der erfolgreichste Herrscher Tirols, blieb dank seiner Verdienste um den kulturellen Aufschwung in Innsbruck aber bis heute in guter Erinnerung. Als er starb, war er bereits entmachtet und hatte unter dem Druck der Landstände die Herrschaft über Tirol an Maximilian I. übergeben müssen. Sein Hof war am Ende seiner Regierungszeit übermäßig aufgebläht und teuer. Ein verlorener Krieg mit den Schweizer Eidgenossen verpflichtete ihn zu Zahlungen. Siegmund musste habsburgische Besitzungen im Elsass und dem heutigen Breisgau an Karl den Kühnen von Burgund, den zukünftigen Schwiegervater Maximilians I. verpfänden. Die österreichischen Vorlande verkaufte er zu einem Spottpreis an das Herzogtum Bayern, die Tiroler Silberbergwerke verpfändete er an Jakob Fugger.

Maximilian I. und seine Zeit

Maximilian zählt zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der europäischen und der Innsbrucker Stadtgeschichte. Über Tirol soll der passionierte Jäger gesagt haben: "Tirol ist ein grober Bauernkittel, der aber gut wärmt." Er machte Innsbruck in seiner Regierungszeit zu einem der wichtigsten Zentren des Heiligen Römischen Reichs. „Wer immer sich im Leben kein Gedächtnis macht, der hat nach seinem Tod kein Gedächtnis und derselbe Mensch wird mit dem Glockenton vergessen.“ Dieser Angst wirkte Maximilian höchst erfolgreich aktiv entgegen. Unter ihm spielten Propaganda, Bild und Medien eine immer stärkere Rolle, bedingt auch durch den aufkeimenden Buchdruck. Maximilian nutzte Kunst und Kultur, um sich präsent zu halten. So hielt er sich eine Reichskantorei, eine Musikkapelle, die vor allem bei öffentlichen Auftritten und Empfängen internationaler Gesandter zum Einsatz kam. Das Goldene Dachl, die Hofburg, die Hofkirche und das Innsbrucker Zeughaus wurden von ihm maßgeblich initiiert, ebenso die Befestigung der Straßen und Gassen der Altstadt durch Pflasterung. Er ließ den Handelsweg im heutigen Mariahilf verlegen und verbesserte die Wasserversorgung der Stadt. Eine Feuerordnung gab es in Innsbruck bereits seit 1510. Mit der neuen Wasserleitung, die 25 Jahre zuvor unter Maximilian nach Innsbruck verlegt wurde, ergaben sich neue Möglichkeiten für den Brandschutz. 1499 veranlasste Maximilian die Salvatorikapelle, ein Spital für die notleidenden Innsbrucker, die keinen Anspruch auf einen Platz im Stadtspital der Bruderschaft hatten umzubauen. Er begann auch an den Privilegien des Stiftes Wilten, dem größten Grundherrn im heutigen Stadtgebiet, zu sägen. Infrastruktur im Besitz des Klosters wie Mühle, Säge und Sillkanal sollten stärker unter landesfürstliche Kontrolle kommen.

Der kaiserliche Hof, der immer wieder in Innsbruck ansässig war, transformierte Aussehen und Attitüde Innsbrucks. Gesandte und Politiker aus ganz Europa bis zum osmanischen Reich sowie Adelige ließen sich ihren Wohnsitz in Innsbruck bauen oder übernachteten in den Wirtshäusern der Stadt. Kulturell war es vor allem seine zweite Ehefrau Bianca Maria Sforza, die Innsbruck förderte. Nicht nur die Hochzeit fand hier statt, sie residierte auch lange Zeit hier, war die Stadt doch näher an ihrer Heimat Mailand als die anderen Residenzen Maximilians. Sie brachte ihren gesamten Hofstaat aus der Renaissancemetropole mit in die deutschen Länder nördlich der Alpen.

