Neue Stadtschule
Kiebachgasse 10
Wissenswert
Das Gebäude der Neuen Stadtschule in der Kiebachgasse mag von außen unscheinbar sein, wer es aber schafft einen Blick in den Innenhof zu werfen, wird vom gotischen Gebälk aus dem 16. Jahrhundert samt dem Brunnen belohnt. Neugierige können beim Schlüsseldienst im Nebengebäude um Zutritt fragen. Mit etwas Glück gelangt man so ins Gebäude.
1768 zogen Innsbrucks Lehrer und Schüler von der alten Schule am Domplatz um in die neue Stadtschule in der heutigen Kiebachgasse. Die Schulordnung Maria Theresias trat 1774 in Kraft. Die alte Stadtschule war zu klein geworden, da alle Kinder, auch Mädchen, bis 12 die Schulbank drücken mussten. Der aufgeklärte Staatsapparat Maria Theresias hatte großes Interesse daran, die Erziehung der Kinder nicht mehr im Wildwuchs Gemeinden und der Kirche zu überlassen, wie es über Jahrhunderte hinweg geschehen war. Von jungen Jahren an sollten Kinder zwar katholisch erzogen werden, ihre Treue sollte aber auch dem Staat dienen.
Mit dem zentralisierten Unterricht und dem Gebäude änderten sich auch die Unterrichtsmethoden. Kinder wurden in einzelnen Klassen je nach ihren Fähigkeiten zusammengefasst. Der damalige Innsbrucker Schuldirektor Philipp Jakob Tangl (1733 – 1780), ein geweihter Priester, war auf der Höhe der Zeit, was Unterrichtsmethoden und Pädagogik anbelangte. Er war sogar als Berater nach Wien an den Hof Maria Theresias berufen worden. Bei aller Aufgeklärtheit des Unterrichts blieben Stockschläge bei Ungehorsam und Fehlverhalten aber weiterhin Teil des Alltags.
Religion, Deutsch und Rechnen waren noch immer Teil des Unterrichtsplans. Besonders auf mathematische Grundkenntnisse wurde mehr Wert gelegt. Egal ob Handwerker, Beamter oder Artillerist in der stetig wachsenden Armee, die Mathematik hatte seit 1500 an Bedeutung gegenüber den klassischen humanistischen Fächern wie Rhetorik, Philosophie und Sprachen zugenommen. Kapitalismus, Wirtschaft, Technik und Aufklärung bevorzugten Mathematiker gegenüber Philosophen, auch wenn diese Bereiche noch nicht in strengen Kategorien und Disziplinen voneinander getrennt waren, wie sie es heute sind. Mit dem Fach Sachkunde kamen aber Kenntnisse hinzu wie Geografie und Naturwissenschaften, natürlich im Rahmen der katholischen Lehre.
In den damals noch nicht zu Innsbruck gehörenden Dörfern wie Pradl, Amras und Wilten führte die Schulordnung Maria Theresias zu großer Unzufriedenheit unter den Bauern, die ihre Kinder lieber am Feld bei der Arbeit sahen als in der Schule. In den Dörfern und den ärmeren Innsbrucker gab es eine einfachere Schulform, die Trivialschule. Zwar waren die Trivialschulen in St. Nikolaus und der Kohlstatt nicht mit der Stadtschule vergleichbar, was den Unterricht anbelangt, zumindest war die Anwesenheitsquote hier aber höher. Bis 1868 wurden die Innsbrucker Kinder in der Kiebachgasse unterrichtet. Durch das Reichsvolksschulgesetz dieses Jahres wurde die Pflichtschulzeit bis 14 Jahre erweitert und die Trivialschulen in Volks- und Bürgerschule umgewandelt. Das Gebäude in der Kiebachgasse war zu klein geworden.
Der Nachmieter war mit der Evangelischen Kirche schnell gefunden, gab es doch in der Kiebachgasse auch eine kleine Kapelle, die benutzt werden konnte. Als die Glaubensgemeinschaft 1905 in den Saggen übersiedelte, mietete sich eine Schlosserei ein.
Die Reformation in Tirol
Um 1500 begannen neue Entdeckungen und Denkansätze das Ende des Mittelalters einzuläuten. Künstler, Gelehrte und Kleriker begannen überall in Europa Hierarchien, Ordnung und Legitimationen zu hinterfragen. Mit den theologischen Reformatoren des 15. und 16. Jahrhunderts begann das Feudalsystem, das Kirche und Adel über Volk und Bürgerschaft sah, brüchig zu werden. Der böhmische Geistliche Jan Hus hatte im 15. Jahrhundert als einer der ersten in Festlandeuropa die Allmacht des Papstes angezweifelt und wurde dafür am Konzil von Konstanz am Scheiterhaufen verbannt. In Frankreich und der Schweiz war es Jean Calvin, im Heiligen Römischen Reich allen voran Martin Luther, die die Römische Kirche im 16. Jahrhundert herausforderten.
