Tiroler Landestheater & Kongresshaus
Rennweg 3
Wissenswert
Wo heute gegenüber dem Hofgarten das große und sehr moderne Kongresshaus steht, befand sich seit 1581 das von Alberto Lucchese entworfene Ballhaus, das Landesfürst Ferdinand II. für den Innsbrucker Hof erbauen ließ. Der Name des Comedihaus ist irreführend. Die Stücke, die aufgeführt wurden, waren meist stundenlang dauernde Stücke, die sich auf ein biblisches Thema oder ganz im Geist der Renaissance auf die Antike bezogen. Lange Zeit war ein Großteil davon auf Latein, erst später setzte sich die deutsche Volkssprache als Theatersprache durch.
Neben Theaterstücken war es möglich Aufwändiges wie Dressurreit- und Wasserspiele aufzuführen. Landesfürst Leopold V. ließ das Ballhaus 1630 zum Hoftheater umfunktionieren. Seine Frau Claudia de Medici und er schätzten als gebildete Zeitgenossen der Renaissance und des 17. Jahrhunderts Kunst und Kultur. Ihre Residenzstadt sollte auf der Höhe der Zeit sein. Bis dahin war es üblich, dass Theater fahrende Institutionen waren, die von Stadt zu Stadt zogen. Die Dogana war eines der ersten Opern- und Theaterhäuser im Heiligen Römischen Reich überhaupt. Innsbruck allerdings war eine kleine Stadt mit etwa 5000 Einwohnern. Das Theater war zu groß geraten und auf Dauer nicht rentabel zu erhalten.
1653 übersiedelte das Stadttheater in das heutige Tiroler Landestheater auf den gegenüberliegenden Platz neben den Hofgarten. Christoph Gumpp plante eines der ehemaligen Ballspielhäuser zu einem moderneren Comedihaus um. Das Landestheater in seinem aktuellen Aussehen wurde im 19. Jahrhundert vom italienischen Architekten Giuseppe Segusini geplant. Die kunstsinnigen Bürger Innsbrucks gierten nach Unterhaltung, wie sie international üblich war. Dafür musste das alte Nationaltheater modern aus- und umgebaut werden. Die Neueröffnung in seinem jetzigen Aussehen erfolgte 1846. Der klassizistische Bau war vor einem ähnlichen gesellschaftlichen Hintergrund wie das Ferdinandeum entstanden. Die Form des Gebäudes ähnelt einem römischen Triumphbogen. Der wuchtige Eingangsbereich über Treppen wird von mächtigen Säulen gestützt. Heute wirkt das altehrwürdige Landestheater neben dem wuchtigen und modernen Haus der Musik beinahe etwas verloren.
Auch in Innsbruck war die Hochkultur und deren Deutung immer auch ein Zeichen der Macht und Herrschaftsverhältnisse. Die Namen des Theaterhauses spiegeln die Geschichte Innsbrucks, Tirols und Österreichs wider. 1765 unter Maria Theresia wurde das „Hoftheater“ renoviert. 1805 unter bayrischer Fremdherrschaft war es das „Königlich-Bayrische Hof-Nationaltheater“. Im Zeitalter des Nationalismus im 19. Jahrhundert wurde es 1844 als „Nationaltheater“ wegen Baufälligkeit geschlossen. Von 1938 - 1945 war es als „Reichsgautheater“ bekannt, der Platz davor wurde in Adolf-Hitler-Platz umbenannt. In der Nachkriegszeit erhielt es den heutigen Namen Tiroler Landestheater.
Das ehemalige Ballhaus und Theater gegenüber, das heutige Kongresshaus, wurde zuerst als Hofreitschule, ab 1776 als Mauthaus genutzt. Die Zentralisierung unter Maria Theresia bedurfte neuer Infrastruktur, um die Beamtenschaft für die Besteuerung unterzubringen. Der Name Dogana, italienisch für Zoll, rührt von dieser Verwendung. Im 2. Weltkrieg erlitt die Dogana erheblichen Schaden. Von 1970-1973 wurde sie zu einem Teil des heutigen Kongresszentrums umgebaut. Seit 2007 ist die erste Station der Hungerburgbahn neben dem Kongresshaus zu finden. 2018 befand sich vor dem Kongresshaus das Ziel der Radweltmeisterschaften.