Innsbruck wurde unter Maximilian aber nicht nur kulturell zu einem Zentrum des Reiches, auch wirtschaftlich brummte die Stadt. Unter anderem war Innsbruck Zentrale des Postdienstes im Kaiserreich. Die Familie Thurn und Taxis erhielt das Monopol auf diesen wichtigen Dienst und wählte Innsbruck als Zentrale ihrer privaten Reichspost.

In der Waffenherstellung konnte Maximilian auf das Fachwissen der Büchsenmeister aufbauen, die sich bereits unter seinem Vorgänger Siegmund in den Gießereien in Hötting etabliert hatten. Der berühmteste von ihnen war Peter „Löffler“ Laiminger. Die Geschichte der Löfflers ist im Roman Der Meister des siebten Siegels ausgezeichnet verarbeitet.

Die Fugger unterhielten eine Kontorei in Innsbruck. Neben seiner ihm gerne unterstellten Liebe für die Tiroler Natur waren ihm die Kostbarkeiten wie das Haller Salz und das Schwazer Silber mindestens ebenso teuer und nützlich. Seinen aufwändigen Hofstaat, die Wahl zum König durch die Kurfürsten und die vielen Kriege finanzierte sich Maximilian unter anderem durch Verpfändung der Bodenschätze des Landes an die reiche Kaufmannsfamilie aus Augsburg.

Bei den Tiroler Bauern war Maximilian zu Lebzeiten lange unbeliebt. Maximilian beschnitt die bäuerlichen Rechte der Allmende. Holzschlag, Jagd und Fischerei wurden dem Landesherrn unterstellt und waren kein Allgemeingut mehr. Das hatte negative Auswirkungen auf die bäuerliche Selbstversorgung. Fleisch und Fisch, im Mittelalter für lange Zeit ein Teil des Speiseplans gewesen, nun wurde dieser Genuss zum Luxus. Es war um 1500, dass aus Jägern Wilderer wurden.

Viele Tiroler mussten auf den Schlachtfeldern den kaiserlichen Willen durchsetzen. Zahlreiche Auseinandersetzungen Maximilians fanden in unmittelbarer Nähe zu Tirol statt. Die Kriege verlangten den wehrfähigen Männern viel ab. Das änderte sich erst in den letzten Regierungsjahren. Über den geschickten politischen Zug des Tiroler Landlibells von 1511 konnte sich Maximilian die Zuneigung und Treue der Untertanen erkaufen und den Einfluss der Bischöfe von Brixen und Trient einschränken. Maximilian gestand den Tirolern in einer Art Verfassung zu, dass sie als Soldaten nur für den Krieg zur Verteidigung des eigenen Landes herangezogen werden dürfen.

Maximilians Wirken in Innsbruck zu fassen, ist schwierig. Er soll regelrecht verliebt in sein Land Tirol gewesen sein. Liebesbekundungen eines Kaisers schmeicheln natürlich der Volksseele bis heute. Seine materielle Hinterlassenschaft mit den vielen Prunkbauten verstärken dieses positive Image. Er machte Innsbruck zu einer kaiserlichen Residenzstadt und trieb die Modernisierung der Infrastruktur voran. Innsbruck wurde zum Zentrum der Rüstungsindustrie und wuchs wirtschaftlich und räumlich. Die Schulden, die er dafür aufnahm und das Landesvermögen, das er an die Fugger verpfändete, prägten Tirol nach seinem Tod mindestens ebenso wie die strengen Gesetze, die er der einfachen Bevölkerung verordnete. In der heutigen Volksseele sind die harten Zeiten nicht so präsent wie das Goldene Dachl und die in der Schule gelernten weichen Fakten und Legenden rund um den einflussreichen Kaiser. 2019 überschlug man sich mit den Feierlichkeiten zum 500. Todestag des für Innsbruck wohl wichtigsten Habsburgers. Der Wiener wurde wohlwollend eingebürgert. Salzburg hat Mozart, Innsbruck Maximilian, einen Kaiser, den Tiroler passend zur gewünschten Identität Innsbrucks als rauen Gesellen, der am liebsten in den Bergen ist, angepasst haben. Sein markantes Gesicht prangt heute auf allerhand Konsumartikeln, vom Käse bis zum Skilift steht der Kaiser für allerhand Profanes Pate. Lediglich für politische Agenden lässt er sich weniger gut vor den Karren spannen als Andreas Hofer. Wahrscheinlich ist es für den Durchschnittsbürger einfacher, sich mit einem revolutionären Wirt zu identifizieren als mit einem Kaiser.

