„Das meiste Kunstinteresse erregt die Hof- oder Franziskaner-, eigentlich heil. Kreuzkirche, die mehr Museum der Erzbildnerei als Kirche ist. Im Mittelschiff ist das Grabmal Kaiser Marimilian's I. angebracht, von einem unförmlichen Eisengitter umschlossen. Auf der Decke des Sargs ist der Kaiser lebensgroß, knieend, die Hände zum Gebet gefaltet, zu schauen. Diesen Erzguß verfertigte der Sicilianer Ludwig del Duca, und die an den vier Ecken der Decke angebrachten Statuetten, die Tugenden der Gerechtigkeit, Klugheit, Stärke und Mäßigkeit vorstellend… Die Seitenflächen des Sarges, in 24 Felder getheilt, enthalten auf eben so vielen Marmortafeln die merkwürdigsten Kriegs- und Friedensthaten dieses Herrschers in erhabener Arbeit.“
So beschrieb ein Besucher Innsbrucks im Jahr 1846 die Hofkirche. Und es ist wohl wahr: Kein Bauwerk zeigt die Sicht, die Maximilian I. auf sich selbst hatte, so gut wie die Innsbrucker Hofkirche. Der „letzte Ritter und erste Kanonier“ stellte sich selbst in den Mittelpunkt einer langen Ahnenreihe, die bis zum englischen Sagenkönig Artus zurückreicht. Dabei hätte man noch weiter ausholen können, hatte doch der Hofgenealoge Maximilians den Bibelvater Noah und Hector, den Prinzen des antiken Trojas, als Stammväter der Habsburger ausgemacht.
In der Gestaltung des Kenotaphs, der in der Kirche zentral thront, war unter anderem Albrecht Dürer involviert. Dürer erlitt nicht das Schicksal vieler anderer Künstler der Frühen Neuzeit, deren Wert erst post mortem erkannt wurde, sondern vermarktete sich bereits zu Lebzeiten gut. Maximilian war ein eifriger Förderer Dürers, der als kaufmännisch und frühkapitalistisch orientierter Künstler das kulturelle Äquivalent zu den Fuggern darstellt.
Von den geplanten 40 Schwarzen Mandern, auch wenn nicht alle männlich sind, wurden schlussendlich nur 28 realisiert. Das Oratorium am Sarg von Hans Waldner stellt eine Sternstunde der Tischlereikunst dieser Zeit dar. Maximilian ließ sich knieend als frommer Mann darstellen. Die Reliefs an den Seiten zeigen wichtige Stationen aus dem Leben Maximilians, jedes für sich ist ein kleines Kunstwerk. Beginnend mit der Vermählung mit Maria von Burgund über verschiedene kriegerische Stationen zeigen die 24 Tafeln die Glanztaten Maximilians.
Die Fertigstellung seines Grabmals erlebte der Kaiser nicht mehr. 1519, am Ende seines Lebens sollen ihm die Innsbrucker Wirtsleute die Rechnung präsentiert haben, die sein Hofstaat über die Jahre hinweg bei ihnen angehäuft hatte. Erzürnt über diese Anmaßung kehrte Maximilian „seinem“ Innsbruck den Rücken und machte sich auf den Weg nach Wiener Neustadt, seine Alternative zu Innsbruck als letzte Ruhestätte. Am Weg dorthin verstarb er.
Da die Figuren für die Burg in Wiener Neustadt zu schwer waren, beschloss Kaiser Ferdinand I., der Enkel Maximilians, das Grabmal in Innsbruck erbauen zu lassen. Im 1511 eröffneten Gusswerk im heute als Arbeiterwohnhaus bekannten Gebäude in Mühlau waren die Bronzefiguren gegossen worden, der leere Sarg war nichts weiter als eine unangenehme Nebenerscheinung. Der Bau an der Kirche wurde 1563 nach 10 Jahren beendet.
So egozentrisch Maximilian im Leben und dessen Darstellung war, so bescheiden wollte er seinen letzten Weg antreten. Er soll verfügt haben, ihn nach der letzten Ölung nicht mehr mit seinen Titeln anzusprechen, seinem Leichnam die Zähne zu ziehen, den Schädel zu rasieren und ihn in einen Leichensack einzunähen, auf dass er als armer Büßer vor dem Herrn im Himmel treten könnte. Glaube war ein Instrument, um Ordnung herzustellen und Macht zu legitimieren, Herrscher wie Maximilian waren aber keine Zyniker, sondern tatsächlich fromme Menschen. Glaube funktioniert nur, wenn man wirklich glaubt, Gebäude wie die Hofkirche zeigen das heute noch eindrucksvoll. Der Leichnam Maximilians wurde nicht mehr überführt, der Kaiser blieb in Wiener Neustadt begraben. Sein Herz wurde wie bei Monarchen üblich, getrennt vom Körper bestattet. Es liegt bei seiner ersten Ehefrau Maria von Burgund in Brügge. Die Schwarzmanderkirche ist auch ohne den Leichnam im prächtigen Sarkophag ein eindrucksvoller Coup des PR-Profis Maximilian. Sie gilt als das größte kaiserliche Grabmal Westeuropas.
Was dem Kaiser nicht gelang, schaffte der Tiroler Widerstandskämpfer Andreas Hofer. Seine sterblichen Überreste liegen in der Hofkirche in einem Ehrengrab. Nachdem er 1810 in Mantua hingerichtet worden war, machte sich eine inoffizielle Delegation der Tiroler Schützen 1823 auf, um den Leichnam Hofers auszugraben und nach Innsbruck zu überstellen. Nach anfänglichen Widerständen der Obrigkeit, wurde er schlussendlich doch in der Hofkirche beerdigt. Das Marmordenkmal zeigt Hofer in Tiroler Tracht mit Fahne beim Treueschwur „Für Gott, Kaiser und Vaterland“.
Im Hinteren der Kirche überragt eine der ältesten noch spielbaren Renaissanceorgeln die Szenerie. Instrumente in Kirchen dienen heute noch für Konzerte, scheinen uns als Menschen des 21. Jahrhunderts aber kaum noch als spektakulär. Man sollte dabei nicht vergessen, dass Kirchenmusik über Jahrhunderte hinweg ein Highlight des Tages der Messbesucher darstellte, gab es doch weder Radio noch Spotify.
Ein weiterer Landesfürst von Tirol ist in der Silbernen Kapelle begraben, die über die Hofkirche zugänglich ist. Ferdinand II.galt als Feingeist, Lebemann und Kunstsammler. Ob der Geschichten um seine legendären Feste im Schloss verwundert es kaum, dass er sich nicht bei seiner zweiten Ehefrau Caterina Gonzaga im Servitenkloster, sondern mit der im Volk sehr beliebten ersten Ehefrau Philippine Welser in der Silbernen Kapelle an der Innsbrucker Hofburg beerdigen ließ.
Wer mehr über die Kultur und Alltag vergangener Zeiten in Tirol und die Geschichte der Hofkirche erfahren möchte, kann das Volkskunstmuseum im Rahmen der Besichtigung der Hofkirche besuchen. Das Volkskunstmuseum in Innsbruck war ehemals ein Stift, erbaut nach den Plänen von Andrea Crivelli und Niclas Türing, einem Mitglied der bedeutenden Tiroler Architektendynastie.