Johann von Sieberer, der gute Geist Innsbrucks

Sieberer Waisenheim und Siebererschule
Johann von Sieberer, der gute Geist Innsbrucks

Waren es in Mittelalter und früher Neuzeit vor allem Kirche und Aristokratie, die für die Entwicklung von Städten, Infrastruktur und Bauwesen verantwortlich waren, machten sich im 18. und 19. Jahrhundert Mitglieder des wohlhabenden Bürgertums dazu auf, das Stadtbild mit ihren Projekten zu prägen. Manche wie Josef Kiebach und Johann Sieberer waren dem Gemeinwohl der Stadt im christlichen Sinn der Nächstenliebe über ihre eigene Villa hinaus in eindrucksvoller Weise verbunden. Der spätere Freiherr Johann von Sieberer kam 1830 in Going bei Kitzbühel als uneheliches Kind zur Welt. Dieser Teil Tirols ist ein Teil des Bistums Salzburg, das Bildungswesen wurde somit ebenfalls von hier aus gesteuert. Der Bischof von Salzburg verbrachte seine freien Tage gerne in den Tiroler Bergen. Bei einer Visite der örtlichen Volksschule bemerkte er einen besonders wiffen Burschen. 1840 wurde Sieberer auf Geheiß des Bischofs im Borromäum zu Salzburg als Singknabe aufgenommen. Der Erzbischof von Salzburg erkannte früh das herausragende Talent und ermöglichte dem Jungen den Besuch des Franziskanergymnasiums in Hall in Tirol. Nach dem Schulabschluss studierte er in Wien Rechtswissenschaften, bevor er in den Dienst der Familie des Bischofs von Salzburg, den Fürsten von Schwarzenberg eintrat. Diese Familie zählte zu den einflussreichsten der österreichischen Aristokratie. Erzherzog Albrecht, in dessen Dienst Sieberer stand, war der Begründer der Wiener Kunstsammlung Albertina. Sieberer arbeitete in der Administration der Industrieanlagen der Familie und lernte auf Reisen durch die Monarchie viele Mitglieder der Aristokratie und des Geldadels der K&K Monarchie kennen. Als er auf Vermittlung Albrechts ab 1860 für die Versicherungsgesellschaft Österreichischer Phönix arbeitete, konnte er diese Kontakte zu Geld machen. Durch den Verkauf hoher Polizzen an Mitglieder der Habsburgerfamilie und andere Adlige kam er zu einem großen Vermögen. In Meidling bei Wien erwarb er seine Privatvilla und legte sein Geld in Zinshäusern in der Hauptstadt an. Trotz seines gesellschaftlichen Aufstiegs und seines Vermögens vergaß Sieberer nie seine Herkunft, weder sein Heimatland Tirol noch die Familie Schwarzenberg.

Mit den gesellschaftlichen Veränderungen nach 1848 begann im städtischen Bereich die traditionelle Großfamilie ihre Rolle als erste Anlaufstelle in Not zu verlieren. Der Staat hatte zwar die Wohlfahrt von der Kirche seit Maria Theresia mehr und mehr übernommen und an die Kommunen ausgelagert, häufig fehlten aber die Mittel dafür. Diese Lücke schloss der streng gläubige und fromme Katholik Sieberer in Innsbruck als eine Art patriotischer Mäzen im Sinne der christlichen Nächstenliebe. Wofür Johann von Sieberer vor allem bekannt ist, sind seine großzügigen Stiftungen in Innsbruck. Das Waisenhaus samt einem Fond zur Betreibung sowie das Franz-Joseph-Jubiläums-Greisenasyl gehen auf die Spenden des Menschenfreunds Sieberer zurück. Auch am Umbau der Jesuitenkirche beteiligte er sich. Von 1885 bis zu seinem Tod 1914 ließ Sieberer der Tiroler Landeshauptstadt seine Wohltätigkeit angedeihen. Leider nur mehr auf Archivbildern zu sehen ist der prachtvolle Vereinigungsbrunnen, der 1906 am damals noch protzigen Bahnhofsplatz (Anm.: heute Südtirolerplatz, wenig protzig) im Stile des Historismus dank einer Spende Sieberers errichtet wurde und 1940 dem neuen Verkehrskonzept weichen musste. 1909 wurde Sieberer von Bürgermeister Wilhelm Greil zum Ehrenbürger Innsbrucks, 1910 vom Kaiser zum Freiherrn ernannt. In Innsbruck erinnert die Siebererstraße im Stadtteil Saggen an diesen großen Innsbrucker. Ein Denkmal zu Ehren Sieberers war noch zu dessen Lebzeiten geplant. Der Erste Weltkrieg und die darauffolgenden politischen und finanziellen Probleme verhinderten die Errichtung.