Ferdinand II.: Renaissance, Glanz und Glamour
Erzherzog Ferdinand II. von Österreich (1529 – 1595) zählt zu den schillerndsten Figuren der Tiroler Landesgeschichte. Sein Vater Kaiser Ferdinand I. ließ seinem Sohn eine ausgezeichnete Ausbildung angedeihen. Er wuchs am spanischen Hof seines Onkels Kaiser Karl V auf. Einen Teil seiner Jugend verbrachte er am Hof in Innsbruck, der zu dieser Zeit ebenfalls spanisch geprägt war. In jungen Jahren reiste er durch Italien und Burgund und hatte an den wohlhabenden Höfen dort einen Lebensstil kennengelernt, der sich unter der deutschen Aristokratie noch nicht durchgesetzt hatte. Ferdinand war das, was man heute als Globetrotter, Mitglied der Bildungselite oder Kosmopolit bezeichnen würde. Er galt als intelligent, charmant und kunstsinnig. Bei weniger exzentrischen Zeitgenossen genoss Ferdinand den Ruf eines unmoralischen und genusssüchtigen Wüstlings. Es wurde ihm schon zu Lebzeiten nachgesagt, ausschweifende und unsittliche Orgien zu veranstalten.
Ferdinand hatte das Land Tirol als Landesfürst in turbulenten Zeiten übernommen. Die Bergwerke in Schwaz begannen wegen des billigen Silbers aus Amerika unrentabel zu werden. Die Silberschwemme aus der Neuen Welt führte zu einer Inflation. Das hielt ihn nicht davon ab, einen teuren Hofstaat zu unterhalten, währen die Lebenskosten für die ärmeren Bevölkerungsschichten anstiegen. Die italienischen Städte waren stilbildend in Kultur, Kunst und Architektur. Der Tiroler Hof Ferdinands sollte diesen Städten in nichts nachstehen. Seine Maskenbälle und Umzüge waren legendär. Ferdinand ließ Innsbruck im Geist der Renaissance umgestalten. Ganz im Trend der Zeit ahmte er die italienischen Adelshöfe in Florenz, Mantua, Ferrara oder Mailand nach. Hofarchitekt Giovanni Lucchese stand ihm dabei zur Seite. Vorbei sollten die Zeiten sein, in denen Deutsche in den schöneren Städten südlich der Alpen als unzivilisiert, barbarisch oder gar als Schweine bezeichnet wurden.
Auch die Politik Ferdinands stand unter italienischem Einfluss. Machiavelli schrieb sein Werk „Il Principe“, in dem davon die Rede war, dass Regierenden alles erlaubt sei, was für den Erfolg nötig ist, so sie denn unfähig waren, sie auch abgesetzt werden könnten. Ferdinand II. probierte diesem frühen absolutistischen Führungsstil gerecht zu werden und erließ mit seiner Tiroler Landesordnung für damalige Verhältnisse ein modernes juristisches Regelwerk. Die Jesuiten, kurz vor Ferdinands Amtsantritt in Innsbruck eingetroffen, um lästigen Reformatoren und Kirchenkritikern das Leben schwer zu machen und die kirchliche Präsenz verstärken, erhielten in der Silbergasse eine neue Kirche. Es mag heute als Widerspruch scheinen, dass der genusssüchtige Landesfürst Ferdinand als Katholik und Gegenreformator die Kirche verteidigte, in der Zeit der späten Renaissance war es das nicht. Mit seinen Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung war er ebenfalls auf der Linie der Jesuiten.
Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte Ferdinand auf Schloss Ambras bei Innsbruck, wo er sich eine der kostbarsten Sammlungen von Kunstwerken und Rüstungen anlegte, die noch heute zu den wertvollsten der Welt ihrer Art zu zählen ist. Westlich der Stadt erinnert ein Torbogen noch an den Tiergarten, ein Jagdrevier Ferdinands samt Lusthaus entworfen von Lucchese. Das Lusthaus wurde 1786 durch den heute als Pulverturm bekannten Bau ersetzt, der einen Teil der sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck beheimatet. Dem fürstlichen Sport des Jagens folgte im ehemaligen Lusthaus, das der Pulverturm war, die Sportuniversität nach. Das fürstliche Comedihaus am heutigen Rennweg entstand ebenfalls unter der baulichen Leitung Luccheses.
