Turnusvereinshaus

Innstraße 2

Nordkette Innsbruck
Wissenswert

Wo sich heute Wohnungen und Geschäfte befinden, war einst das Zuchthaus angesiedelt. Der Kern des Hauses geht in seinem Aussehen auf das 18. Jahrhundert zurück. Langgezogen zieht sich das dreistöckige Gebäude entlang des Innrains. Ein kleines Türmchen krönt den kasernenartigen Bau mit Arkadengang, in dem sich heute Geschäfte und Lokale befinden. Der Innenhof mit dem sehenswerten Brunnen und den vergitterten Fenstern erinnert heute im Look and Feel noch an die vergangenen Verwendungszwecke des Turnusvereinshaus.

Im 18. Jahrhundert wuchs nicht nur die Anzahl der Bürger, auch die Rate der Bettler- und Almosenbezieher schnellte in die Höhe. Gepaart mit der Entstehung eines neuen, aufgeklärteren Rechtverständnisses, entstand die Notwendigkeit „arbeitsscheue und liederliche Leute zu verwahren und die mit Schub ankommenden Individuen aufzunehmen“. Lange Zeit scheiterte der Plan eine neue Strafanstalt zu eröffnen an der Finanzierung. Erst durch den Plan, den Bau durch Zwangsarbeit gegenzufinanzieren, konnte die Verwahrungsanstalt fertiggestellt werden. 1725 öffnete das Zuchthaus nach fast fünfzehn Jahre dauernden Bauarbeiten seine Pforten.

Das neue Zuchthaus war kein Gefängnis wie der ehemalige Kerker im Kräuterturm, sondern ein Arbeitshaus. Die Insassen sollten selbst durch ihrer Hände Arbeit für ihren Aufenthalt aufkommen. An die 300 Personen arbeiteten unter schwierigsten Bedingungen in der Leinenfabrik, später in der Lodenfabrik. Die häufigsten Delikte waren Diebstahl, Körperverletzung, Mord und Kindsmord, was nichts anderes als Abtreibung nach Geburt darstellt.

Es waren nicht nur Sträflinge, auch Bettler sollten hier für ihr Dasein aufkommen. Waren diese liederlichen Leute während dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit noch unter der Patronanz kirchlicher Institutionen wie dem Sondersiechenhaus gestanden, hatte sich während der alles rationalisierenden Aufklärung die Einstellung gegenüber arbeitsunfähigen Menschen geändert. Ganz nach den Vorstellungen der Aufklärung sollte dies sowohl dem Wohl der Gesellschaft dienen als auch dem Delinquenten individuelle Besserung und Eingliederung verschaffen.

1859 kaufte die Stadt Innsbruck das Gebäude und gab es an den Turnusverein der Stadt Innsbruck weiter. Es war zu dieser Zeit Sitte und Pflicht, dass Bürger der Stadt Soldaten auf Durchmarsch bei sich zu Hause aufnahmen. Mit den Italienischen Unabhängigkeitskriegen mehrte sich auch die Zahl der durchmarschierenden Soldaten, die über den Brenner zu den Schlachtfeldern transportiert wurden. Wer es sich leisten konnte, wurde Mitglied des Einquartierungs-Turnusvereins und konnte so die Soldaten, die eigentlich in der eigenen Wohnung unterkommen sollten, an das Turnusvereinshaus abgeben.

1869 entfiel diese Bürgerpflicht wieder. Mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie über den Brenner verschwand der Zwischenstopp in Innsbruck. Die drastisch verkürzte Zeit, um Soldaten von A nach B zu schaffen, revolutionierten nicht nur die Kriegsführung, sondern machten Einrichtungen wie das Turnusvereinshaus überflüssig.

In Folge wurde das Turnusvereinshaus zum Landesgendarmeriekommando umfunktioniert.

Während des Ersten Weltkrieges diente das Gebäude als Zwischenlager für Italienische Kriegsgefangene. Das Turnusvereinshaus war wieder zu einem Gefängnis geworden. Die meisten inhaftierten Soldaten blieben nur kurz in Innsbruck zur Verwahrung. Sie wurden in größere Lager in Ostösterreich umgesiedelt, unter anderem nach Mauthausen.

Die Innsbrucker Strafvollzugsanstalt ist heute am westlichen Stadtrand zu finden und trägt den Namen „Zieglstadl“, da vor der Übersiedlung 1964 an dieser Stelle eine Ziegelbrennerei zu finden war.

