Hofzwerg & Burgriese

Hofgasse 12

Hofzwerg Thomele Innsbruck am Burgriesenhaus Haidl

Gegenüber dem Eingang der Hofburg in der Hofgasse erinnert ein Haus noch an zwei außergewöhnliche Innsbrucker, den Hofzwerg Thomele und den Burgriesen Haidl. Die Fassade wird von einem Bild des Hofzwergs samt Gedicht geschmückt: „Unter Gottes Segen u. hl. Marias Hand, ist diese Haus den kleinen Riesen zuerkannt.“ Thomele diente am Hof von Ferdinand II., dem kunstsinnigen Tiroler Landesfürsten, zur Belustigung. Hofzwergen und Hofnarren war es damals gestattet den Regenten zu kritisieren. Zu beneiden war der kleine Mann trotzdem nicht, obwohl Zwerge als gefragte Bespaßer durchaus heiß begehrt waren. Waren die Vorführungen nicht nach dem Sinn der Regenten, waren Tritte, Schläge und Ohrfeigen wohl an der Tagesordnung. Ferdinand soll sich trotz seiner sonst gerne zur Schau gestellten Kultiviertheit gleich mehrere Zwerge am Hof gehalten haben. Für Fürsten seiner Zeit war das nicht außergewöhnlich. Der Riese Nikolaus Haidl war der Bodyguard von Erzherzog Siegmund. Seine gigantischen Skelettreste wurden 1866 bei Bauarbeiten im Innsbrucker Dom in der Gruft gefunden, er ist also keine Sagengestalt, sondern existierte tatsächlich. Im ersten Stock des Stadtturms befindet sich eine Steinfigur, die aus der Nische der Fassade des Burgriesenhauses entfernt wurde.

Das Burgriesenhaus entstammt wie viele andere Gebäude der Altstadt der Baumeisterkunst der Türings. Die stattliche Eingangstür zum Wohnhaus des Burgriesen mit dem „Flüsterbogen“ in der Hofgasse ist eine echte Innsbrucker Kuriosität. Flüstert doch auf einer Seite des Eingangsbogens etwas hinein und schaut, ob der Gesprächspartner das geflüsterte Wort hört, wenn er das Ohr an den Bogen auf der anderen Seite des Tores legt.