In erster "halbwilder Ehe" war Ferdinand mit der Bürgerlichen Philippine Welser verheiratet. Der Landesfürst soll in seine schöne Ehefrau regelrecht vernarrt gewesen sein, weshalb er sich über alle Konventionen der Zeit hinwegsetzte. Ihre Kinder wurden ob der strengen Gesellschaftsordnung des 16. Jahrhunderts von der Erbfolge ausgeschlossen. Nachdem Philippine Welser verstorben war, heiratete Ferdinand mit 53 Jahren die tiefgläubige Anna Caterina Gonzaga, eine erst 16jährige Prinzessin von Mantua. Große Zuneigung haben die beiden allem Anschein nach aber nicht zueinander empfunden, zumal Anna Caterina eine Nichte Ferdinands war. Die Habsburger waren beim Thema Hochzeit unter Verwandten weniger zimperlich als bei der Ehe eines Adeligen mit einer Bürgerlichen. Auch mit ihr konnte er allerdings "nur" drei Töchter zeugen. Seine letzte Ruhestätte fand Ferdinand in der Silbernen Kapelle bei seiner ersten Ehefrau.
Leopold V. & Claudia de Medici: Glanz und Gloria in Innsbruck
Eines der bekanntesten und für Innsbruck bedeutendsten Fürstenpaare regierte Tirol exakt während der Zeit, in der der Dreißigjährige Krieg Europa verheerte. Als Maximilian III. von Österreich kinderlos starb, brauchte es einen Ersatz als Statthalter Tirols. Der Habsburger Leopold (1586 – 1632), im Jahr 1618 noch Bischof von Passau, wurde auserkoren, um die landesfürstlichen Regierungsgeschäfte zu führen. 1625 verzichtete der mittlerweile zum Herzog Erhobene auf seine kirchlichen Würden um heiraten und eine neue Tiroler Linie des Hauses Habsburg gründen zu können. Zur Braut erkoren wurde Claudia de Medici (1604 – 1648) vom mächtigen und reichen Fürstengeschlecht aus der Toskana. Die Medici hatten mit Baumwoll- und Textilhandel, vor allem aber mit Finanzgeschäften ein Vermögen verdient und waren zu politischer Macht gekommen. Unter den Medici war Florenz das kulturelle und finanzwirtschaftliche Zentrum Europas geworden, vergleichbar mit dem New York des 20. Jahrhunderts. Damit konnte Innsbruck trotz dem Status als Residenzstadt nicht mithalten, auch wenn Leopold alles daransetzte, um das zu ändern. Die Hochzeitsfeierlichkeiten der Verbindung von Habsburg und Medici war eines der prächtigsten Feste in der Geschichte der Stadt und hielt die Stadt zwei Wochen lang in Atem. Ein breites Unterhaltungsprogramm, darunter „Bären, Türken und Mohren“ versetzten Innsbruck in Verzückung und Erstaunen.
Weniger prächtig war die Regierungszeit, die von den Wirren des Dreißigjährigen Krieges geprägt war. Innsbruck blieb zwar von direkten Kriegshandlungen verschont, die Versorgungslage war trotzdem prekär. Leopold und Claudia ließen sich ihre glamouröse Hofhaltung davon nur bedingt einschränken.
Nach dem frühen Tod Leopolds regierte Claudia das Land mit Hilfe ihres Hofkanzlers Wilhelm Biener (1590 – 1651) mit moderner, frühabsolutistischer Politik und strenger Hand. Biener zentralisierte Teile der Verwaltung und entmachtete den oft korrupten und willkürlich agierenden lokalen Kleinadel zu Gunsten des Landesfürsten, um den Ausbau der Tiroler Landesverteidigungsanlagen zu finanzieren. Die für ihre Brutalität berüchtigten Schweden bedrohten die Tiroler Landesgrenzen, konnten dadurch abgewehrt werden. Bei Scharnitz an der heutigen deutschen Grenze wurden Verteidigungsanlagen errichtet und nach der Landesfürstin Porta Claudia genannt. Überreste davon sind noch heute zu besichtigen. Der unbequeme Biener wurde vom Nachfolger Claudias, Erzherzog Ferdinand Karls und den Landständen als Persona non grata inhaftiert und 1651 nach einem Schauprozess geköpft.
