Innsbruck als Teil des Imperium Romanum

Meilenstein Via Raetia Innsbruck
Innsbruck als Teil des Imperium Romanum

Das Inntal war natürlich nicht erst mit der der römischen Eroberung besiedeltes Gebiet. Die als wild, räuberisch und barbarisch beschrieben Alpenbewohner wurden von griechischen und römischen Schriftstellern mit dem recht diffusen Sammelbegriff „Raeter“ tituliert. Sich selbst bezeichneten diese Menschen wahrscheinlich nicht so. Heute versteht die Forschung unter dem Begriff Raeter die Einwohner Tirols, des unteren Engadin und des Trentino, dem Gebiet der Fritzens-Sanzeno Kultur, benannt nach ihren großen archäologischen Fundorten. Zweigeschossige Häuser mit Steinfundamenten gruppiert in Haufendörfern, ähnliche Sprachidiome, Brandopferplätze wie der Goldbühel in Igls und Keramikfunde deuten auf einen gemeinsamen kulturellen Hintergrund und wirtschaftlichem Austausch der Ethnien und Verbände zwischen Vorarlberg, dem Gardasee und Istrien hin. Auch mit anderen Volksgruppen wie den Kelten im Westen oder Etruskern im Süden gab es Funden nach zu urteilen bereits vor den römischen Eroberungen regen Austausch. Etruskische Schriftzeichen wurden für Aufzeichnungen aller Art verwendet.

Im Bereich des heutigen Innsbrucks lebten nach römischer Lesart die Breonen, ein Volksstamm innerhalb der Raeter. Diese Bezeichnung hielt sich auch nach dem Untergang des Imperium Romanum bis zur bairischen Besiedlung im 9. Jahrhundert. Es gab zwar keine Breonische Volksfront, das Zitat aus Life of Brian könnte so aber wohl auch im vorchristlichen Innsbruck gefallen sein:

„Mal abgesehen von der Medizin, den sanitären Einrichtungen, dem Schulwesen, Wein, der öffentlichen Ordnung, der Bewässerung, Straßen, der Wasseraufbereitung und der allgemeinen Krankenkassen, was, frage ich euch, haben die Römer je für uns getan?“

Ein klimatisches Phänomen, das als Römisches Klimaoptimum in die Geschichtsschreibung einging, machte den Bereich nördlich der Alpen für das Imperium Romanum interessant und über die Alpenübergänge zugänglich. Aus strategischer Sicht war die Eroberung ohnehin überfällig. Die römischen Truppen in Gallien im Westen und Illyrien an der Adria im Osten sollten verbunden, Einfälle barbarischer Völker in oberitalienische Siedlungen verhindert und Wege für Handel, Reisende und Militär ausgebaut und gesichert werden. Das Inntal als wichtiger Korridor für Truppenbewegungen, Kommunikation und Handel am äußeren Rand des römischen Wirtschaftsraums musste unter römische Kontrolle gebracht werden. Der Verkehrsweg zwischen dem heutigen Seefelder Sattel und dem Brennerpass existierte bereits vor der römischen Eroberung, war allerdings keine befestigte, moderne Straße, die den Ansprüchen der römischen Anforderungen entsprach.

Im Jahr 15 vor der Zeitenwende eroberten die Feldherren Tiberius und Drusus, beide Stiefsöhnen Kaiser Augustus den Bereich des heutigen Innsbrucks. Drusus zog von Verona nach Trient und anschließend der Etsch entlang über den Brenner ins Gebiet des heutigen Innsbrucks. Dort kämpften die römischen Truppen gegen die lokal ansässigen Breonen. Bereits unter Augustus` Nachfolger Tiberius wurde die römische Administration ausgerollt. Dem Militär folgte die Verwaltung. Das heutige Tirol wurde am Fluss Ziller geteilt. Das Gebiet östlich des Ziller wurde Teil der Provinz Noricum, Innsbruck hingegen wurde ein Teil der Provinz Raetia et Vindielicia. Sie reichte von der heutigen Innerschweiz mit dem Gotthardmassiv im Westen bis zum Alpenvorland nördlich des Bodensees, dem Brenner im Süden und eben dem Ziller im Osten. Der Ziller als Grenze hat im kirchenrechtlichen Sinn bei der Einteilung Tirols bis heute Bestand. Das Gebiet östlich des Ziller gehört zum Bistum Salzburg, während Tirol westlich vom Ziller zum Bistum Innsbruck zählt.

