ITV Gebäude

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Sportliches Innsbruck

Wer den Beweis benötigt, dass die Innsbrucker stets ein aktives Völkchen waren, könnte das Bild Winterlandschaft des niederländischen Malers Pieter Bruegel (circa 1525 – 1569) aus dem 16. Jahrhundert bemühen. Auf seiner Rückreise von Italien gen Norden hielt der Meister wohl auch in Innsbruck und beobachtete dabei die Bevölkerung beim Eislaufen auf dem zugefrorenen Amraser See. Muse und frei verfügbare Zeit, für Sport und Hobbies wie der Jagd oder Reiten war im Mittelalter und der Frühen Neuzeit vor allem ein Privileg des Adels. Erst durch die geänderten Lebensumstände des 19. Jahrhunderts hatte ein guter Teil der Bevölkerung, vor allem in den Städten, zum ersten Mal so etwas wie Freizeit. Beda Weber beschreibt in seinem Handbuch für Reisende in Tirol 1851 die Freizeitgewohnheiten der Innsbrucker, darunter auch das Eislaufen am Amraser See. „Der unweit davon (Anm.: Amras) liegende See, eine Lache in der Moosgegend, wird im Winter von den Schlittschuhläufern benützt.“ Mehr und mehr arbeiteten Menschen nicht mehr in der Landwirtschaft, sondern als Arbeiter und Angestellte in Büros, Werkstätten und Fabriken. In vielen Ländern Europas sank durch die Rationalisierung der Erwerbsarbeit die Arbeitszeit. Vorreiter war das industrialisierte England, in dem sich Arbeiter und Angestellte langsam vom Turbokapitalismus der frühen Industrialisierung zu befreien begannen. 16-Stunden-Tage waren nicht nur gesundheitlich bedenklich für den Arbeiter, auch Unternehmer merkten, dass eine Überbelastung unrentabel war. Gesunde und glückliche Arbeiter waren besser fürs Geschäft. Seit den 1860er Jahren gab es Bestrebungen, einen 8-Stunden-Tag einzuführen. Der Weg dorthin war lang, Schritt für Schritt ging es aber in diese Richtung. 1873 setzten die österreichischen Buchdrucker eine Arbeitszeit von zehn Stunden pro Tag durch. 1918 stellt man in Österreich auf eine 48-Stunden-Woche um. Ab 1930 galten in Industriebetrieben 40 Stunden pro Woche als Normalarbeitszeit. Diese Änderungen in der Arbeitswelt, zogen ein geändertes Freizeitverhalten nach sich. Menschen jeder Schicht, nicht mehr nur die Aristokratie, hatten nun Geist für Hobbies, Vereinsleben und sportliche Betätigung.