Am Innufer vor dem Turnusvereinshaus bietet der sogenannte „Dürerblick“ einen schönen Panoramablick auf die Altstadt. Hier saß Albrecht Dürer 1495 wohl, als er die Skizzen für sein berühmtes Aquarell der Stadt Innsbruck anlegte. Das Werk selbst entstand später in seiner Werkstatt in Nürnberg. Das Original des Bildes „Innsprugg von Norden“ hängt heute in der Albertina Wien.

Romantik, sonnenlose Sommer und Entschuldigungskarten

Dank der Universität schnupperte Innsbruck schon im 18. Jahrhundert in der Ära Maria Theresias die Morgenluft der Aufklärung, wenn auch schaumgebremst von der jesuitischen Fakultätsleitung. 1741 gründete sich mit der Societas Academica Litteraria im Taxispalais ein Gelehrtenzirkel. 1777 begründete sich die Freimaurerlosge Zu den drei Bergen, vier Jahre später die Tirolische Gesellschaft für Künste und Wissenschaft. Angestachelt von der Französischen Revolution bekannten sich einige Studenten gar zu den Jakobinern. Unter Kaiser Franz wurden all diese Vereinigungen nach der Kriegserklärung an Frankreich 1794 aber verboten und streng überwacht.

Nach den Napoleonischen Kriegen begann Innsbruck sich zu erholen. Die kleine Stadt am Rande des Kaiserreiches hatte etwas mehr als 12.000 Einwohner, „ohne die Soldaten, Studenten und Fremden zu rechnen“. Universität, Gymnasium, Lesekasino, Musikverein, Theater und Museum zeugten von einer gewissen urbanen Kultur. Es gab ein Deutsches Kaffeehaus, eine Restauration im Hofgarten und mehrere Gasthöfe wie den Österreichischen Hof, die Traube, das Munding, die jeweils Goldenen Adler, Stern und Hirsch

Die bayerische Besatzung war nach 1815 verschwunden, die Ideen der Denker der Aufklärung und der Französischen Revolution hatten sich aber in einigen Köpfen verfangen. In Gaststätten und Kaffeehäusern trafen sich Studenten, Beamte, Mitglieder des niederen Adels und Akademiker, um modernes Gedankengut auszutauschen.

Die Antike und ihre Denker feierten in Innsbruck wie in ganz Europa eine zweite Renaissance. Stilbildend waren Denker der Romantik des 18. und frühen 19. Jahrhunderts wie Winckelmann, Lessing oder Hegel. Den Griechen wurde „edle Einfalt und stille Größe“ attestiert. Goethe wollte das „Land der Griechen mit der Seele suchen“ und machte sich auf nach Italien, um dort seine Sehnsucht nach der guten, vorchristlichen Zeit zu suchen, in dem die Menschen des Goldenen Zeitalters ein ungezwungenes Verhältnis mit ihren Göttern pflegten. Römische Tugenden wurden als Leitbilder in die Moderne transportiert und bildeten die Basis für bürgerliche Genügsamkeit und den Patriotismus, der groß in Mode kam. Philologen durchkämmten die Texte antiker Schriftsteller und Philosophen und transportierten ein gefälliges „Best of“ ins 19. Jahrhundert. Studenten und Intellektuelle wie der Brite Lord Byron wurden so sehr vom Panhellenismus ergriffen, dass sie im griechischen Unabhängigkeitskampf gegen das osmanische Reich ihr Leben aufs Spiel setzten. Säulen, Sphinxe, Büsten und Statuen mit klassischen Proportionen schmückten Paläste, Verwaltungsgebäude und Museen wie das Ferdinandeum.

Kanzler Clemens von Metternichs (1773 – 1859) Polizeistaat hielt diese gesellschaftlichen Regungen lange Zeit unter Kontrolle. Liberales Gedankengut, Zeitungen, Flugblätter, Schriften, Bücher und Vereine standen unter Generalverdacht der Obrigkeit. Magazine und Zeitschriften mussten sich anpassen oder im Untergrund verbreitet werden, um nicht der Zensur anheimzufallen.