Ein Hauch Florenz und Medici prägt Innsbruck bis heute: Sowohl in der Jesuitenkirche, wo Claudia und Leopold ihre letzte Ruhestätte fanden, als auch in der Pfarrkirche Mariahilf prangt bis heute das Wappen ihrer Familie mit den roten Kugeln und den Lilien. Das Alte Rathaus in der Altstadt ist auch als Claudiana bekannt. Mit Leopolds Namen verbunden bis heute ist in Innsbruck besonders das Theater, ein Brunnen am Vorplatz erinnert an ihn.
Die Baumeister Gumpp und die Barockisierung Innsbrucks
Die Werke der Familie Gumpp bestimmen bis heute sehr stark das Aussehen Innsbrucks. Vor allem die barocken Teile der Stadt sind auf die Hofbaumeister zurückzuführen. Der Begründer der Dynastie in Tirol, Christoph Gumpp (1600-1672) war eigentlich Tischler. Sein Talent allerdings hatte ihn für höhere Weihen auserkoren. Den Beruf des Architekten gab es zu dieser Zeit noch nicht. Michelangelo und Leonardo Da Vinci galten in ihrer Zeit als Handwerker, nicht als Künstler. Der Ruhm ihrer Kunstwerke allerdings hatte den Wert italienischer Baumeister innerhalb der Aristokratie immens nach oben getrieben. Wer auf sich hielt, beschäftigte jemand aus dem Süden am Hof. Christoph Gumpp, obwohl aus dem Schwabenland nach Innsbruck gekommen, trat nach seiner Mitarbeit an der Dreifaltigkeitskirche in die Fußstapfen der von Ferdinand II. hochgeschätzten Renaissance-Architekten aus Italien. Auf Geheiß Ferdinands Nachfolger Leopold V. reiste Gumpp nach Italien, um dort Theaterbauten zu studieren- Er sollte bei den kulturell den Ton angebenden Nachbarn südlich des Brenners sein Wissen für das geplante landesfürstliche Comedihaus aufzupolieren. Gumpps offizielle Tätigkeit als Hofbaumeister begann 1633 und er sollte diesen Titel an die nächsten beiden Generationen weitervererben. Über die folgenden Jahrzehnte sollte Innsbruck einer kompletten Renovierung unterzogen werden. Neue Zeiten bedurften eines neuen Designs, abseits des düsteren, von der Gotik geprägten Mittelalters. Die Gumpps traten nicht nur als Baumeister in Erscheinung. Sie waren Tischler, Maler, Kupferstecher und Architekten, was ihnen erlaubte, ähnlich der Bewegung der Tiroler Moderne rund um Franz Baumann und Clemens Holzmeister Anfang des 20. Jahrhunderts, Projekte ganzheitlich umzusetzen. Johann Martin Gumpp der Ältere, Georg Anton Gumpp und Johann Martin Gumpp der Jüngere waren für viele der bis heute prägendsten Gebäude im Stadtbild zuständig. So stammen die Wiltener Stiftskirche, die Mariahilfkirche, die Johanneskirche und die Spitalskirche von den Gumpps. Neben dem Entwurf von Kirchen und ihrer Arbeit als Hofbaumeister machten sie sich auch als Planer von Profanbauten einen Namen. Viele der Bürgerhäuser und Stadtpaläste Innsbrucks wie das Taxispalais oder das Alte Landhaus in der Maria-Theresien-Straße wurden von Ihnen entworfen. Das Meisterstück aber war das Comedihaus, das Christoph Gumpp für Leopold V. und Claudia de Medici im ehemaligen Ballhaus plante. Die überdimensionierten Maße des damals richtungsweisenden Theaters, das in Europa zu den ersten seiner Art überhaupt gehörte, erlaubte nicht nur die Aufführung von Theaterstücken, sondern auch Wasserspiele mit echten Schiffen und aufwändige Pferdeballettaufführungen. Das Comedihaus war ein Gesamtkunstwerk an und für sich, das in seiner damaligen Bedeutung wohl mit dem Festspielhaus in Bayreuth des 19. Jahrhunderts oder der Elbphilharmonie heute verglichen werden muss. Das ehemalige Wohnhaus der Familie Gumpp kann heute noch begutachtet werden, es beherbergt heute die Konditorei Munding. Im Stadtteil Pradl erinnert die Gumppstraße an die Baumeisterdynastie.