Friedl mit der leeren Taschn

Der Tiroler Landesfürst Friedrich IV. (1382 – 1439) lebte in einer bewegten Zeit der habsburgischen und Innsbrucker Geschichte. Die Eckdaten seines Lebens wären taugliches Material für einen abenteuerlichen Mittelalterfilm. Friedrich übernahm mit 24 Jahren neben der Regentschaft in Vorderösterreich auch die Grafschaft Tirol. Vorderösterreich? Also Vorarlberg? Nicht ganz. Unter Vorderösterreich verstand sich der Besitz der Habsburger unter anderem in der Schweiz, in Vorarlberg, im Elsass und in Baden-Württemberg. Tirol und Vorderösterreich wurden seit Friedrich gemeinsam verwaltet als Oberösterreich. Damit war er einer der mächtigsten Fürsten des Heiligen Römischen Reiches. Von Anfang an war er in kostspielige Kriege und Konflikte gegen äußere Gegner sowie Konkurrenz innerhalb des Heiligen Römischen Reiches verwickelt. Appenzeller Aufständische in der heutigen Schweiz, eine innertirolische Fehde mit Heinrich von Rottenburg und ein Aufstand in Trient waren unter den letzten, die von reinen Ritterheeren geführt wurden.

Wie seine Vorgängerin auf dem landesfürstlichen Stuhl Margarethe kam auch Friedrich in Konflikt mit dem Papst. Es gab neben einem Papst in Rom auch einen Papst im französischen Avignon. Friedrich stellte sich auf die Seite von Johannes XXIII. Der König des Heiligen Römischen Reiches Sigismund aus dem Geschlecht der Luxemburger, der auf den Gegenpapst in Avignon setzte, ließ seinen reichsinternen Konkurrenten Friedrich dafür mit der Acht belegen und einsperren. Das bedeutete nicht nur den Freiheitsentzug, sondern auch den Verlust seiner Länder und einen Ausschluss aus er Kirche. Nach abenteuerlicher Flucht aus der Haft wieder in Innsbruck angelangt, musste Friedrich der Bevölkerung, vor allem dem landbesitzenden Kleinadel, von dem er unterstützt wurde, und den Städten, Reformen zugestehen. Neben Klerus, Adel und den Städten durften durch Friedrichs Gesetzänderung auch die Gerichte, die für die Verwaltung der Landgemeinden zuständig waren, ihre Vertreter in den Landtag entsenden. Seine Gegner verpassten ihm den Spitznamen Friedl mit der leeren Tasche.

Dieser Spitzname blieb im Volksmund erhalten, auch wenn er am Ende seiner Regentschaft durch die reichen Silberfunde in Schwaz und Gossensass sowie durch Zölle und Maut auf den Handel zwischen Venedig und Augsburg einer der reichsten Fürsten Europas seiner Zeit war. Durch die Silberfunde und die damit einhergehende Bergwerkswirtschaft im nahen Schwaz wurde das Sozialgefüge auch in Innsbruck beeinflusst. Die Macht der Zünfte nahm zu. Zwar war Innsbruck vom Umland abhängig, was die Versorgung mit Lebensmitteln betraf, durch den wachsenden Wohlstand der Stadt war es aber leichter sich durch diese Krisenzeit zu manövrieren als in rein ländlichen Gebieten. Als Friedrich starb, war Tirol dank der Silberfunde in Schwaz, es war die größte Mine Europas, zu einem wichtigen Land innerhalb des Habsburgerreiches aufgestiegen.