Schriftsteller wie Hermann von Gilm (1812 – 1864) und Johann Senn (1792 – 1857), an beide erinnern heute Straßen in Innsbruck, verbreiteten in Tirol anonym politisch motivierte Literatur und Schriften. Der Mix aus großdeutsch-nationalem Gedankengut und tirolischem Patriotismus vorgetragen mit dem Pathos der Romantik mutet heute eher eigenartig, harmlos und pathetisch an, war aber dem metternich´schen Staatsapparat weder geheuer noch genehm, auch wenn er nur von einer verschwindend kleinen Elite überhaupt wahrgenommen wurde. Alle Arten von Vereinen wie die Innsbrucker Liedertafel und Studentenverbindungen, sogar die Mitglieder des Ferdinandeums wurden streng überwacht. Auch die Schützen standen, trotz ihrer demonstrativen Kaisertreue, auf der Liste der zu überwachenden Institutionen. Als zu aufsässig galten sie, nicht nur gegenüber fremden Mächten, sondern auch gegenüber der Wiener Zentralstaatlichkeit. Die Arbeiterschaft wurde von der Geheimpolizei Metternichs ebenfalls ins Visier genommen. Besonders St. Nikolaus und Hötting waren als „rote Pflaster“ bekannt.

All das waren aber Randphänomene, die nur eine kleine Anzahl an wohlhabenden Menschen beschäftigte. Nachdem die Bergwerke und Salinen im 17. Jahrhundert ihre Rentabilität verloren hatten und auch der Transit ob der neuen Handelsrouten über den Atlantik an wirtschaftlicher Bedeutung verlor, war Tirol zu einem armen Landstrich geworden. Die Napoleonischen Kriege hatten über 20 Jahre lang gewütet. Die Universität, die junge Aristokraten in den Wirtschaftskreislauf der Stadt zog, wurde erst 1826 wieder eröffnet. Anders als Industriestandorte in Böhmen, Mähren, Preußen oder England war die schwer erreichbare Stadt in den Alpen erst am Anfang der Entwicklung hin zu einem modernen Arbeitsmarkt. Auch der Tourismus steckte noch in den Kinderschuhen und war keine Cash Cow.

Und dann war da noch ein Vulkan am anderen Ende der Welt, der die Geschicke der Stadt Innsbruck über Gebühr beeinflusste. 1815 war in Indonesien der Tambora ausgebrochen und hatte eine riesige Staub-, Schwefel- und Aschewolke um die Welt geschickt. 1816 ging als Jahr ohne Sommer in die Geschichte ein. In ganz Europa kam es zu Wetterkapriolen, Überschwemmungen und Missernten. Die wirtschaftlichen Verwerfungen und Preissteigerungen führten zu Not und Elend vor allem in den ärmeren Teilen der Bevölkerung.

Nicht nur die Politik wurde von der Aufklärung erfasst. Auch im Sozialwesen ging der Trend weg von der Kirche, hin zum Staat. Die Armenfürsorge war im 19. Jahrhundert eine Aufgabe der Gemeinden, für gewöhnlich mit der Unterstützung wohlhabender Bürger, die als christliche Mäzen im Gedanken der Nächstenliebe Aristokratie und Kirche in dieser Rolle ergänzten. In Innsbruck trat eine Bettelordnung in Kraft, die besitzlosen Menschen ein Eheverbot auferlegte. Knapp 1000 Bürger waren als Almosenbezieher und Bettler klassifiziert. Als die Not immer größer wurde und die Stadtkassen leerer, kam es in Innsbruck zu einer Innovation, die für über 100 Jahre Bestand haben sollte: Die Neujahrs-Entschuldigungskarte.

Auch damals war es Brauch, am ersten Tag des Jahres seine Verwandten zu besuchen, um sich gegenseitig ein Gutes Neues Jahr zu wünschen. Ebenfalls war es Brauch, dass notleidende Familien und Bettler an die Türen der wohlhabenden Bürger klopften, um zu Neujahr um Almosen zu bitten. Mit der Einführung der Neujahrs-Entschuldigungskarte schlug man gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Die Käufer der Karte konnten institutionalisiert und in geregelten Bahnen ihre ärmeren Mitglieder, ähnlich wie es heutzutage mit dem Kauf der Straßenzeitung Zwanziger möglich ist, unterstützen. Gleichzeitig diente die Neujahrs-Entschuldigungskarte dazu, sich durch ihren Versand vor den wenig geliebten Pflichtbesuchen bei der Verwandtschaft zu drücken. Wer die Karte an seine Haustüre hängte, signalisierte den Bedürftigen auch, dass weiteres Fragen um Almosen nicht von Nöten sei, da man seinen Beitrag bereits abgedungen hatte. Zu guter Letzt wurden die edlen Spender auch noch in den Medien wohlwollend erwähnt, damit jeder sehen konnte, wie sehr sie sich im Namen der Nächstenliebe um ihre weniger begüterten Mitmenschen kümmern.