In Tirol waren vor allem die Bergwerkstädte Hall und Schwaz die Zentren der Reformation, in denen im frühen 16. Jahrhundert Prediger wie Jacob Strauß die Menschen mit abweichenden aufwiegelten. Strauß predigte vor vollen Kirchen – allerdings nach den Lehren Luthers auf Deutsch anstatt denen des Papstes in Latein. Ferdinand I. und seine Nachfolger konnten die Reformation in Tirol erfolgreich zurückdrängen. Ferdinand II. beschrieb seine Motive mit den Worten:
„…aus eingebung Gotes und seines Hayligen Geistes Inspiration. Alles zu ehre des aller höchsten aus ainem Rechen inprünstigen zu der heyligen Catholischen Alleinsseligmachenden Religion tragenden eyfer.“
Die Religionskrise führte auch außerhalb der Kirchen zu Problemen. Glaube und Weltliches waren keine getrennten Sphären. Waren die Knappen unzufrieden mit der Seelsorge, streikten sie. Die öffentliche Ordnung war in Gefahr, nicht nur dadurch, dass die Bergleute das Recht hatten, Waffen zu tragen. Sie waren gut verknüpft untereinander. Ein Generalstreik konnte eine Wirtschaftskrise auslösen. Fugger und Habsburger, Kapital und politische Macht, waren sehr bedacht darauf, es nicht so weit kommen zu lassen und räumten den Bergleuten Sonderrechte ein. 1722 kam es im Halltal zur Niederlegung der Arbeit im Salzbergwerk. Erst als der Bischof von Brixen sich zu den Bergleuten begab und die Bergkapelle zu Ehren der Unbefleckten Jungfrau weihte, nahmen sie ihren Dienst wieder auf.
Im 16. und 17. Jahrhundert waren es vor allem Priester des Jesuitenordens, die abtrünnige Gemeinden und Bürger vom reformierten Glauben zurück in den Schoß der katholischen Kirche bringen sollten. Die Habsburger setzten in Österreich sogenannte Religionsreformationskommissionen ein. Fanden diese „Missionare“ protestantisch orientierte Pfarrer oder Untertanen, die verbotene Bücher besaßen, wurden diese verhaftet und des Landes verwiesen und nicht selten ihre Häuser angezündet. Protestantische Beamte konnten ihren Beruf nicht ausüben. Sie mussten entweder konvertieren oder emigrieren. Besonders sture Untertanen wurden öffentlich angekettet, je niederer der Stand des Bürgers, desto schwerer die Bestrafung.
Unter Maria Theresia im 18. Jahrhundert wurden Tiroler Protestanten in weit entlegene Teile des Habsburgerreichs zwangsweise umgesiedelt. Die Umsiedlungen bedeuteten aber nicht nur für die betroffenen Bürger ein Problem. Die Länder standen vor dem Problem dessen, was man heute als Braindrain bezeichnet. Mit den Umgesiedelten verließen auch Arbeitskraft und Kompetenzen das Land. 1781 erließ der aufgeklärte Kaiser Joseph II. auch aus diesem Grund das Toleranzpatent, das den Bau von protestantischen Kirchen erlaubte, wenn auch an Bedingungen gebunden. So durften diese Bethäuser keine Türme oder sonstigen baulichen Besonderheiten aufweisen. Sogar straßenseitige Fenster waren verboten. In Tirol kam es zu Widerständen gegen das Toleranzpatent, man fürchtete um die guten Sitten und wollte fremdartige Religionen, Zwietracht und Unruhen aller Art vermeiden. Konvertierten Untertanen wurden Dinge wie Ehe und ein Begräbnis auf katholischen Friedhöfen verwehrt.
Bis heute gilt Tirol als selbsternanntes „Heiliges Land“, wobei sich heilig explizit auf den katholischen Glauben bezieht. Noch 1837 wurden Protestanten aus dem Zillertal abgeschoben. Die Nachfahren der sogenannten Zillertaler Inklinanten, die unter behördlichem Druck auswanderten, leben bis heute in Deutschland. Nach und nach hielt die Toleranz zwar Einzug im Kaiserreich und in den Ländern, die Zusammengehörigkeit von Obrigkeit und katholischer Kirche biss sich aber weit ins 20. Jahrhundert in vielen Lebensbereiche, zum Beispiel der Schulbildung, fest. 1861 erließ Kaiser Franz Josef das Protestantenpatent, das der evangelischen Kirche mehr oder minder die gleichen Rechte wie die katholische Kirche. Die Tiroler Bevölkerung ließ sich in ihrer Beharrungsfähigkeit auch nicht vom kaiserlichen Protestantenpatent von ihrer Intoleranz abbringen. Das Argument lautete, dass es in Tirol ohnehin keine Andersgläubigen gäbe, es daher auch keiner Toleranz gegenüber Nichtkatholiken bedurfte. Erst 1876 kam es zur Gründung einer offiziellen evangelischen Pfarrgemeinde in Innsbruck.