Innsbruck war zwar gewachsen, noch immer aber eine kleine Stadt. Der ausschlaggebende Grund, warum er in bis heute bekannt ist, ist sein Entschluss, die Stadt 1420 zu seiner Residenz zu machen. Meran war der Stammsitz der Grafen von Tirol gewesen und blieb noch bis 1849 die offizielle Tiroler Landeshauptstadt, in der hatte spätestens seit Friedrichs Umzug Innsbruck die Nase vorn. Unter seine Regentschaft wurden die Lauben in der Herzog-Friedrich-Straße angelegt. Europaweit war das 15. Jahrhundert wegen des tendenziell schlechteren Klimas als in den Vorperioden eine wirtschaftlich schwierige Zeit, geprägt von Missernten. Durch Handel und den Impuls, den die Übersiedlung des Hofstaats brachte, blühte Innsbruck aber gegen den europaweiten Trend auf. Mit dem Hofstaat kamen Beamte, Dienstpersonal, Händler, Finanziers und Soldaten, die Geld in die Stadt brachten. Vor allem die Handwerkszünfte sollten zum Wirtschaftsmotor und zur Basis für die spätere frühindustrielle Fertigung werden. Es ist schwer zu sagen, wie sich die Übersiedlung der Residenz konkret auf Innsbrucks Bevölkerungszahl auswirkte. Der Hofstaat Friedrichs brachte mit seiner neuen Art zu wirtschaften aber ein neues soziales Gefüge. Gastwirtschaften eröffneten und baten Abwechslung im Alltag. Fahrende Theater und Schaukünstler kamen in die Stadt. Wie in vielen europäischen Städten im deutschsprachigen Raum schwappte die Urbanisierung aus den italienischen Ländern über und brachte eine Spezialisierung der Berufswelt und noch stärkerer Arbeitsteilung. Zuzug und Veränderungen sorgten auch für Probleme. Die Xenophobie der abergläubischen, oft analphabetischen und wenig gebildeten Bevölkerung nahm nicht im gleichen Tempo ab, wie sich die Zustände änderten. Soziale Spannungen zwischen Alteingesessenen und neuen Bürgern, Handwerkern, Händlern, Bauern und Mitgliedern des Hofstaates waren Alltag im Innsbruck Friedrichs.

Baumeisterdynastie Türing: Innsbruck wird Weltstadt

Siegmund der Münzreiche war es, der im 15. Jahrhundert Niklas Türing (1427 – 1496) nach Innsbruck holte. Die Türings waren eine Steinmetz- und Baumeisterfamilie aus dem heutigen Schwaben, das damals als Teil Vorderösterreich zur Habsburgermonarchie gehörte. Innsbruck war seit einigen Jahrzehnten Residenzstadt der Tiroler Landesfürsten, der architektonische Glanz war aber noch nicht nördlich der Alpen angekommen. Die Stadt war eine Ansammlung von Holzhäusern und wenig repräsentativ. Für Handwerker und Baumeister brachen goldene Zeiten an, die unter Maximilian nochmals mehr an Fahrt aufnehmen sollte. Es kam zu einem wahren Bauboom. Aristokraten wollten einen Wohnsitz in der Stadt haben, um möglichst nahe am Zentrum der Macht zu sein. Die Politik spielte sich in der Zeit vor Presse, funktionierendem Postwesen, Fax und E-Mail vor allem im direkten Kontakt ab.

Die frühe Gotik und später die Renaissance hatte im Lauf des Spätmittelalters Europa mit einem neuen Verständnis von Architektur und Ästhetik in ein neues architektonisches Gewand getaucht. Bauten wie Notre Dame oder der Minster of York setzten den Trend, der ganz Europa bis zum Einsetzen des Barocks prägen sollte. Spitze Türme, Rippengewölbe, Erker und verspielte Schnitzereien, die den höfischen Alltag darstellen sind einige typische Merkmale, die den heterogenen Stil erkennbar machen. Vor allem in der Altstadt kann man das Wirken der Türings gut nachverfolgen. Viele der Bürgerhäuser weisen heute noch gotische Grundrisse, Innenhöfe und Schnitzereien auf.