Die Neujahrs-Entschuldigungskarten waren ein voller Erfolg. Bei ihrer Premiere zum Jahreswechsel von 1819 auf 1820 wurden bereits 600 Stück verkauft. Viele Gemeinden übernahmen das Innsbrucker Rezept. In der Zeitschrift „Der Kaiserlich-königlich priviligierte Bothe von und für Tirol und Vorarlberg“ wurden am 12. Februar die Erlöse für Bruneck, Bozen, Trient, Rovereto, Schwaz, Imst, Bregenz und Innsbruck veröffentlicht. Auch sonstige Institutionen wie Feuerwehren und Vereine übernahmen die gut funktionierende Sitte, um Spenden für ihr Anliegen zu schaffen. Die mannigfaltige Gestaltung reichte von christlichen Motiven über Portraits bekannter Persönlichkeiten, Amtsgebäude, Neubauten, Sehenswürdigkeiten und Kuriositäten. Im Stadtarchiv Innsbruck können viele der Designs noch ausgehoben werden.

Maria Theresia, Reformatorin und Landesmutter

Maria Theresia zählt zu den bedeutendsten Figuren der österreichischen Geschichte. Obwohl sie oft als Kaiserin tituliert wird, war sie offiziell "nur" unter anderem Erzherzogin von Österreich, Königin von Ungarn und Königin von Böhmen. Bedeutend waren ihre innenpolitischen Reformen. Gemeinsam mit ihren Beratern Friedrich Wilhelm von Haugwitz, Joseph von Sonnenfels und Wenzel Anton Kaunitz schaffte sie es aus den sogenannten Österreichischen Erblanden einen modernen Staat zu basteln. Anstatt der Verwaltung ihrer Territorien durch den ansässigen Adel setzte sie auf eine moderne Verwaltung. Das Wohl der Untertanen wurde wichtiger. Ihre Berater hatten ganz im Stil der Aufklärung erkannt, dass sich das Staatswohl aus der Gesundheit und Bildungsgrad seiner Einzelteile ergab. Untertanen sollten katholisch sein, ihre Treue aber sollte dem Staat gelten. Schulbildung wurde unter zentrale staatliche Verwaltung gestellt. Es sollten keine kritischen, humanistischen Geistesgrößen, sondern Material für den staatlichen Verwaltungsapparat erzogen werden. Über Militär und Verwaltung konnten nun auch Nichtadlige in höhere staatliche Positionen aufsteigen.

In Strafverfolgung und Justiz fand ein Umdenken statt. 1747 wurde in Innsbruck eine kleine Polizei eingesetzt, die sich um Angelegenheiten der Marktaufsicht, Gewerbeordnung, Fremdenkontrolle und öffentliche Sittsamkeit kümmerte. Das Strafgesetzbuch Constitutio Criminalis Theresiana schaffte die Folter zwar nicht ab, reglementierte aber deren Anwendung.

Wirtschaftsreformen sollten nicht nur mehr Möglichkeiten für die Untertanen schaffen, sondern auch die Staatseinnahmen erhöhen. Gewichte und Maßeinheiten wurden nominiert, um das Steuersystem undurchlässiger zu machen. Für Bürger und Bauern hatte die Vereinheitlichung der Gesetze den Vorteil, dass das Leben weniger von Grundherren und deren Launen abhing. Auch der Robot, den Bauern auf den Gütern des Grundherrn kostenfrei zu leisten hatten, wurde unter Maria Theresia abgeschafft.

So sehr sich Maria Theresia auch als fromme Landesmutter inszenierte und heute als Aufklärerin bekannt ist, die streng katholische Regentin war nicht zimperlich in Fragen von Macht und Religion. Im Trend der Zeit der Aufklärung ließ sie Aberglauben wie den Vampirismus, der in den östlichen Teilen ihres Reiches weit verbreitet war, kritisch untersuchen und leitete das endgültige Ende der Hexenprozesse ein. Gleichzeitig aber wurden Protestanten von ihr gnadenlos des Landes verwiesen. Viele Tiroler mussten ihr Heimatgebiet verlassen und sich in weiter vom Zentrum entfernten Teilen des Habsburgerreiches niederlassen.