Innsbruck und der Nationalsozialismus
Im Klima der 1930er wuchs und gedieh die NSDAP auch in Tirol. Die erste Ortsgruppe der NSDAP in Innsbruck wurde bereits 1923 gegründet. Mit „Der Nationalsozialist – Kampfblatt für Tirol und Vorarlberg“ erschien ein eigenes Wochenblatt. Konnten die Nationalsozialisten bei ihrem ersten Antreten bei einer Gemeinderatswahl 1921 nur 2,8% der Stimmen erringen, waren es bei den Wahlen 1933 bereits 41%. Neun Mandatare, darunter der spätere Bürgermeister Egon Denz und der Gauleiter Tirols Franz Hofer, zogen in den Gemeinderat ein.
Nicht nur die Wahl Hitlers zum Reichskanzler in Deutschland, auch Kampagnen und Manifestationen in Innsbruck verhalfen der ab 1934 in Österreich verbotenen Partei zu diesem Ergebnis. Dass es bei diesen Manifestationen zu Gewaltausbrüchen kam, war für die Zwischenkriegszeit in Österreich nicht unüblich. Berüchtigt wurde die sogenannte Höttinger Saalschlacht vom 27. Mai 1932. Hötting war damals noch kein Teil Innsbrucks. In der Gemeinde lebten vor allem Arbeiter. In dieser roten Bastion Tirols planten Nationalsozialisten eine Kundgebung im Gasthof Goldener Bär, einem Treffpunkt der Sozialdemokraten. Diese Provokation endete in einem Kampf, der mit über 30 Verletzten und einem Todesopfer auf Seiten der Nationalsozialisten durch eine Stichwunde endete. Die Ausschreitungen breiteten sich auf die ganze Stadt aus, sogar in der Klinik gerieten die Verletzten noch aneinander. Nur unter Einsatz der Gendarmerie und des Heeres konnten die Kontrahenten voneinander getrennt werden.
Als der Anschluss Österreichs an Deutschland im März 1938 erfolgte, stimmte auch in Innsbruck eine Mehrheit von annähernd 99% mit JA ab. Noch bevor Bundeskanzler Schuschnigg seine letzte Rede an das Volk vor der Machtübergabe an die Nationalsozialisten mit den Worten „Gott schütze Österreich“ am 11. März 1938 geschlossen hatte, rotteten sich bereits die Nationalsozialisten in der Innenstadt zusammen um den Einmarsch der deutschen Truppen vorzufeiern. Am Tiroler Landhaus, damals noch in der Maria-Theresienstraße, wurde die Hakenkreuzfahne gehisst.
Am 12. März empfingen die Innsbrucker das deutsche Militär frenetisch. Wenig später besuchte Adolf Hitler persönlich Innsbruck, um sich von der Menge feiern zu lassen. Archivbilder zeigen eine euphorische Menschenmenge in Erwartung des Führers, des Heilsversprechers. Die Menschen waren nach der wirtschaftlichen Not der Zwischenkriegszeit, der Wirtschaftskrise und den Regierungen unter Dollfuß und Schuschnigg müde und wollten Veränderung. Welche Art von Veränderung, war im ersten Moment weniger wichtig als die Veränderung an und für sich. „Es denen da oben zu zeigen“, das war Hitlers Versprechen. Wehrmacht und Industrie boten jungen Menschen eine Perspektive, auch denen, die mit der Ideologie des Nationalsozialismus an und für sich wenig anfangen konnten. Anders als heute war Demokratie nichts, woran sich jemand in der kurzen, von politischen Extremen geprägten Zeit zwischen der Monarchie 1918 bis zur Ausschaltung des Parlaments unter Dollfuß 1933 hätte gewöhnen können. Was faktisch nicht in den Köpfen der Bevölkerung existiert, muss man nicht abschaffen.
Tirol und Vorarlberg wurden in einem Reichsgau zusammengefasst mit Innsbruck als Hauptstadt. Bewaffneter Widerstand war nicht vorhanden, dazu war die Linke in Tirol nicht stark genug. Unorganisiertes subversives Verhalten von der katholischen Bevölkerung, vor allem in einigen Landgemeinden rund um Innsbruck gab es vereinzelt, erst sehr spät konnte der organisierte Widerstand in Innsbruck Fuß fassen.