Die Türings prägten das gotische Innsbruck in der Übergangszeit zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit. Auf Niklas Türing geht das Goldene Dachl zu einem guten Teil zurück. Er schuf auch die Statue des Burgriesen Haidl, eines besonders großen Mitglieds der Leibgarde Siegmunds, die heute im Stadtturm zu besichtigen ist. Kaiser Maximilian schätzte ihn derart hoch ein, dass er es ihm gestattete das Familienwappen der Türings und seiner Frau, einen Brunnen und einen Fisch, im Gewölbe des Goldenen Dachls zu verewigen. Sein Sohn Gregor verewigte sich unter anderem mit dem Trautsonhaus in der Herzog-Friedrich-Straße und am Burgriesenhaus in der Domgasse. Der letzte der Türings mit Einfluss auf die Innsbrucker Bauszene war Niklas Türing der Jüngere, der mit Andrea Crivelli gemeinsam die Planungen an der Hofkirche begann. Im 16. und 17. Jahrhundert begann der Einfluss der Gotik vor allem im heutigen Österreich nachzulassen. Vor allem Kirchen wurden im Rahmen der Gegenreformation zunehmend im Barockstil um- und neugebaut. In Innsbrucks Osten erinnert heute die Türingstraße an die frühneuzeitliche Baumeisterdynastie.

Innsbruck und das Haus Habsburg

Innsbrucks Innenstadt wird heute von Gebäuden und Denkmälern geprägt, die an die Familie Habsburg erinnern. Die Habsburger waren über viele Jahrhunderte ein europäisches Herrscherhaus, zu dessen Einflussbereich verschiedenste Territorien gehörten. Am Zenit ihrer Macht waren sie die Herrscher über ein „Reich, in dem die Sonne nie untergeht“. Durch Kriege und geschickte Heirats- und Machtpolitik saßen sie in verschiedenen Epochen an den Schalthebeln der Macht zwischen Südamerika und der Ukraine. Innsbruck war immer wieder Schicksalsort dieser Herrscherdynastie. Besonders intensiv war das Verhältnis zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert. Durch die strategisch günstige Lage zwischen den italienischen Städten und deutschen Zentren wie Augsburg und Regensburg kam Innsbruck spätestens nach der Erhebung zur Residenzstadt unter Kaiser Maximilian ein besonderer Platz im Reich zu. Manche der Habsburger Landesherren hatten weder eine besondere Beziehung zu Tirol noch brachten sie diesem deutschen Land besondere Zuneigung entgegen. Ferdinand I. (1503 – 1564) wurde am spanischen Hof erzogen. Maximilians Enkel Karl V. war in Burgund aufgewachsen. Als er mit 17 Jahren zum ersten Mal spanischen Boden betrat, um das Erbe seiner Mutter Johanna über die Reiche Kastilien und Aragorn anzutreten, sprach er kein Wort spanisch. Als er 1519 zum Deutschen Kaiser gewählt wurde, sprach er kein Wort Deutsch.

Tirol war Provinz und als konservativer Landstrich der Herrscherfamilie meist zugetan. Die schwer zugängliche Lage machte es zum perfekten Fluchtort in unruhigen und krisenhaften Zeiten. Karl V. (1500 – 1558) floh während einer Auseinandersetzung mit dem protestantischen Schmalkaldischen Bund für einige Zeit nach Innsbruck. Ferdinand I. (1793 – 1875) ließ seine Familie fern der osmanischen Bedrohung im Osten Österreichs in Innsbruck verweilen.  Franz Josef I. genoss kurz vor seiner Krönung im turbulenten Sommer der Revolution 1848 gemeinsam mit seinem Bruder Maximilian, der später als Kaiser von Mexiko von Aufständischen Nationalisten erschossen wurde, die Abgeschiedenheit Innsbrucks. Eine Tafel am Alpengasthof Heiligwasser über Igls erinnert daran, dass der Monarch hier im Rahmen seiner Besteigung des Patscherkofels nächtigte.