In Kronländern wie Tirol stießen die Reformen Maria Theresias auf wenig Gegenliebe. Mit Ausnahme von ein paar Liberalen sah man sich mehr als eigenständiges und autonomes Land und weniger als Teil eines modernen Territorialstaates. Auch dem Klerus gefiel die neue, untergeordnete Rolle, die sich unter Josef II. nochmals verschärfte, nicht. Für den lokalen Adel bedeuteten die Reformen nicht nur den Verlust von Bedeutung und Autonomie, sondern auch höhere Steuern und Abgaben. Steuern, Abgaben und Zölle, die der Stadt Innsbruck stets verlässliche Einnahmen gebracht hatten, wurden nun zentral eingehoben und über einen Finanzausgleich nur zum Teil rückgeführt. Um die Fallhöhe für Söhne aus verarmten Adelsfamilien abzuschwächen und sie für den Staatsdienst auszubilden, gründete Maria Theresie das Theresianum, das ab 1775 auch in Innsbruck eine Niederlassung hatte.

Wie so oft bügelte die Zeit manche Falte aus und Innsbrucker sind mittlerweile stolz darauf, eine der bedeutendsten Herrscherpersönlichkeiten der österreichischen Geschichte beherbergt zu haben. Heute erinnern vor allem die Triumphpfote und die Hofburg in Innsbruck an die Theresianische Zeit.

1796 - 1866: Vom Herzen Jesu bis Königgrätz

Die Zeit zwischen der Französischen Revolution und der Schlacht bei Königgrätz 1866 war eine kriegerische Periode. Die Monarchien Europas angeführt von den Habsburgern hatten der Französischen Republik den Krieg erklärt. Die Angst ging um, dass sich der Wahlspruch der Revolution „Liberté, Égalité, Fraternité“ in Europa ausbreiten könnte. Ein junger General namens Napoleon Bonaparte war mit seiner italienischen Armee im Rahmen der Koalitionskriege über die Alpen vorgerückt und traf dort auf die österreichischen Truppen. Es war nicht nur ein Krieg um Territorium und Macht, es war ein Kampf der Systeme. Die Grande Armee der revolutionären Republik Frankreich traf auf die erzkatholischen Habsburger.

Tiroler Schützen waren am Kampfgeschehen beteiligt, um die Landesgrenzen gegen die einrückenden Franzosen zu verteidigen. Kompanien wie die 1796 ins Leben gerufenen Höttinger Schützen standen der damals fortschrittlichsten und besten Armee der Welt gegenüber. Der Herz-Jesu-Kult, der in Tirol bis heute große Popularität genießt, reicht bis in diese Zeit zurück. In aussichtsloser Situation erneuerten die Tiroler Truppen ihren Bund mit dem Herzen Jesu, um Schutz zu erbitten. Der Abt des Klosters Stams war es, der bei den Landständen beantragte, von nun an alljährlich "das Fest des göttlichen Herzens Jesu mit feierlichem Gottesdienst zu begehen, wenn Tirol von der drohenden Feindesgefahr befreit werde." Alljährlich wurden die Herz-Jesu-Feiern mit großem Pomp in der Presse besprochen und angekündigt. Sie waren vor allem im 19. und im frühen 20. Jahrhundert ein explosives Gemisch aus Volksaberglauben, Katholizismus und nationalen Ressentiments gegen alles Französische und Italienische. Neben der Gnadenmutter Cranachs ist die Darstellung des Herzen Jesu wohl bis heute das beliebteste christliche Motiv im Tiroler Raum und prangt auf der Fassade unzähliger Häuser.