Das Regime unter Hofer und Gestapochef Werner Hilliges leistete aber ganze Arbeit bei der Unterdrückung. Während des Nationalsozialismus wurde die katholische Kirche systematisch bekämpft. Katholische Schulen wurden umfunktioniert, Jugendorganisationen verboten, Klöster geschlossen, besonders hartnäckige Pfarrer wie Otto Neururer verfolgt und in Konzentrationslager gebracht. Auch Lokalpolitiker wie die späteren Innsbrucker Bürgermeister Anton Melzer und Franz Greiter müssten flüchten oder worden verhaftet. Gewalt und die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung, dem Klerus, politisch Verdächtigen, Zivilpersonen und Kriegsgefangenen auch nur überblicksmäßig zusammenzufassen würde den Rahmen sprechen.
In der heutigen Landesbaudirektion in der Herrengasse 1 befand sich die Gestapo. Hier wurden Verdächtige schwer misshandelt und teils mit Fäusten zu Tode geprügelt. 1941 wurde in der Rossau in der Nähe des Bauhofs Innsbruck das Arbeitslager Reichenau errichtet. Verdächtige Personen aller Art wurden hier zu Zwangsarbeiten in schäbigen Baracken verwahrt. Über 130 Personen fanden in diesem Lager bestehend aus 20 Baracken den Tod durch Krankheit, die schlechten Bedingungen, Arbeitsunfälle oder Hinrichtungen.
Auch im Dorf Kematen, etwa 10 km von Innsbruck kamen im Messerschmitt Werk Gefangene zum Zwangseinsatz. Darunter waren politische Häftlinge, russische Kriegsgefangene und Juden. Zu den Zwangsarbeiten gehörten unter anderem die Errichtung der Südtiroler Siedlungen in der Endphase oder die Stollen zum Schutz vor den Luftangriffen im Süden Innsbrucks. In der Klinik Innsbruck wurden Behinderte und vom System als nicht genehm empfundene Menschen wie Homosexuelle zwangssterilisiert. Die psychiatrische Klinik in Hall war in NS-Verbrechen an behinderten Menschen beteiligt. Nach und nach erst werden diese Vorgänge aufgearbeitet.
Am 3. Mai 1945 erreichten US-Truppen Innsbruck. Zuvor war es im Außerfern und in Scharnitz an der Porta Claudia, die auf Claudia de Medicis Verteidigungsanlagen im Dreißigjährigen Krieg zurückgeht, zu einigen kleineren Gefechten zwischen der Wehrmacht und der Cactus-Division der US-Streitkräfte gekommen. Mit Hermann Göring in Kitzbühel und dem Raketenwissenschaftler Wernher von Braun in Reutte wurden zwei der prominentesten Nationalsozialisten in Tirol aufgegriffen. Innsbruck wurde zum großen Glück für die Stadt kampflos übergeben. Obwohl Adolf Hitler Tirol zum Teil der Alpenfestung, dem letzten Rückzugsort im Fall der Niederlage ernannt hatte, kehrte bei den Verantwortlichen vor Ort rund um Gauleiter Franz Hofer zumindest in den letzten Tagen ihrer Herrschaft noch Vernunft ein. Operation Greenup, eine Geheimoperation des CIA-Vorgängers OSS auf Tiroler Boden in den letzten Kriegsmonaten, die erheblichen Anteil am friedlichen Übergang hatte, ist eine packende Episode in der Stadtgeschichte, die vom Historiker Peter Pirker im Buch Codename Brooklyn spannend aufgearbeitet wurde.
Für zwei Monate sollten die US-Truppen nach Kriegsende die Stadt Innsbruck kontrollieren. Anschließend übernahmen die Franzosen die Verwaltung Tirols. Ein großer Teil der Tiroler Bevölkerung war nach den harten und leidvollen Kriegsjahren froh über das Ende der Naziherrschaft und des damit einhergehenden Terrors. Die Verantwortung dafür allerdings übernahm niemand, auch wenn vor allem zu Beginn die Begeisterung und Unterstützung für den Nationalsozialismus groß war. Scham über das, was seit 1938 und in den Jahren in der Politik Österreichs geschehen war mischte sich zur Angst davor, von den Besatzungsmächten USA, Großbritannien, Frankreich und die UDSSR als Kriegsschuldiger ähnlich wie 1918 behandelt zu werden.
