Operation Greenup – Innsbrooklyns (Wieder)Geburt

Landhausplatz mit Franzosendenkmal
Operation Greenup - Innsbrooklyns Wiedergeburt

Nach kleineren Gefechten im Außerfern und an der Porta Claudia in Scharnitz bei Seefeld stand die Cactus-Division der US-Streitkräfte am 3. Mai 1945 in Zirl vor den Toren der Gauhauptstadt Innsbrucks. Eine Handvoll Widerstandskämpfer um Fritz Molden und dem späteren Tiroler Landeshauptmann Karl Gruber hatten in Innsbruck Kasernen und offizielle Einrichtungen besetzt, nachdem Gauleitung, Gestapo und SS sich aus dem Staub gemacht hatten. Trotzdem wussten die GI´s nicht was sie in Innsbruck erwarten würde, hatte doch Adolf Hitler Tirol zum Teil der Alpenfestung erklärt, dem Rückzugsort, der bis zum letzten Mann verteidigt werden sollte. Würde Innsbruck zum Gefechtsort, wie es in vielen Städten der Fall gewesen war, hätte das die Zerstörung der Stadt zur Folge. Dass es nicht so weit kam und Innsbruck kampflos übergeben wurde, ist einer Gruppe junger Menschen, die im Rahmen der US-Spionageaktion Operation Greenup die Weichen für die friedliche Kapitulation legten.

Die männlichen Hauptdarsteller dieses filmreifen Coups waren Friedrich „Fred“ Mayer, Hans Wijnberg, Franz Weber und Anna Niederkircher. Die beiden Juden Mayer und Wijnberg waren auf der Flucht vor dem Nationalsozialismus in New York gelandet. Sie hatten sich freiwillig zum Einsatz in Europa gemeldet und waren beim OSS, dem militärischen US-Geheimdienst, im Einsatz. Weber war als Deserteur der Wehrmacht in einem Gefangenenlager in Süditalien gestrandet. Der überzeugte Katholik wollte nach seinen Kriegserfahrungen dabei helfen, das Nazi-Regime in seiner Tiroler Heimat zu stürzen. Gemeinsam sollten sie von Innsbruck aus die Versorgungslinie über den Brenner sowie kriegsrelevante Infrastruktur und Industrie wie die Messeschmitt-Werke in Kematen ausspionieren.

Am 26. Februar wurden die drei Männer samt Ausrüstung per Flugzeug über den Ötztaler Alpen im winterlichen Hochgebirge abgeworfen. Per Schlitten und öffentlichen Verkehrsmitteln schlugen sie sich mitten im Feindesland samt Ausrüstung nach Oberperfuß, dem Heimatdorf Franz Webers, durch. Hier trafen sie nicht auf die befürchtete Alpenfestung Hitlers, sondern Unterstützung der Gemeinschaft des stets schon streng katholisch-konservativen und regimekritischen Oberperfuß. Vor allem die aus Webers Umfeld, seine Schwestern Eva, Margarete und Luise, seine Nachbarin Maria Hörtnagl, vor allem aber seine Verlobte Anni Niederkircher und deren Mutter Anna, die Wirtin des Gasthofs zur Krone, übernahmen bei Versorgung, Tarnung und Unterkunft Rollen von unschätzbarem Wert.

Franz Weber war der Local Guide der Gruppe. Fred Mayer mischte sich in Oberperfuß, Innsbruck und Kematen unter verschiedenen Identitäten, als Wehrmachtssoldat im Offizierskasino, als Arbeiter der Messerschmittwerke oder als französischer Zwangsarbeiter unter die Bevölkerung. Er knüpfte Verbindungen mit anderen Widerstandsgruppen und sammelte Informationen. Webers Schwestern beherbergten ihn und versorgten ihn mit allem Möglichem wie gefälschten Papieren oder einer gestohlenen Wehrmachtsuniform. Anni Niederkircher war das Verbindungselement zwischen Oberperfuß und Innsbruck. Hans Wijnberg hielt als Funker die Kommunikation mit dem Stützpunkt der US-Streitkräfte in Bari aufrecht.

Alle wussten, würde ihre riskante Operation auffliegen, wären sie und ihre Familien dem Tod geweiht. Ende April trat dieser Fall ein. Robert Moser, der Radiohändler und Widerständler, der Fred Mayer in seinem Geschäft angestellt hatte, flog auf. Im Gestapo-Hauptquartier in der Innsbrucker Herrengasse wurde er verhört, gefoltert und schließlich zu Tode geprügelt und gepeitscht. Am 20. April wurde auch Fred Mayer festgenommen und in der Herrengasse gefoltert. Er hielt aber dicht, mehr noch: Nachdem er sich als Angehöriger des US-Geheimdienstes zu erkennen gegeben hatte, konnte er in Verhandlungen mit Gauleiter Hofer erwirken, dass Innsbruck kampflos als freie Stadt übergeben wird. Gegen die Versicherung Mayers, als Kriegsgefangener behandelt zu werden, gab Hofer am 2. Mai in einer Radioansprache an die Bevölkerung Order, von jeglicher Kampfhandlung abzusehen.

Am 3. Mai um 14 Uhr erreichte der von der Behandlung durch die Gestapo noch gezeichnete Fred Mayer die US-Truppen bei Zirl mit dieser Meldung. Wenige Stunden später trat der Waffenstillstand in Kraft. Die Fahrzeuge und Soldaten konnten ohne weiteres Blutvergießen und Zerstörung in die Stadt einrücken.

Die Erinnerung an die Operation Greenup und das heldenhafte Handeln aller Beteiligten unter höchster Gefahr blieb lange Zeit zu Gunsten der Erzählung der Selbstbefreiung durch die tapfere Tiroler Bevölkerung ohne Erinnerung. Erst 2010 wurde Fred Mayer, der mit dem Purple Heart den höchsten Tapferkeitsorden des US-Militärs erhalten hatte, mit fast 90 Jahren vom Land Tirol spät, aber doch geehrt. Hans Wijnberg erhielt zehn Jahre nach seinem Tod eine Verdienstmedaille der Stadt Innsbruck. Franz Weber, der nach dem Krieg in Land- und Nationalrat als Abgeordneter tätig war, erhielt das Ehrenzeichen des Landes Tirol und das Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich. An den zu Tode gefolterten Robert Moser erinnert eine schwer auffindbare Bronzetafel am ehemaligen Hauptquartier der Gestapo in der Herrengasse. Am Haus Anichstraße 19, in dem Mayer während seines Aufenthalts in Innsbruck untergekommen war, befindet sich eine kleine Infotafel. Erst mit dem Erscheinen des packenden Buches „Codename Brooklyn“ von Peter Pirker, das viel internationale Aufmerksamkeit erhielt, wurde diese vielleicht beeindruckendste Episode der Innsbrucker Stadtgeschichte einem breiten Publikum bekannt. Das vielleicht bleibendste Vermächtnis verdankt Innsbruck aber vielleicht den Funksprüchen Wijnbergs: Der Codename für die Stadt lautete nach dem New Yorker Stadtteil, in dem Mayer und er sich lange aufhielten, Brooklyn. Innsbruck war nach dem Nationalsozialismus als Innsbrooklyn wiedergeboren.

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