Kaugummiautomat Stalingrad Innsbruck

Kaugummiautomat Stalingrad Innsbruck

Interessant dazu…

Theodor Prachensky: Beamter zwischen Kaiser und Republik

In den späten 1920er Jahren entstanden in Innsbruck wegweisende Bauprojekte. Franz Baumann entwarf, angelehnt an die international verbreitete Weiße Moderne, die Stationen der Nordkettenbahn im Stil der Tiroler Moderne. Fritz Konzerts Städtisches Hallenbad sollte die Ideale der Lebensreformbewegung architektonisch manifestieren. Beiden Architekten wurde in Innsbruck eine Straße gewidmet. Keiner der beiden aber sollte Innsbruck so nachhaltig verändern wie Theodor Prachensky (1888 – 1970).

Er war als Mitarbeiter des Bauamtes Innsbruck zwischen 1913 und 1953 vor allem für Wohnbau- und Infrastrukturprojekte der Zwischenkriegszeit verantwortlich. Die von ihm umgesetzten Projekte sind nicht so spektakulär wie die Bergstationen seines Schwagers Baumann. Prachenskys Bauten, die die Zeit überdauerten, wirken vielfach nüchtern und rein funktionell. Innsbruck beherbergt mit den großen Wohnanlagen der 1920er und 30er Jahre, der Krieger-Gedächtniskapelle am Pradler Friedhof und dem alten Arbeitsamt (heute Außenstelle Universität Innsbruck hinter dem aktuellen AMS-Gebäude) viele Gebäude Prachenskys, die die Zeitgeschichte der Zwischenkriegszeit und die wechselhaften politischen und staatlichen Einflüsse, unter denen er selbst als Person stand, dokumentieren. Sieht man sich aber seine Zeichnungen im Archiv für Baukunst der Universität Innsbruck an, erkennt man, dass auch Prachensky mehr Künstler als Techniker war, wie auch seine Malereien beweisen. Viele seiner spektakulären Entwürfe wie das Sozialdemokratische Volkshaus in der Salurnerstraße, sein Kaiserschützendenkmal oder die Friedens- und Heldenkirche wurden nicht umgesetzt.

Seine Biografie liest sich wie ein Abriss der österreichischen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Prachensky war als Architekt und Beamter unter fünf unterschiedlichen Staatsmodellen tätig. Der K.u.K. Monarchie folgte die Erste Republik, die vom autoritären Ständestaat abgelöst wurde. 1938 kam es zum Anschluss an Nazideutschland. 1945 wurde mit Kriegsende die Zweite Republik ausgerufen.

1908 hatte Prachensky die baugewerbliche Abteilung der Gewerbeschule Innsbruck abgeschlossen. Von 1909 arbeitete er teilweise gemeinsam mit Franz Baumann, dessen Schwester Maria er 1913 heiraten sollte, beim renommierten Architekturbüro Musch & Lun in Meran, damals ebenfalls noch Teil der K.u.K. Monarchie. Privat war 1913 für ihn wegweisend: Theodor und Maria heirateten, starteten das private Bauprojekt des Eigenheims Haus Prachensky am Berg Isel Weg 20 und Theodor trat seinen Dienst beim Stadtmagistrat Innsbruck unter Oberbaurat Jakob Albert an.

Anstatt sich nach dem Krieg in der schwierigen wirtschaftlichen Lage in der Privatwirtschaft durchschlagen zu müssen, stand Prachensky im öffentlichen Dienst. Die wichtigen, vom sozialdemokratischen Gedanken beeinflussten Projekte konnten erst nach den ersten und schwierigsten, von der Inflation und der Versorgungsknappheit charakterisierten Nachkriegsjahren begonnen werden. Den Anfang machte der Schlachthausblock im Saggen zwischen 1922 und 1925. Es folgten mehrere Infrastrukturprojekte wie der Mandelsbergerblock, der Pembaurblock und der Kindergarten und die Hauptschule in der Pembaurstraße, die vor allem für die sozial Schwächeren und die vom Krieg und der Nachkriegszeit betroffenen Arbeiterschicht gedacht waren. Auch das 1931 entworfene Arbeitsamt hinter dem aktuellen AMS-Gebäude in Wilten war eine wichtige Neuerung im Sozialwesen. Seit der Republikgründung 1918 half das Arbeitsamt bei der Vermittlung von Arbeitssuchenden und Arbeitgebern und der Eindämmung der Arbeitslosigkeit.

In den Jahren der erneuten Wirtschaftskrise in den 1930ern nahm seine Bedeutung nochmal zu. Eine weitere Zäsur in Prachenskys Werdegang stellten die nächsten Wechsel der Regierungsform Österreichs dar. Trotz dem Rechtsruck unter Dollfuß samt Verbot der Sozialdemokratischen Partei 1933 und dem Anschluss von 1938 konnte er als leitender Beamter im öffentlichen Dienst bleiben. Sein Schwager Franz Baumann mit dem er mehrere Bauprojekte umsetzte, war politisch der Rechten nahe, wie sein Beitritt zur NSDAP bereits im Mai 1938 zeigt. Prachensky setzte gemeinsam mit Jakob Albert ab 1939 Südtiroler Siedlungen unter den Nationalsozialisten um. Er selbst war, anders als mehrere Mitglieder seiner Familie niemals Mitglied oder Unterstützer der NSDAP.

Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb er acht weitere Jahre als Oberbaurat der Stadt Innsbruck tätig. Neben seiner Tätigkeit als Bauplaner und Architekt war Prachensky begeisterter Maler.

Großen Einfluss auf sein Wirken als Architekt und Stadtplaner gemäß der internationalen sozialdemokratisch orientierten Architektur hatte wohl sein Vater Josef Prachensky, der als einer der Gründer der Sozialdemokratie in Tirol in die Landesgeschichte einging.

Neben der politischen Gesinnung des Vaters hatten auch die verschwundene Habsburgermonarchie und die Eindrücke des Militärdienstes im Ersten Weltkrieg Einfluss auf Prachensky. Obwohl er laut Eigenaussage Kriegsgegner war, meldete er sich 1915 als Einjährig-Freiwilliger bei den Tiroler Kaiserjägern zum Kriegsdienst. Vielleicht waren es die Erwartungen, die während des Krieges an ihn als Beamten herangetragen wurden, vielleicht die allgemeine Begeisterung, die ihn zu diesem Schritt bewogen, die Aussagen und die Tat sind widersprüchlich. Die Kriegergedächtnis-Kapelle am Pradler Friedhof und das gemeinsam mit Clemens Holzmeister entworfene Kaiserschützenkapelle am Tummelplatz sowie seine nicht umgesetzten Entwürfe für ein Kaiserjäger Denkmal und die Friedens- und Heldenkirche Innsbruck, sind wohl Produkte der Lebenserfahrung Prachenskys.

Er starb mit 82 Jahren in Innsbruck. Seine Söhne, Enkel und Urenkel führten sein kreatives Erbe als Architekten, Designer, Fotografen und Maler in verschiedenen Disziplinen fort. 2017 wurden Teile des generationenübergreifenden Werks der Künstlerfamilie Prachensky in der ehemaligen Bierbrauerei Adambräu mit einer Ausstellung gezeigt.