Es entstand ein Klima, in dem niemand, weder die daran beteiligte noch die nachfolgende Generation über das Geschehene sprach. Trauma und Scham verhinderten lange die Aufarbeitung. Es gab viele Kontinuitäten, die mit Kriegsende nicht abbrachen. Polizisten, Lehrer, Richter – sie alle wurden auf der einen Seite trotz ihrer politischen Gesinnung gerne an ihrem Platz gelassen, auf der anderen Seite auch benötigt, um die Gesellschaft am Laufen zu halten.
Ein Beispiel dafür ist die Vita des Arztes Burghard Breitners (1884-1956. Er wuchs in Mattsee in einem wohlbetuchten bürgerlichen Haushalt auf. Die Villa Breitner war Sitz eines Museums, das den deutschnationalen Dichter Josef Viktor Scheffel zum Thema hatte, den sein Vater sehr verehrte. Nach dem Gymnasium entschied sich Breitner gegen eine Karriere in der Literatur und für ein Medizinstudium. Anschließend beschloss er seinen Militärdienst und begann seine Karriere als Arzt. 1912/13 diente er als Militärarzt im Balkankrieg. 1914 verschlug es ihn an die Ostfront, wo er in russische Kriegsgefangenschaft geriet. Erst 1920 sollte er als Held und „Engel von Sibirien“ aus dem Gefangenenlager wieder nach Österreich zurückkehren. 1932 begann seine Laufbahn an der Universität Innsbruck. 1938 stand Breitner vor dem Problem, dass er auf Grund des jüdischen Hintergrundes seiner Großmutter väterlicherseits den „Großen Ariernachweis“ nicht erbringen konnte. Auf Grund seines guten Verhältnisses zum Rektor der Uni Innsbruck und zu wichtigen Nationalsozialisten konnte er aber schlussendlich an der Universitätsklinik weiterarbeiten. Während des NS-Regimes war Breitner als Vorstand der Klinik Innsbruck für Zwangssterilisierungen und „freiwillige Entmannungen“ verantwortlich, auch wenn er wohl keine der Operationen persönlich durchführte. Nach dem Krieg schaffte er es mit einigen Mühen sich durch das Entnazifizierungsverfahren zu winden. 1951 wurde er als Kandidat des VDU, einem politischen Sammelbecken für ehemalige Nationalsozialisten, als Kandidat für die Bundespräsidentschaftswahl aufgestellt. 1952 wurde Breitner Rektor der Universität Innsbruck. Nach seinem Tod widmete ihm die Stadt Innsbruck ein Ehrengrab am Westfriedhof Innsbruck. In der Reichenau ist ihm in unmittelbarer Nähe des Standortes des ehemaligen Konzentrationslagers eine Straße gewidmet.
Der Mythos von Österreich als erstem Opfer des Nationalsozialismus, der erst mit der Affäre Waldheim langsam zu bröckeln begann, war geboren. Es gibt kaum eine Familie, die nicht mindestens ein Mitglied mit einer wenig rühmlichen Geschichte zwischen 1933 und 1945 hatte. Erinnerungsorte an die Jahre 1938 - 1945 im öffentlichen Raum sind kaum vorhanden. Eine 1972 enthüllte Bronzetafel am ehemaligen Hauptquartier der Gestapo in der Herrengasse und ein Denkmal in der Reichenau an der Stelle des damaligen Arbeitslagers sind zwei der spärlich gesäten Erinnerungsorte an den Nationalsozialismus in Innsbruck.
Barock: Kunstrichtung und Lebenskunst
Wer in Österreich unterwegs ist, kennt die Kuppen und Zwiebeltürme der Kirchen in Dörfern und Städten. Diese Form der Kirchtürme entstand in der Zeit der Gegenreformation und ist ein typisches Kennzeichen des Architekturstils Barock. Auch in Innsbrucks Stadtbild sind sie vorherrschend. Die bekanntesten Gotteshäuser Innsbrucks wie der Dom, die Johanneskirche oder die Jesuitenkirche, sind im Stile des Barocks gehalten. Prachtvoll und prunkvoll sollten Gotteshäuser sein, ein Symbol des Sieges des rechten Glaubens. Die Religiosität spiegelte sich in der Kunst und Kultur wider: Großes Drama, Pathos, Leiden, Glanz und Herrlichkeit vereinten sich zum Barock.
