Am südwestlichen Stadtrand befinden sich mit Schloss und Wallfahrtskirche Mentlberg zwei kaum beachtete Kleinode der Innsbrucker Geschichte. Das Ensemble erfuhr wohl die meisten Verwendungszwecke und Besitzerwechsel überhaupt. Adelssitz, Wallfahrtsort, Hotel, Internat, Kaserne, Sportstätte – nirgends ist Innsbruck so wandlungsfähig wie am Fuß des Wiltenbergs.
In sein heutiges Erscheinungsbild wurde das Schloss 1905 gebracht. Der französische Prinz Ferdinand von Bourbon-Orleans, Herzog der Vendome, hatte den 15 Jahre zuvor für sich und seine Gattin Sophie, eine Schwester der österreichischen Kaiserin Elisabeth, als Jagdschloss, Bauernhof und Feriendomizil erworben. Es war wohl die Lage am Waldrand, nahe zur Stadt mitten in den Alpen, die den beiden besonders gefiel. Sissi, wie ihre Schwester dem Landleben mehr zugetan als der strengen Hofetikette Wiens, war mehrmals zu Gast. Ganz der französischen Hocharistokratie verpflichtet, ließ der Prinz sein Anwesen im Geiste des Historismus in die Form eines Loireschlosses umbauen, um in der Provinz des deutschen Erbfeindes zumindest ein kleines Stück Heimat zu haben. Der neogotische Turm am Ostende mit seinem pyramidenförmigen Dach zeigt das Wappen des französischen Adelshauses.
Um seine und die seiner bayerischen Frau ruralen Gelüste voll und ganz zu befriedigen, erwarb der Herzog auch die sogenannten Untere Figge, den heutigen Sieglanger am Innufer, wo er Stallungen, Garagen, einen Park mit Gewächshaus und eine Dependance für das Personal erbauen ließ.
Die Geschichte des Anwesens geht aber wesentlich weiter zurück. Die erste Erwähnung fand es bereits 1305 als Landgut des Stiftes Wilten. Der Hof auf der Gallwiese umfasste mehrere Hektar Land und die Forstrechte am Wiltenberg. Der Stadt erhöht vorgelagert eignete sich Mentlberg ideal für einen Wachturm. Über Leuchtzeichen, sogenannte Kreidfeuer konnte man die Stadt bei herannahender Gefahr warnen. Die Äbte von Wilten begaben sich hierher auf Sommerfrische, um die heiße Jahreszeit in räumlicher Entfernung von der Klosterpolitik zu verbringen.
Heinrich Mentlberger, Besitzer des heutigen Weinhaus Happ, Stadtrichter und Bürgermeister, erwarb 1485 den Ansitz vom Stift Wilten. Der umtriebige Zeitgenosse Maximilians wurde von seinem Landesherrn als Mitglied des Kaiserlichen Rates in den Adelsstand erhoben, womit Mentlberg vom Landgut zum namensgebenden freiherrlichen Edelhof wurde.
In den nächsten Jahrhunderten folgten zahlreiche Besitzerwechsel innerhalb der Aristokratie, bevor Leopold Lindner 1884 das Anwesen erwarb. Lindner entstammte nicht dem Adel, seine Vorfahren waren aber mit dem in Wilten beheimateten Unternehmen Rosenbachers Eidam als Hofwachswaren-Lieferanten zu einem ansehnlichen Vermögen gekommen. Lindner sah in dieser Aufbruchs- und Goldgräberzeit des Fremdenverkehrs das touristische Potenzial des Anwesens. Mit Egerdach östlich und Mühlau nördlich der Stadt gab es bereits zwei erfolgreiche Kur- und Badebetriebe nahe Innsbruck. Im gräflichen Ambiente entstand eine Hotelpension, in der Gäste Anwendungen wie Fichtennadel-, Sole- und Mineralbäder genossen. Nach nur sechs Jahren wurde Mentlberg an den französischen Herzog der Vendome verkauft.
Der Erste Weltkrieg bescherte dem Anwesen eine neue Verwendung. Wie Schloss Ambras wurde auch Mentlberg zu einem Lazarett. Soldaten wurden in der Lungenheilanstalt behandelt. Trotz der Renovierung des Schlosses auf Kosten der öffentlichen Hand nach dem Krieg wollte Herzog Ferdinand von Bourbon-Orleans seinen österreichischen Besitz loswerden. 1926 interessierte sich sowohl das Land Tirol, ein Zusammenschluss Innsbrucker Gastwirte unter Führung des Hotels Grauer Bär wie auch die Alpine Holzindustrie GmbH aus Laibach für das Schloss Mentlberg und den damit zusammenhängenden Besitz. Laibach war erst seit kurzem nicht mehr Teil der Österreichischen Monarchie, sondern ein Teil des Königreichs Jugoslawien, die wirtschaftlichen Verbindungen waren aber aufrecht geblieben. Um 400.000 Schilling erwarb das jugoslawische Unternehmen das Anwesen.