Mit Prinz Eugen (1663 – 1736) beherbergte das Haus einen der größten Helden der österreichischen Geschichte. Francois-Eugene de Savoie-Carignan war eigentlich französischer Untertan des Sonnenkönigs Ludwig XIV. und Mitglied des französischen Hochadels. Die Legende besagt, es sei wegen seiner schmächtigen Gestalt gewesen, dass er vom französischen Heer abgelehnt wurde. Wahrscheinlich ist es, dass seine Familie durch unglückliche Umstände in königliche Ungnade gefallen war, weshalb sich Eugen bei den Habsburgern, den langjährigen Rivalen der französischen Monarchie in den Militärdienst begab. Dass er mittellos nach Wien kam, ist wohl ebenfalls eine Legende. Den Respekt musste er sich aber wohl hart erarbeiten. Zwischen 1683 und 1718, einer der kriegerischsten Perioden der Geschichte des Hauses Habsburg, kämpfte er in allen Kriegen. Seine Sporen verdiente er sich in den beiden Türkenkriegen in den Schlachten bei Belgrad, Mainz und Wien. 1706 konnten die Habsburger unter Prinz Eugens Kommando die französische Armee in der Schlacht von Turin besiegen. Auch im Spanischen Erbfolgekrieg war Prinz Eugen einer der wichtigsten Militärs. Viele Gebietsgewinne, die Österreich in dieser Zeit verbuchen konnte, waren seinem militärischen Geschick geschuldet. Er wurde als gebürtiger Franzose Mitglied des Geheimen Rats des Kaisers und zum Präsidenten des Hofkriegsrats. Zwischen 1716 und 1724 war er Statthalter der Österreichischen Niederlande. Mit seinem Privatvermögen wurde er zu einem der wichtigsten privaten Bauherren zwischen Budapest und Wien. Er hielt prunkvoll Hof im Stile eines absolutistischen Fürsten, betrieb gleichzeitig Korrespondenz mit den wichtigsten Gelehrten seiner Zeit wie Leibniz, Montesquieu und Voltaire, war er doch als gebildeter wissenschafts- und kunstinteressierter Sammler auch auf diesem Gebiet eine berühmte Persönlichkeit. Gemälde zeigten ihn im barocken Glanz, Lieder wurden auf ihn als den Bewahrer des christlichen Europas vor der Türkengefahr gesungen. Ähnlich wie Andreas Hofer wird auch er immer wieder für nationalistische und populistische Zwecke vor den Karren gespannt, die ihm wohl wenig gefallen hätten. Prinz Eugen, ein Franzose in Diensten des Erzfeindes, war am Zenit seiner Macht nach den Kaisern, unter denen er diente, wohl der einflussreichste Mann Europas. Er war Militär, Nationalist war er keiner. Sein Körper liegt im Wiener Stephansdom bestattet, sein Herz getrennt davon in der Basilica di Superga in Turin, der Grabeskirche des Hauses Savoy, dem er entstammt. Seine indirekten Nachfahren aus diesem französischen Adelsgeschlecht sollten in den Italienischen Unabhängigkeitskriegen zwischen 1848 und 1866 gegen Österreich kämpfen und die Einheit Italiens herstellen. In Innsbruck erinnert die Prinz-Eugen-Straße im Saggen an diesen franko-austro-europäischen Militär im Dienst der Habsburger.