Das Stadtbild Innsbrucks veränderte sich enorm. Die Gumpps und Johann Georg Fischer als Baumeister sowie die Bilder Franz Altmutters prägen Innsbruck bis heute nachhaltig. Das Alte Landhaus in der Altstadt, das Neue Landhaus in der Maria-Theresien-Straße, die unzähligen Palazzi, Bilder, Figuren – der Barock war im 17. und 18. Jahrhundert das stilbildende Element des Hauses Habsburg und brannte sich in den Alltag ein. Das Bürgertum wollte den Adeligen und Fürsten nicht nachstehen und ließen ihre Privathäuser im Stile des Barocks errichten. Auf Bauernhäusern prangen Heiligenbilder, Darstellungen der Mutter Gottes und des Herzen Jesu.
Barock war nicht nur eine architektonische Stilrichtung, es war ein Lebensgefühl, das seinen Ausgang nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges nahm. Die Türkengefahr aus dem Osten, die in der zweimaligen Belagerung Wiens gipfelte, bestimmte die Außenpolitik des Reiches, während die Reformation die Innenpolitik dominierte. Die Barockkultur war ein zentrales Element des Katholizismus und der politischen Darstellung derselben in der Öffentlichkeit, das Gegenmodell zum spröden und strengen Lebensentwurf Calvins und Luthers. Feiertage mit christlichem Hintergrund wurden eingeführt, um den Alltag der Menschen aufzuhellen. Architektur, Musik und Malerei waren reich, füllig und üppig. In Theaterhäusern wie dem Comedihaus in Innsbruck wurden Dramen mit religiösem Hintergrund aufgeführt. Kreuzwege mit Kapellen und Darstellungen des gekreuzigten Jesus durchzogen die Landschaft. Die Volksfrömmigkeit in Form der Wallfahrten, Marien- und Heiligenverehrung hielt Einzug in den Kirchenalltag. Die Barockfrömmigkeit wurde auch zur Erziehung der Untertanen eingesetzt. Auch wenn der Ablasshandel in der Zeit nach dem 16. Jahrhundert keine gängige Praxis mehr in der katholischen Kirche war, so gab es doch noch eine rege Vorstellung von Himmel und Hölle. Durch ein tugendhaftes Leben, sprich ein Leben im Einklang mit katholischen Werten und gutem Verhalten als Untertan gegenüber der göttlichen Ordnung, konnte man dem Paradies einen großen Schritt näherkommen.
Die sogenannte Christliche Erbauungsliteratur war nach der Schulreformation des 18. Jahrhunderts in der Bevölkerung beliebt und zeigte vor, wie das Leben zu führen war. Das Leiden des Gekreuzigten für die Menschheit galt als Symbol für die Mühsal der Untertanen auf Erden innerhalb des Feudalsystems. Mit Votivbildern baten Menschen um Beistand in schweren Zeiten oder bedankten sich vor allem bei der Mutter Gottes für überstandene Gefahren und Krankheiten. Tolle Beispiele dafür finden sich an der östlichen Fassade der Basilika in Wilten.
Der Historiker Ernst Hanisch beschrieb den Barock und den Einfluss, den er auf die österreichische Lebensart hatte, so:
„Österreich entstand in seiner modernen Form als Kreuzzugsimperialismus gegen die Türken und im Inneren gegen die Reformatoren. Das brachte Bürokratie und Militär, im Äußeren aber Multiethnien. Staat und Kirche probierten den intimen Lebensbereich der Bürger zu kontrollieren. Jeder musste sich durch den Beichtstuhl reformieren, die Sexualität wurde eingeschränkt, die normengerechte Sexualität wurden erzwungen. Menschen wurden systematisch zum Heucheln angeleitet.“
Die Rituale und das untertänige Verhalten gegenüber der Obrigkeit hinterließen ihre Spuren in der Alltagskultur, die katholische Länder wie Österreich und Italien bis heute von protestantisch geprägten Regionen wie Deutschland, England oder Skandinavien unterscheiden. Die Leidenschaft für akademische Titel der Österreicher hat ihren Ursprung in den barocken Hierarchien. Der Ausdruck Barockfürst bezeichnet einen besonders patriarchal-gönnerhaften Politiker, der mit großen Gesten sein Publikum zu becircen weiß. Während man in Deutschland politische Sachlichkeit schätzt, ist der Stil von österreichischen Politikern theatralisch, ganz nach dem österreichischen Bonmot des „Schaumamal“.