In den Kriegsjahren 1848, 1859 und 1866 kam es zu den sogenannten Italienischen Einigungskriegen. Im Lauf des 19. Jahrhunderts, spätestens seit 1848, war es unter jungen Männern zu einem regelrechten nationalen Rausch gekommen. Freiwilligenheere schossen in allen Regionen Europas aus dem Boden. Studenten und Akademiker, die sich in ihren Verbindungen zusammentaten, Turner, Schützen, alle wollten ihre neue Liebe zur Nation auf dem Schlachtfeld unter Beweis stellen und unterstützten die offiziellen Armeen. Die wohl bekannteste Schlacht der Einigungskriege fand in Solferino 1859 in der Nähe des Gardasees statt. Entsetzt vom blutigen Geschehen entschloss sich Henry Durant das Rote Kreuz zu gründen. Der Schriftsteller Joseph Roth beschrieb das Geschehen auf den ersten Seiten seines lesenswerten Klassikers Radetzkymarsch.

„In der Schlacht bei Solferino befehligte er (Anm.: Leutnant Trotta) als Leutnant der Infanterie einen Zug. Seit einer halben Stunde war das Gefecht im Gange. Drei Schritte vor sich sah er die weißen Rücken seiner Soldaten. Die erste Reihe seines Zuges kniete, die zweite stand. Heiter waren alle und sicher des Sieges. Sie hatten ausgiebig gegessen und Branntwein getrunken, auf Kosten und zu Ehren des Kaisers, der seit gestern im Felde war. Hier und dort fiel einer aus der Reihe.“

Innsbruck war als Garnisonsstadt ein wichtiger Versorgungsposten. Nach dem Wiener Kongress war aus dem Tiroler Jägerkorps das k.k. Tiroler Kaiserjägerregiment geworden, eine Eliteeinheit, die in diesen Auseinandersetzungen zum Einsatz kam. Auch freiwillige Einheiten wie die Innsbrucker Akademiker oder die Stubaier Schützen kämpften in Italien. Medien heizten die Stimmung abseits der Frontlinie auf. Die "Innsbrucker Zeitung" predigte in ihren Artikeln Kaisertreue und großdeutsch-tirolischen Nationalismus, wetterte gegen das Italienertum und Franzosen und pries den Mut Tiroler Soldaten.

"Die starke Besetzung der Höhen am Ausgange des Valsugana bei Primolano und le Tezze gab schon oft den Innsbrucker-Akademikern I. und den Stubaiern Anlaß, freiwillige Ercur:sionen gegen le Tezze, Fonzago und Fastro, als auch auf das rechte Brenta-Ufer und den Höhen gegen die kleinen Lager von den Sette comuni zu machen...Am 19. schon haben die Stubaier einige Feinde niedergestreckt, als sie sich das erste mal hinunterwagten, indem sie sich ihnen entgegenschlichen..."

Besonders verlustreich für das Kaiserreich Österreich war das Jahr 1866. In Italien gingen Venetien und die Lombardei verloren. Gleichzeitig übernahm Preußen die Führung im Deutschen Bund, der Nachfolgeorganisation des Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Für Innsbruck bedeutete das Ausscheiden der Habsburgermonarchie aus dem Deutschen Bund, dass man endgültig zu einer Stadt an der westlichen Peripherie des Reiches geworden war. Der Hang zur sogenannten Großdeutschen Lösung, also einer Staatlichkeit mit dem Deutschen Reich gemeinsam anstatt dem alleinstehenden Kaisertum Österreich, war in Innsbruck stärker ausgeprägt als im restlichen Land. Wie sehr diese Deutsche Frage die Stadt spaltete, zeigte sich noch über 30 Jahre später, als der Innsbrucker Gemeinderat dem Eisernen Kanzler Bismarck, der für den Bruderkrieg zwischen Österreich und Deutschland federführend verantwortlich war, eine Straße widmen wollte. Während sich kaisertreue Konservative entsetzt ob dieses Vorschlages zeigten, waren die großdeutschen Liberalen rund um Bürgermeister Wilhelm Greil begeistert ob dieser Geste der Vereinigung.

Die nationalen Bestrebungen der einzelnen Volksgruppen machten aber nicht nur ideell vor Tirol nicht halt, gehörte mit dem Trentino zwischen Salurn und Riva am Gardasee doch auch ein italienischsprachiger Teil zum Land. Im Tiroler Landtag forderten italienischsprachige Abgeordnete, sogenannte Irredentisten, mehr Rechte und Autonomie für das damalige Südtirol. In Innsbruck kam es zwischen italienischen und deutschsprachigen Studenten immer wieder zu Spannungen und Auseinandersetzungen. Die Wallschen, dieser Begriff für Italiener hält sich bis heute recht hartnäckig, galten als ehrlos, unzuverlässig und faul.