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Siegmund der Münzreiche

Einer der populärsten Habsburger in der Geschichte Innsbrucks trägt den Beinamen der „Münzreiche“. Er schaffte es zur gleichen Zeit eine Renaissance der Stadt Innsbruck einzuleiten und das Land Tirol an den finanziellen Abgrund zu treiben. Siegmund von Tirol (1427 – 1496) startete schon denkbar schlecht in sein Amt als Landesfürst. Als sein Vater Friedrich IV. (79) starb, war Siegmund erst 12 Jahre alt. Deshalb nahm ihn der sein Onkel Friedrich III., der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs und Vater Maximilians I., in unfreiwillige Obhut und Vormundschaft. Man könnte sagen, Siegmund startete seine Karriere als Geisel des Kaisers, seines Vetters. Tirol war mittlerweile eine reiche Grafschaft, die direkte Kontrolle darüber wollte der Kaiser nur ungern aufgeben. Erst als die Tiroler Landstände gegen diese Bevormundung protestierten, konnte Siegmund sein Amt antreten. Der Tiroler Landtag, die vier Stände, hatte die Regierungsgeschäfte in Ermangelung eines Landesfürsten übernommen und so erstmals politisches Gewicht bewiesen. Mit 18 Jahren zog Siegmund in Innsbruck ein, um die Amtsgeschäfte zu übernehmen. 1449 heiratete Eleonore, eine schottische Prinzessin. Im selben Jahr erließ er die Schwazer Bergordnung, die zum Vorbild für alle Bergwerke der Habsburger werden sollte. Den Bergbeamten wurden, ähnlich den Universitäten, mehr Rechte innerhalb ihres Wirkungsbereiches gegeben. Für die Bergarbeiter gab es Sonderregelungen innerhalb der Gesellschaft, waren sie doch heiß begehrte Arbeitskräfte. Man kann durchaus von einer frühen sozial- und arbeitsrechtlichen Vereinbarung sprechen. Die Nachfrage nach Fleisch, einem raren Gut im normalen Volk, durchaus leistbar für die neue, wohlhabendere Schicht, stieg an. Das hatte eine Veränderung der Landwirtschaft zur Folge, die vor allem im Tiroler Unterland östlich Innsbrucks die Viehzucht als einträglichere Quelle als den Ackerbau für sich entdeckte. 1484 ließ Siegmund die Münzprägeanstalt von Meran in Südtirol nach Hall verlegen, was ihm den Beinamen Siegmund der Münzreiche einbrachte. Für die kleine Stadt Hall, die ja in unmittelbarer Umgebung von Innsbruck liegt, sowie für Innsbruck selbst, bedeutete das eine immense Aufwertung. In Wahrheit war Siegmund aber trotz des reichen Landes, das er von Friedrich IV. geerbt hatte, auf Grund seines opulenten Lebenswandels nicht besonders münzreich im Gegensatz zu seinem Vater, der ungerechterweise den weniger schmeichelhaften Spitznamen "Friedl mit der leeren Tasche" erhielt. In zweiter Ehe hatte er Katharina von Sachsen, eine Dame aus kurfürstlichem hocharistokratischem Haus, geheiratet. Es war wohl auch dem Einfluss und der Hofhaltung seiner beiden Ehefrauen zu verdanken, dass die Ausgaben des Münzreichen auf lange Sicht die Einnahmen aus Steuern, Salinen und den Bergwerken überstiegen. Man kann von circa 2000 Stadtbürgern zu dieser Zeit ausgehen. Der Hofstaat Sigmunds dürfte aus 500 Personen bestanden haben. Diese „Fremden“ erregten in Innsbruck Aufsehen. Bei der Hochzeit 1484 umfasste allein der Zug der Braut 54 Wagen, deren Teilnehmer in Innsbruck einquartiert und verköstigt werden mussten. Auch seine mehr als 30 ihm nachgesagten unehelichen Kinder waren der Stabilität seiner Regierung nicht zuträglich. Innsbruck war unterdessen zu einem Anziehungspunkt für Handwerker, Goldschmiede und Künstler geworden. Der Stadtturm beim Alten Rathaus als Ausdruck des städtischen Wohlstands und erste Teile der Hofburg wurden unter Siegmund erbaut. Ein Glasmaler siedete sich in Innsbruck an und begründete die Tradition der Glasmalerei in Innsbruck. Um 1900 war die Glasmalerei Innsbruck in der heutigen Glasmalereistraße einer der weltweit führenden Betriebe mit Niederlassungen in New York und München. Die Hofbibliothek wuchs unter Siegmunds humanistisch gelehrten Gästen. Bücher waren in der Zeit vor der Erfindung des Buchdrucks ein teures Hobby. Auch fahrendes Volk und Schausteller waren am Hof gerne gesehen, um die einheimischen und internationalen Gäste zu unterhalten. Die Stadt blühte unter Hofstaat und Säckel Siegmunds erstmals richtig auf. Gleichzeitig wurden die Zeiten aber auch rauer für die, die mit dem neuen Lebensrhythmus der Stadt nicht mithalten konnten. Die Abgehängten, die heute von Populisten politisch angesprochen werden, gab es schon damals. Der Hexenprozesse von 1485 (81) fanden in einem Klima aus Neid, Missgunst und Skepsis gegenüber den neuen Sitten statt. Als Siegmund 1496 starb, war er bereits entmachtet und hatte 1490 die Herrschaft über Tirol an Kaiser Maximilian I. übergeben müssen. Bei den Tiroler Landständen war Siegmund nicht besonders populär. Auf ihren Druck hin musste er deshalb bereits zu Lebzeiten seinen Platz räumen. Ein verlorener Krieg mit den Schweizer Eidgenossen verpflichtete ihn zu Zahlungen. Sein Hof war am Ende seiner Regierungszeit übermäßig aufgebläht und teuer, bis zu 500 Personen gehörten ihm an, unter anderem der Burgriese Nikolaus Haidl. Bedenkt man, dass dieser Hofstaat von den Abgaben des Landadels und der Bauernschaft ernährt werden musste, kann man den Unmut der Landstände wohl nur zu gut verstehen. Er musste habsburgische Besitzungen im Elsass und dem heutigen Breisgau an Karl den Kühnen von Burgund, den zukünftigen Schwiegervater Maximilians I. (83) verpfänden. Die österreichischen Vorlande verkaufte er zu einem Spottpreis an das Herzogtum Bayern, die Tiroler Silberbergwerke verpfändete er an Jakob Fugger ((85). Trotzdem, auf Grund der Entwicklung, die Innsbruck unter seiner Regentschaft nahm und seines originellen Beinamens, zählt er heute noch zu den bekanntesten und bedeutendsten Habsburgern in der Geschichte der Stadt.