Ob die Römer die Siedlungen und Kultplätze zwischen Zirl und Wattens während ihres Eroberungsfeldzuges zerstörten, ist unklar. Der Brandopferplatz am Goldbühel in Igls wurde nach dem Jahr 15 nicht mehr genutzt. Auch über den Umgang mit den Eroberten sind keine präzisen Quellen vorhanden. Die römischen Truppen griffen bei der Sicherung und Anlage der Verkehrswege mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Know-How der örtlichen Bevölkerung zurück. Heute würde man wohl sagen, dass nach der Übernahme mit wichtigen Human Resources bedächtig umgegangen wurde.  

Die bald Via Raetia genannte Straße machte der Via Claudia Augusta, die über den Reschen- und Fernpass Italien und Bayern verband, als wichtigsten Verkehrsweg über die Alpen den Rang streitig. Im 3. Jahrhundert nach der Zeitenwende wurde die Brennerroute zur via publica ausgebaut. Für schlecht ausgestattete Handelszüge war sie in Teilen zu steil, um zur Hauptroute zu werden, der Verkehr nahm aber merklich zu und damit die Bedeutung des Wipp- und Inntals. Etwas über fünf Meter breit verlief sie vom Brenner bis zur Ferrariwiese oberhalb Wiltens über den Berg Isel bis zum heutigen Gasthaus Haymon. Im Abstand von 20 bis 40 km Entfernung gab es Raststationen mit Unterkünften, Restauration und Ställen. In Sterzing, am Brenner, in Matrei und Innsbruck entwickelten sich bei diesen römischen Mansiones Dörfer, in denen sich die römische Kultur zu etablieren begann.

Über dieses Straßennetz war das Militärlager Castell Veldidena in einen Wirtschafts- und Ideenraum von Großbritannien über das Baltikum bis Nordafrika eingebunden. Die Römer brachten viele ihrer Kulturleistungen wie das kaiserliche Münzwesen, Glas- und Ziegelproduktion, die lateinische Sprache, Badhäuser, Thermen, Schulen und Wein mit über den Brenner. Römisches Recht und Verwaltung hielten Einzug. Über den Militärdienst im römischen Heer konnten Menschen sozial aufsteigen. Mit einem kaiserlichen Erlass des Jahres 212 wurden die breonischen Untertanen zu römischen Vollbürgern mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten.

Das wichtigste Überbleibsel des Imperium Romanum nach seinem Untergang war die Religion und das Gesellschafsmodell, das damit verbunden war. Nachdem das Christentum im 4. Jahrhundert zur Staatsreligion geworden war, wurde auch der Tiroler Raum missioniert. In Brixen in Südtirol und in Trient existierten von dieser Zeit an Kirchen und bischöfliche Verwaltungen. Die Heiligen des Christentums ersetzten die Vielgötterei. Alte Feste wie die Wintersonnwende, Erntedankbräuche oder der Frühlingsbeginn wurden in den christlichen Kalender integriert und von Weihnachten, Allerheiligen und Ostern ersetzt. Sagengestalten wie die Saligen Fräulein wurden von gläubigen Christen weiter parallel angebet. An die Stelle der vergöttlichten Römischen Kaiser traten Monarchie und Aristokratie. Der christliche Kirchenvater Paulus legte in seinem Römerbrief die theologische Basis für das Feudalwesen, das von der Kirchenkanzel ins Volk getragen wurde:

Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet. Darum: Wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Anordnung; die ihr aber widerstreben, werden ihr Urteil empfangen. Denn die Gewalt haben, muss man nicht fürchten wegen guter, sondern wegen böser Werke. Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit, so tue Gutes, dann wirst du Lob von ihr erhalten. Denn sie ist Gottes Dienerin, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst. Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht die Strafe an dem, der Böses tut. Darum ist es notwendig, sich unterzuordnen, nicht allein um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen. Deshalb zahlt ihr ja auch Steuer; denn sie sind Gottes Diener, auf diesen Dienst beständig bedacht.

Im Stadtbild ist vom römischen Innsbruck kaum noch etwas vorhanden. Ausstellungsstücke sind im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum zu bewundern. In verschiedenen Ausgrabungsprojekten wurden rund um das heutige Stift Wilten Grabstätten und Überreste wie Mauern, Münzen, Ziegel und Alltagsgegenstände aus der römischen Zeit in Innsbruck gefunden. Der Kern des Leuthauses neben dem Stift geht auf die Römerzeit zurück. Einen der römischen Meilensteine der ehemaligen Hauptverkehrsader über den Brenner kann man in der Wiesengasse in der Nähe des Tivolistadions besichtigen.

 

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