Nicht alle Habsburger waren stets glücklich in Innsbruck zu sein. Angeheiratete Prinzen und Prinzessinnen wie Maximilians zweite Frau Bianca Maria Sforza oder Ferdinand II. zweite Frau Anna Caterina Gonzaga strandeten ungefragt nach der Hochzeit in der rauen, deutschsprachigen Bergwelt. Stellt man sich zudem vor, was ein Umzug samt Heirat von Italien nach Tirol zu einem fremden Mann für einen Teenager bedeutet, kann man erahnen, wie schwer das Leben der Prinzessinnen war. Kinder der Aristokratie wurden bis ins 20. Jahrhundert vor allem dazu erzogen, politisch verheiratet zu werden. Widerspruch dagegen gab es keinen. Man mag sich das höfische Leben als prunkvoll vorstellen, Privatsphäre war in all dem Luxus nicht vorgesehen.

Als Sigismund Franz von Habsburg (1630 – 1665) als letzter Landesfürst kinderlos starb, war auch der Titel der Residenzstadt Geschichte und Tirol wurde von einem Statthalter regiert. Der Tiroler Bergbau hatte an Wichtigkeit eingebüßt. Kurz darauf verloren die Habsburger mit Spanien und Burgund ihre Besitzungen in Westeuropa, was Innsbruck vom Zentrum an den Rand des Imperiums rückte. In der K.u.K. Monarchie des 19. Jahrhunderts war Innsbruck der westliche Außenposten eines Riesenreiches, das sich bis in die heutige Ukraine erstreckte. Franz Josef I. (1830 – 1916) herrschte zwischen 1848 und 1916 über ein multiethnisches Vielvölkerreich. Sein neoabsolutistisches Herrschaftsverständnis allerdings war aus der Zeit gefallen. Österreich hatte seit 1867 zwar ein Parlament und eine Verfassung, der Kaiser betrachtete diese Regierung allerdings als „seine“. Minister waren dem Kaiser gegenüber verantwortlich, der über der Regierung stand. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zerbrach das marode Reich. Am 28. Oktober 1918 wurde die Republik Tschechoslowakei ausgerufen, am 29. Oktober verabschiedeten sich Kroaten, Slowenen und Serben aus der Monarchie. Der letzte Kaiser Karl dankte am 11. November ab.  Am 12. November erklärte sich „Deutschösterreich zur demokratischen Republik, in der alle Gewalt vom Volke ausgeht“. Das Kapitel der Habsburger war beendet.

Bei allen nationalen, wirtschaftlichen und demokratiepolitischen Problemen, die es in den Vielvölkerstaaten gab, die in verschiedenen Kompositionen und Ausprägungen den Habsburgern unterstanden, die nachfolgenden Nationalstaaten schafften es teilweise wesentlich schlechter die Interessen von Minderheiten und kulturellen Unterschiede innerhalb ihres Territoriums unter einen Hut zu bringen. Seit der EU-Osterweiterung wird die Habsburgermonarchie von einigen wohlmeinenden Historikern als ein vormoderner Vorgänger der Europäischen Union gesehen. Gemeinsam mit der katholischen Kirche prägten die Habsburger den öffentlichen Raum über Architektur, Kunst und Kultur. Goldenes Dachl, Hofburg, die Triumphpforte, Schloss Ambras, der Leopoldsbrunnen und viele weitere Bauwerke erinnern bis heute an die Präsenz der wohl bedeutendsten Herrscherdynastie der europäischen Geschichte in Innsbruck.