Maria Theresia, Reformatorin und Landesmutter
Maria Theresia zählt zu den bedeutendsten Figuren der österreichischen Geschichte. Obwohl sie oft als Kaiserin tituliert wird, war sie offiziell "nur" unter anderem Erzherzogin von Österreich, Königin von Ungarn und Königin von Böhmen. Bedeutend waren ihre innenpolitischen Reformen. Gemeinsam mit ihren Beratern Friedrich Wilhelm von Haugwitz, Joseph von Sonnenfels und Wenzel Anton Kaunitz schaffte sie es aus den sogenannten Österreichischen Erblanden einen modernen Staat zu basteln. Anstatt der Verwaltung ihrer Territorien durch den ansässigen Adel setzte sie auf eine moderne Verwaltung. Das Wohl der Untertanen wurde wichtiger. Ihre Berater hatten ganz im Stil der Aufklärung erkannt, dass sich das Staatswohl aus der Gesundheit und Bildungsgrad seiner Einzelteile ergab. Untertanen sollten katholisch sein, ihre Treue aber sollte dem Staat gelten. Schulbildung wurde unter zentrale staatliche Verwaltung gestellt. Es sollten keine kritischen, humanistischen Geistesgrößen, sondern Material für den staatlichen Verwaltungsapparat erzogen werden. Über Militär und Verwaltung konnten nun auch Nichtadlige in höhere staatliche Positionen aufsteigen.
In Strafverfolgung und Justiz fand ein Umdenken statt. 1747 wurde in Innsbruck eine kleine Polizei eingesetzt, die sich um Angelegenheiten der Marktaufsicht, Gewerbeordnung, Fremdenkontrolle und öffentliche Sittsamkeit kümmerte. Das Strafgesetzbuch Constitutio Criminalis Theresiana schaffte die Folter zwar nicht ab, reglementierte aber deren Anwendung.
Wirtschaftsreformen sollten nicht nur mehr Möglichkeiten für die Untertanen schaffen, sondern auch die Staatseinnahmen erhöhen. Gewichte und Maßeinheiten wurden nominiert, um das Steuersystem undurchlässiger zu machen. Für Bürger und Bauern hatte die Vereinheitlichung der Gesetze den Vorteil, dass das Leben weniger von Grundherren und deren Launen abhing. Auch der Robot, den Bauern auf den Gütern des Grundherrn kostenfrei zu leisten hatten, wurde unter Maria Theresia abgeschafft.
So sehr sich Maria Theresia auch als fromme Landesmutter inszenierte und heute als Aufklärerin bekannt ist, die streng katholische Regentin war nicht zimperlich in Fragen von Macht und Religion. Im Trend der Zeit der Aufklärung ließ sie Aberglauben wie den Vampirismus, der in den östlichen Teilen ihres Reiches weit verbreitet war, kritisch untersuchen und leitete das endgültige Ende der Hexenprozesse ein. Gleichzeitig aber wurden Protestanten von ihr gnadenlos des Landes verwiesen. Viele Tiroler mussten ihr Heimatgebiet verlassen und sich in weiter vom Zentrum entfernten Teilen des Habsburgerreiches niederlassen.
In Kronländern wie Tirol stießen die Reformen Maria Theresias auf wenig Gegenliebe. Mit Ausnahme von ein paar Liberalen sah man sich mehr als eigenständiges und autonomes Land und weniger als Teil eines modernen Territorialstaates. Auch dem Klerus gefiel die neue, untergeordnete Rolle, die sich unter Josef II. nochmals verschärfte, nicht. Für den lokalen Adel bedeuteten die Reformen nicht nur den Verlust von Bedeutung und Autonomie, sondern auch höhere Steuern und Abgaben. Steuern, Abgaben und Zölle, die der Stadt Innsbruck stets verlässliche Einnahmen gebracht hatten, wurden nun zentral eingehoben und über einen Finanzausgleich nur zum Teil rückgeführt. Um die Fallhöhe für Söhne aus verarmten Adelsfamilien abzuschwächen und sie für den Staatsdienst auszubilden, gründete Maria Theresie das Theresianum, das ab 1775 auch in Innsbruck eine Niederlassung hatte.
Wie so oft bügelte die Zeit manche Falte aus und Innsbrucker sind mittlerweile stolz darauf, eine der bedeutendsten Herrscherpersönlichkeiten der österreichischen Geschichte beherbergt zu haben. Heute erinnern vor allem die Triumphpfote und die Hofburg in Innsbruck an die Theresianische Zeit.