Ferdinand II.: Renaissance, Glanz und Glamour

Erzherzog Ferdinand II. von Österreich (1529 – 1595) zählt zu den schillerndsten Figuren der Tiroler Landesgeschichte. Er wuchs am spanischen Hof seines Onkels, Kaiser Karl V., auf, um als Kosmopolit für zukünftige für die Habsburger Regierungsgeschäfte fit zu sein. Das Haus Habsburg herrschte im 16. Jahrhundert dank der klugen und glücklich verlaufenen Heiratspolitik Maximilians über das Spanische Reich ebenso wie die österreichischen Erblande. Da Spanien im neu von Europa entdeckten Amerika Kolonien betrieb, galt das Imperium Habsburg als Reich, in dem die Sonne nie untergeht. Tirol zählte zu den wichtigsten Ländern des Habsburgerreiches. Einen Teil seiner Jugend verbrachte er am Hof in Innsbruck, auch der war aber spanisch geprägt zu dieser Zeit. Sein Vater Kaiser Ferdinand I. ließ seinem Sohn eine ausgezeichnete Ausbildung angedeihen, die sich später in seinem kunstsinnigen Wesen äußern sollte. In jungen Jahren war er durch Italien und Burgund gereist, und hatte an den wohlhabenden Höfen dort einen Lebensstil kennengelernt, der sich unter der deutschen Aristokratie noch nicht durchgesetzt hatte. Ferdinand hatte Tirol als Landesfürst in turbulenten Zeiten übernommen. Die Bergwerke in Schwaz begannen wegen des billigen Silbers aus Amerika unrentabel zu werden. Die Silberschwemme aus der Neuen Welt führte zu einer Inflation. Die Lebenskosten stiegen vor allem für die ärmeren Bevölkerungsschichten. Gleichzeitig hatten die Habsburger Landesherren Schulden bei den Fuggern, quasi ein Erbe Maximilians. Die kirchliche Reformation (86) erzeugte soziale Turbulenzen. Menschenbild und das Verhältnis zu Obrigkeit und Gott veränderten sich. Machiavelli schrieb sein Werk „Il Principe“, in dem davon die Rede war, dass Fürsten, so sie denn unfähig waren, auch abgesetzt werden könnten. Ferdinand II. probierte diesem frühen, modernen, absolutistischen Führungsstil gerecht zu werden und erließ mit einer neuen Tiroler Landesordnung ein juristisches Regelwerk. Die italienischen Städte waren stilbildend in Politik, Wirtschaft und Ästhetik. Künstler und Denker wie Leonardo da Vinci und Michelangelo prägten die Zeit. Der Tiroler Hof des charmanten, intelligenten und kunstsinnigen Ferdinand sollte diesen Städten in nichts nachstehen. Seine Maskenbälle und Umzüge waren legendär. Bei weniger exzentrischen Zeitgenossen genoss Ferdinand den Ruf eines unmoralischen und genusssüchtigen Wüstlings und stand wohl nicht ganz zu Unrecht unter dem Verdacht, ausschweifende und unsittliche Orgien zu veranstalten. Zwar verschlang auch sein Hofstaat Unsummen, zumindest konnte er die Innsbrucker Wirtschaft darüber wieder etwas ankurbeln. Die Steuerlast auf die bäuerliche und bürgerliche Bevölkerung stieg dadurch noch weiter. Ferdinand ließ mit diesem Geld Innsbruck im Geist der Renaissance umgestalten. Ganz im Trend der Zeit ahmte er die italienischen Adelshöfe wie Florenz, Mantua, Ferrara oder Mailand nach. Hofarchitekt Giovanni Lucchese stand ihm dabei zur Seite. Vorbei sollten die Zeiten sein, in denen Deutsche in den schöneren Städten südlich der Alpen als unzivilisiert, barbarisch oder gar als Schweine bezeichnet wurden. Unter Ferdinand kehrte ein neuer Stil in Innsbruck ein, teuer, aber glanzvoll. Westlich der Stadt erinnert ein Torbogen noch an den Tiergarten, ein Jagdrevier Ferdinands samt Lusthaus entworfen von Lucchese. Das Lusthaus wurde 1786 durch den heute als Pulverturm bekannten Bau ersetzt, der einen Teil der sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck beheimatet. Man könnte sagen, dem fürstlichen Sport des Jagens folgte im ehemaligen Lusthaus, das der Pulverturm war, die Sportuniversität nach. Das fürstliche Comedihaus am heutigen Rennweg entstand ebenfalls unter der baulichen Leitung Luccheses.

Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte Ferdinand auf Schloss Ambras bei Innsbruck, wo er sich eine der kostbarsten Sammlungen von Kunstwerken und Rüstungen anlegte, die noch heute zu den wertvollsten der Welt ihrer Art zu zählen ist. Gemeinsam mit der Kunstsammlung des französischen Königs Franz I., aus denen das Louvre hervorgehen sollte, den päpstlichen Sammlungen und den öffentlich in Florenz auf der Piazza della Signoria ausgestellten Kunstwerken, die man heute teilweise in den Uffizien bewundern kann, zählte die Kunstsammlung Ferdinands zu den ersten Ausstellungen, die man als Museum bezeichnen kann. Ferdinand kann getrost als Gründer wissenschaftlicher und künstlerischer Sammlungen bezeichnet werden. In späteren Zeiten sollten bürgerliche Schichten diese Tradition in Vereinen und Museen wie dem Ferdinandeum in Innsbruck weiterführen. Die Jesuiten, kurz vor Ferdinands Amtsantritt in Innsbruck eingetroffen, um lästigen Reformatoren und Kirchenkritikern das Leben schwer zu machen und die kirchliche Präsenz verstärken, erhielten in der Silbergasse eine neue Kirche. Es mag heute als Widerspruch scheinen, dass der genusssüchtige Landesfürst Ferdinand als Katholik und Gegenreformator die Kirche verteidigte, in der Zeit des Humanismus war es das nicht. Mit seinen Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung war er ebenfalls auf der Linie der Jesuiten. Natürlich, die kirchliche Ordnung vermochte die Untertanen zu disziplinieren, die Habsburger waren aber bis zum Ende der Dynastie fast durchgehend wahrhaft fromme Zeitgenossen.

In erster "halbwilder Ehe" war Ferdinand mit der Bürgerlichen Philippine Welser verheiratet. Ein Skandal für die damalige Zeit. Für seine über alles geliebte Frau ließ Ferdinand Schloss Ambras in die heutige Form bringen. Sein Bruder Maximilian meinte gar, dass "Ferdinand verzaubert sai" von der schönen Philippine Welser, als Ferdinand während des Türkenkriegs seine Truppen abzog, um nach Hause zu seiner Frau zu gehen. Erben konnte sie ihm allerdings keinen schenken. Die Kinder, die sie gemeinsam zeugten, konnten ob der strengen Gesellschaftsordnung des 16. Jahrhunderts allesamt nicht anerkannt werden. Nachdem Philippine Welser verstorben war, heiratete Ferdinand mit 53 Jahren die tiefgläubige Anna Caterina Gonzaga, eine erst 16jährige Prinzessin von Mantua. Große Zuneigung haben die beiden allem Anschein nach aber nicht zueinander empfunden, zumal Anna Caterina eine Nichte Ferdinands war. Die Habsburger waren beim Thema Hochzeit unter Verwandten weniger zimperlich als bei der Ehe eines Adeligen mit einer Bürgerlichen. Auch mit ihr konnte er allerdings "nur" drei Töchter zeugen. Ob der Geschichten um Ferdinands legendären Feste auf Schloss Ambras verwundert es kaum, dass er sich nicht bei seiner zweiten Ehefrau Anna Caterina Gonzaga im Servitenkloster, sondern mit der im Volk sehr beliebten ersten Ehefrau in der silbernen Kapelle an der Innsbrucker Hofburg beerdigen ließ.

