Gegenüber dem Eingang der Hofburg in der Hofgasse befindet sich ein Gebäude, das als Symbol für die vielfältigen Einflüsse aus ganz Europa, die Innsbruck über die Jahrhunderte prägten, steht. Das Haus erinnert an zwei außergewöhnliche Innsbrucker, den Hofzwerg Thomele und den Burgriesen Haidl. Das Burgriesenhaus entstammt wie viele andere Gebäude der Altstadt der Baumeisterkunst der Türings. Die stattliche Eingangstür zum Wohnhaus des Burgriesen mit dem „Flüsterbogen“ in der Hofgasse ist eine echte Innsbrucker Kuriosität. Flüstert doch auf einer Seite des Eingangsbogens etwas hinein und schaut, ob der Gesprächspartner das geflüsterte Wort hört, wenn er das Ohr an den Bogen auf der anderen Seite des Tores legt. Die Fassade wird von einem Bild des Hofzwergs samt Gedicht geschmückt:
„Unter Gottes Segen u. hl. Marias Hand, ist diese Haus den kleinen Riesen zuerkannt.“
Thomele diente am Hof von Ferdinand II. der Belustigung des Fürsten und seines Hofstaats. Hofzwerge und Riesen waren seit dem Mittelalter ausgehend vom Herzogtum Burgund, das unter Maximilian ein Teil des Habsburgerreiches geworden war, Tradition geworden. Burgund mit den reichen Städten Gent und Brügge war neben den italienischen Metropolen nicht nur finanziell sondern auch kulturell Europas Avantgarde. Fürsten des 15. Jahrhundert eiferten dem nordeuropäischen Fürstenhof nach. Maximilians erste Frau Maria brachte viel von diesem Flair in den Hofstaat und das Zeremoniell der Habsburger. Es ist also kein Wunder, dass der Kosmopolit Ferdinand nicht auf Hofzwerge verzichten wollte.
Hofzwergen und Hofnarren war es damals gestattet den Regenten zu kritisieren. Zu beneiden war Thomele trotzdem nicht, obwohl Zwerge als gefragte Bespaßer durchaus heiß begehrt waren. Waren die Vorführungen nicht nach dem Sinn der Regenten, waren Tritte, Schläge und Ohrfeigen an der Tagesordnung.
Burgriese Nikolaus Haidl war nicht nur Kuriosität, sondern als Teil der Garde auch eine Art Bodyguard von Erzherzog Siegmund dem Münzreichen. Seine gigantischen Skelettreste wurden 1866 bei Bauarbeiten im Innsbrucker Dom in der Gruft gefunden, er ist also keine Sagengestalt, sondern existierte tatsächlich. Im ersten Stock des Stadtturms befindet sich eine Steinfigur, die aus der Nische der Fassade des Burgriesenhauses entfernt wurde.
Das Burgriesenhaus beherbergte mit Prinz Eugen (1663 – 1736) einen der größten Feldherren der habsburgischen Geschichte bei dessen Durchreise. Wie Ferdinand ist auch er eine Art europäischer Melange. Francois-Eugene de Savoie-Carignan war eigentlich französischer Untertan des Sonnenkönigs Ludwig XIV. und Mitglied des französischen Hochadels. Die Legende besagt, es sei wegen seiner schmächtigen Gestalt gewesen, dass er vom französischen Heer abgelehnt wurde. Wahrscheinlicher ist es, dass seine Familie durch unglückliche Umstände in königliche Ungnade gefallen war, weshalb sich Eugen bei den Habsburgern, den langjährigen Rivalen der französischen Monarchie in den Militärdienst begab. Zwischen 1683 und 1718 kämpfte er in allen nennenswerten kriegerischen Auseinandersetzungen Europas. Bekannt ist er bis heute vor allem für die Bewahrung Wiens vor der Türkischen Eroberung.
Er wurde als gebürtiger Franzose Mitglied des Geheimen Rats des Kaisers und zum Präsidenten des Hofkriegsrats. Zwischen 1716 und 1724 war er Statthalter der Österreichischen Niederlande. Mit seinem Privatvermögen wurde er zu einem der wichtigsten privaten Bauherren zwischen Budapest und Wien. Als gebildeter wissenschafts- und kunstinteressierter Sammler betrieb Prinz Eugen Korrespondenz mit den wichtigsten Gelehrten seiner Zeit wie Leibniz, Montesquieu und Voltaire. Gemälde zeigten ihn als Star im barocken Glanz, Lieder wurden auf ihn als den Bewahrer des christlichen Europas vor der Türkengefahr gesungen. Prinz Eugen, ein Franzose in Diensten des Erzfeindes, war am Zenit seiner Macht nach den Kaisern, unter denen er diente, wohl der einflussreichste Mann Europas.
Sein Körper liegt im Wiener Stephansdom bestattet, sein Herz getrennt davon in der Basilica di Superga in Turin, der Grabeskirche des Hauses Savoy, dem er entstammt. Seine indirekten Nachfahren aus diesem französischen Adelsgeschlecht sollten in den Italienischen Unabhängigkeitskriegen zwischen 1848 und 1866 gegen Österreich kämpfen und die Einheit Italiens herstellen.
Ähnlich wie Andreas Hofer in Tirol wird Prinz Eugen gerne für nationalistische und populistische Zwecke vor den Karren gespannt, die ihm wohl wenig gefallen hätten. In Innsbruck erinnert neben dem Burgriesenhaus die Prinz-Eugen-Straße im Saggen an ihn.