Die Stadt hatte von Anfang an ein Auge darauf, Möglichkeiten für die Bevölkerung zur sportlichen Betätigung zu schaffen. Den Anfang des organisierten Vereinssports machte der ITV, der Innsbrucker Turnverein, der sich 1849 gründete. Das ITV Gebäude in der Bürgerstraße besteht bis heute. Turnvereine waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts groß in Mode. Das Turnen war der Inbegriff des Sports. Der Wettkampfgedanke stand nicht im Vordergrund bei den Vereinen. Viele Vereine hatten einen politischen Hintergrund. Es gab christliche, sozialistische, und großdeutsche Sportvereine. Sie dienten vielfach als Vorfeldorganisation politischer Parteien und Organe. Mehr oder minder alle Vereine hatten Arierparagraphen in ihren Statuten, weshalb jüdische Bürger ihre eigenen Sportvereine gründeten. Aus den deutschen Turnvereinen ging neben den Studentenverbindungen die Nationalbewegung hervor. Die Mitglieder sollten sich körperlich ertüchtigen, um dem nationalen Volkskörper im Kriegsfall bestmöglich zu dienen. Die Ritter- und Söldnerheere hatten ausgedient, der Militärdienst war unter Maria Theresia in Österreich zur Bürgerpflicht geworden. Sitzende Berufe, vor allem die akademischen, wurden mehr, Turnen diente als Ausgleich Der großdeutsche Agitator Friedrich Ludwig Jahn (1778 – 1852), landläufig bekannt als Turnvater Jahn, war nicht nur Vorturner der Nation, sondern war auch geistiger Vater des Lützow´schen Freikorps das gegen Napoleon als eine Art gesamtdeutsches Freiwilligenheer ins Feld zog. Im Saggen erinnern die Jahnstraße und ein kleiner Park an Friedrich Ludwig Jahn. 1883 gründeten die Radfahrer den Verein Bicycle Club. Die ersten Radrennen in Frankreich und Großbritannien hatten in ab 1869 stattgefunden. Bereits im selben Jahre hatte die Innsbrucker Presse von den modernen Mitteln des Individualverkehrs berichtet, als sich „einige Herren mit mehreren von der Firma Peterlongo bestellten Velocipedes auf die Straße wagten“. 1876 kam es zu einem kurzzeitigen Verbot des Radverkehrs, da es immer wieder zu Unfällen gekommen war. Die Gefährte waren teils abenteuerliche Konstrukte, Hochräder, die keinen Antrieb mit Kette hatten. Die Velocipedisten siedelten sich im Saggen nahe der Viaduktbögen mit einer Radrennbahn samt Tribüne an. Neben Radrennen fanden hier Boxkämpfe und Tennismatches statt. 1896 fand am Ausstellungsplatz bei der Radrennbahn die „Internationale Ausstellung für körperliche Erziehung, Gesundheitspflege und Sport“ statt. Die Fußballer waren wegen des Arierparagraphen, der Matches mit Mannschaften mit jüdischen Spielern verbot, aus dem Dachverein ITV ausgetreten. Es gründete sich zuerst der Verein Fußball Innsbruck, der später zum SVI werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits überregionale Fußballspiele, zum Beispiel ein 1:1 Unentschieden der Mannschaft des ITV gegen Bayern München. In Wilten, mittlerweile ein Teil Innsbrucks, entstand 1910 der SK Wilten. 1913 gründete sich mit Wacker Innsbruck der erfolgreichste Tiroler Fußballverein. 1925 errichtete die Stadt bei den Sillhöfen ein Sportzentrum, um dem steigenden Bedarf nachzukommen. Schon im 19. Jahrhundert war dieses Areal zwischen Wilten, Pradl und Amras am Fuße des Berg Isel ein beliebtes Ausflugsziel für Innsbrucker. Die erste Anlage bestand aus zwei Fußballfeldern samt Aschenbahn für Leichtathletik. Die Sportplätze wurden während des Zweiten Weltkrieges Opfer der Bomben und wurden in der Nachkriegszeit als Schrebergärten genutzt. 1953 wurde das alte Tivoli-Fußballstadion eröffnet, in dem der FC Wacker Innsbruck unter verschiedenen Vereinsnamen bis zum Umzug in die neue Heimstätte hinter dem Olympiastadion im Jahr 2000 acht von insgesamt zehn österreichischen Meistertiteln feiern konnte. 1961 wurde das Sportangebot um das Freischwimmbad Tivoli erweitert. Abgesehen von einigen Erneuerungen und der Umstrukturierung auf Grund der Wohnanlage Tivoli besteht das Schwimmbad im Kern seit über 60 Jahren nach den Plänen dieser Zeit und gilt als internationales Vorbild für die Gestaltung einer städtischen Freizeitanlage. Bereits 1928 wurde mit dem Städtischen Hallenbad die überdachte Anlage für die Sportschwimmer eröffnet. Die 1920er Jahre waren die Zeit, in der Theodor Prachensky Wohnprojekte, Schulen, Kindergärten und Volkshäuser für die Arbeiterschicht in Innsbruck umsetzte. Eine Zeit der Emanzipation und des Aufbruchs nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs und den Krisenjahren, die von Inflation und Versorgungsengpässen charakterisiert waren. Neben den diversen Sommersportarten wurde auch der Wintersport immer populärer. 1884 gründete sich der Eislaufverein und nutzte das Ausstellungsgelände als Eisbahn. Mit dem Lansersee, dem Amraser See (heute: Einkaufszentrum DEZ), der Schwimmanlage Höttinger Au und dem Sillkanal in der Kohlstatt standen den Innsbruckern Möglichkeiten zum Eislaufen zur Verfügung. Der Skisport, anfangs ein nordisches Vergnügen im Tal, breitete sich bald auch als Abfahrtsdisziplin aus. Nach St. Anton und Kitzbühel gründete sich 1906 der erste Innsbrucker Skiverein. Die Ausrüstung war primitiv, trotzdem wagte man sich in Mutters oder auf der Ferrariwiese die Pisten hinabzudüsen. Seit 1928 führten zwei Seilschwebebahnen sowohl auf die Nordkette und den Patscherkofel.

Innsbrucker identifizieren sich bis heute sehr stark über den Sport. Mit der Fußball-EM 2008, der Radsport-WM 2018 und der Kletter-WM 2018 konnte man an die glorreichen 1930er Jahre mit zwei Skiweltmeisterschaften und die beiden Olympiaden von 1964 und 1976 auch im Spitzensportbereich wieder anknüpfen. Trotzdem ist es weniger der Spitzen- als vielmehr der Breitensport, der dazu beiträgt. Es gibt kaum jemanden der nicht zumindest den Alpinski anschnallt. Mountainbiken auf den zahlreichen Almen rund um Innsbruck, Skibergsteigen, Sportklettern und Wandern sind überdurchschnittlich populär in der Bevölkerung und fest im Alltag vieler Innsbrucker verankert.