Baumeisterdynastie Türing: Innsbruck wird Weltstadt

Siegmund der Münzreiche war es, der im 15. Jahrhundert Niklas Türing nach Innsbruck holte. Die Türings waren eine Steinmetz- und Baumeisterfamilie aus dem heutigen Schwaben, das damals als Vorderösterreich zur Habsburgermonarchie gehörte. Die Stadt war zur Residenzstadt der Fürsten von Tirol und dank der Silberminen in Schwaz und der Münzprägeanstalt in Hall zu einem bedeutenden Zentrum geworden. Für Baumeister war eine goldene Zeit angebrochen, die unter Maximilian (83) nochmals mehr an Fahrt aufnehmen sollte. Als eine der wichtigsten Städte im Heiligen Römischen Reich war es für die Aristokratie von Vorteil eine eigene Residenz in oder rund um Innsbruck zu haben, um Landesfürst, Kaiser und Wirtschaft möglichst nahe zu sein. Die Politik spielte sich in der Zeit vor Presse, Post und E-Mail vor allem im direkten Kontakt ab. Es kam zu einem wahren Bauboom. Die Türings prägten das gotische Innsbruck in der Übergangszeit zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit. Die frühe Gotik und später die Renaissance hatte im Lauf des Spätmittelalters Europa mit einem neuen Verständnis von Architektur und Ästhetik in ein neues architektonisches Gewand getaucht. Bauten wie Notre Dame oder der Minster of York setzten den Trend, der ganz Europa bis zum Einsetzen des Barocks prägen sollte. Spitze Türme, Rippengewölbe, Erker und verspielte Schnitzereien, die den höfischen Alltag darstellen sind einige typische Merkmale, die den heterogenen Stil erkennbar machen. Vor allem in der Altstadt kann man das Wirken der Türings gut nachverfolgen. Viele der Bürgerhäuser weisen noch gotische Grundrisse, Innenhöfe und Schnitzereien auf. Auf Niklas Türing geht das berühmte Goldene Dachl zu einem guten Teil zurück. Er schuf auch die Statue des Burgriesen Haidl, eines besonders großen Mitglieds der Leibgarde Siegmunds, die heute im Stadtturm zu besichtigen ist. Kaiser Maximilian schätzte ihn derart hoch ein, dass er es ihm gestattete das Familienwappen der Türings und seiner Frau, einen Brunnen und einen Fisch, im Gewölbe des Goldenen Dachls zu verewigen. Sein Sohn Gregor verewigte sich unter anderem am Trautsonhaus in der Herzog-Friedrich-Straße und am Burgriesenhaus in der Domgasse. Der letzte der Türings mit Einfluss auf die Innsbrucker Bauszene war Niklas Türing der Jüngere, der mit Andrea Crivelli gemeinsam die Planungen an der Hofkirche begann. Im 16. und 17. Jahrhundert begann der Einfluss der Gotik vor allem im heutigen Österreich nachzulassen. Vor allem Kirchen wurden im Rahmen der Gegenreformation (86) zunehmend im Barockstil (93) um- und neugebaut. In Innsbrucks Osten erinnert heute die Türingstraße an diese bedeutende Familie der Innsbrucker Stadtgeschichte.