Der Plan, das Schloss erneut in ein Hotel zu verwandeln, scheiterte aber nach anfänglicher Euphorie und hohen Investments. Nur zwei Jahre später gingen die insgesamt 70 Hektar Grund um 600.000 Schilling an das Land Tirol. Der Gallwiesenhof am Mentlberg sollte in ein Mustergut zu landwirtschaftlichen Schulungszwecken verwandelt werden, das Schloss als Unterkunft für die Schüler und Lehrlinge der Bildungsanstalt dienen. Der kühne Plan, an der Unteren Figge am Inn einen Badestrand zu errichten, kam nie zur Ausführung. Stattdessen wurde der Grund in den 1930er Jahren für den Bau der Dollfuß- und Fischersiedlung verwendet.
1932 sollte das Schloss als Mutter- und Säuglingsheimes genutzt werden, ob des zu prunkvollen Ambientes wurde dieser Vorschlag vom Landtag aber abgelehnt. In den finanziell auch für Tirol klammen Zeit nach der Wirtschaftskrise beschloss die Landesregierung das Schloss um 6.000 Schilling als Hotel zu verpachten, um das Landesbudget zu entlasten.
Der Plan, den Slalom der Ski-Weltmeisterschaften 1933 am Mentlberg durchzuführen, scheiterte ebenfalls, allerdings nicht an den Finanzen, sondern an der Schneelage, zumindest in jenem Jahr. Im Folgejahr ritterten am Hang neben dem Schloss „“…die 40 bestplacierten Abfahrtsläufer des Rennens Pfriemesköpfl – Mutters… um den Ehrenpreis des Bundeskanzlers Dr. Dollfuß…“
In den späten 1930er Jahren und der Nachkriegszeit wurde Schloss Mentlberg militärisch und administrativ genutzt. Nach der Benutzung als Kaserne durch das österreichische Heer war es während des Nationalsozialismus Standort des Reichsarbeitsdienstes. Junge Männer und Frauen waren im Rahmen des Gesetzes dazu verpflichtet, als Soldaten der Arbeit gemeinnützige Arbeiten zu übernehmen. Neben der erzieherischen und disziplinierenden Komponente im Rahmen der Propaganda, die dieser Dienst hatte, gelang es dem NS-Regime damit auch, die Arbeitslosenzahlen in den neu an das Reich angeschlossenen Gebiete mit einem Schlag drastisch zu senken. Nach dem Krieg quartierten sich die französischen Besatzer für kurze Zeit im Schloss ein, bevor es wieder zu einem Schüler- und Lehrlingsheim wurde. Nach 2015 wurde das Gebäude als Flüchtlingsheim verwendet. Derzeit baut des Land Tirol Mentlberg unter Einhaltung des Denkmalschutzes zum Zentrum für Katastrophenschutz um.
Östlich des Schlosses befindet sich mit der Wallfahrtskirche Mentlberg ein klassisches Produkt der Barockzeit. Ein Offizier der kaiserlichen Armee brachte aus seinem Einsatz im Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) eine Statue der Muttergottes mit dem Leichnam Jesu mit nach Tirol. Das 17. Jahrhundert war auf Grund der wirtschaftlichen Not und des Krieges die Blütezeit des christlichen Aberglaubens, in der die Menschen ihr persönliches Schicksal auf das Eingreifen von Heiligen zurückführten. Der Vater des Soldaten, Ferdinand von Khuepach, zu Ried, war der Eigentümer des Schlosses Mentlberg und beschloss die Holzfigur in der kleinen Kapelle auf seinem Anwesen aufzustellen. Ähnlich wie am Tummelplatz ereigneten sich auch bei der „Schmerzhaften Mutter auf der Gallwiese“ auch hier Wunderheilungen. Das Stift Wilten reagierte geistesgeschwind, um die Wallfahrt zu forcieren. Der Abt ließ entlang des Weges von Wilten nach Mentlberg sieben Bildsäulen aufstellen und renovierte die in die Jahre gekommene Kapelle. Die Siebenschläfer, eine antike Heiligenlegende rund um sieben junge Märtyrer aus Ephesos, erfuhren als Fürbitter bei hohem Fieber und Schlaflosigkeit, besondere Verehrung. Der Abt des Stiftes Wilten ließ deshalb in der Kapelle eine Abbildung der Grotte, in denen die sieben Jungen eingesperrt waren, errichten.
Im 18. Jahrhundert war Mentlberg zu einem veritablen Wallfahrtsort geworden. 1770 wurde nach Plänen von Konstantin Johann Walter, unter anderem Architekt der Triumphpforte und des Umbaus der Hofburg, die bis heute bestehende Kirche im Rokokostil errichtet. Die Grotte der Siebenschläfer wurde ebenso in die neue Kirche integriert wie das Altarbild der Gnadenmutter und die Holzplastik. Votivbilder zeugen bis heute von der Wundergläubigkeit der frommen Bürger.
Heute ist die Kirche am Mentlberg ob ihrer angenehmen Größe, der wunderschönen barocken Innenausstattung und des Blicks auf die Stadt Innsbruck bei Hochzeitspaaren äußerst beliebt.