Mit dem Tummelplatz, dem Militärfriedhof Pradl und dem Kaiserjägermuseum am Berg Isel besitzt Innsbruck mehrere Erinnerungsorte an diese für die Habsburger verlustreiche Zeit.

Der Erste Weltkrieg und die italienische Besatzung

Auch in Innsbruck war die Begeisterung für den Krieg 1914 groß gewesen. Vom „Gott, Kaiser und Vaterland“ der Zeit angetrieben, begrüßten Bauernsöhne und Studenten den Krieg zum allergrößten Teil einhellig. Klerus und Presse stimmten in den allgemeinen Jubel mit ein und heizten die Sache weiter an. Besonders „verdient“ machten sich dabei Theologen wie Joseph Seeber (1856 – 1919) und Anton Müllner alias Bruder Willram (1870 – 1919) die mit ihren Predigten und Schriften wie „Das blutige Jahr“ den Krieg zu einem Kreuzzug gegen Frankreich und Italien erhoben.

Viele Innsbrucker meldeten sich freiwillig für den Feldzug gegen Serbien, von dem man dachte, er wäre eine Angelegenheit weniger Wochen oder Monate. Von außerhalb der Stadt kam eine so große Anzahl an Freiwilligen zu den Stellungskommissionen, dass Innsbruck beinahe aus allen Nähten platzte. Wie anders es kommen sollte, konnte keiner ahnen. Schon nach den ersten Schlachten im fernen Galizien war klar, dass es keine Sache von Monaten werden würde.

1915 trat das Königreich Italien an der Seite Frankreichs und Englands in den Krieg ein. Damit ging die Front quer durch das damalige Tirol. Vom Ortler im Westen über den nördlichen Gardasee bis zu den Sextener Dolomiten fanden die Gefechte des Gebirgskriegs statt. Innsbruck war nicht direkt von den Kampfhandlungen betroffen. Zumindest hören konnte man das Kriegsgeschehen aber bis in die Landeshauptstadt, wie in der Zeitung vom 7. Juli 1915 zu lesen war:

„Bald nach Beginn der Feindseligkeiten der Italiener konnte man in der Gegend der Serlesspitze deutlich Kanonendonner wahrnehmen, der von einem der Kampfplätze im Süden Tirols kam, wahrscheinlich von der Vielgereuter Hochebene. In den letzten Tagen ist nun in Innsbruck selbst und im Nordosten der Stadt unzweifelhaft der Schall von Geschützdonner festgestellt worden, einzelne starke Schläge, die dumpf, nicht rollend und tönend über den Brenner herüberklangen. Eine Täuschung ist ausgeschlossen. In Innsbruck selbst ist der Donner der Kanonen schwerer festzustellen, weil hier der Lärm zu groß ist, es wurde aber doch einmal abends ungefähr um 9 Uhr, als einigermaßen Ruhe herrschte, dieser unzweifelhafte von unseren Mörsern herrührender Donner gehört.“

Bis zur Verlegung regulärer Truppen von der Ostfront an die Tiroler Landesgrenzen hing die Landesverteidigung an den Standschützen, einer Truppe, die aus Männern unter 21, über 42 oder mit Untauglichkeit für den regulären Militärdienst bestand.

Die Front war relativ weit von Innsbruck entfernt, der Krieg drang aber ins zivile Leben ein. Diese Erfahrung der totalen Einbeziehung der gesamten Gesellschaft war für die Menschen neu. In der Höttinger Au wurden Baracken zur Unterbringung von Kriegsgefangenen errichtet. Verwundetentransporte brachten eine so große Zahl grauenhaft Verletzter, dass viele eigentlich zivile Gebäude wie die sich gerade im Bau befindliche Universitätsbibliothek oder Schloss Ambras in Militärspitäler umfunktioniert wurden. Um der großen Zahl an Gefallenen Herr zu werden, wurde der Militärfriedhof Pradl angelegt. Ein Vorgänger der Straßenbahnlinie 3 wurde eingerichtet, um die Verwundeten vom Bahnhof ins neue Garnisonsspital, die heutige Conradkaserne in Pradl, bringen zu können. Die Bevölkerung in Innsbruck litt unter Mangel, vor allem im letzten Winter, der als Hungerwinter in die europäische Geschichte einging. Die Versorgung erfolgte in den letzten Kriegsjahren über Bezugsscheine. 500 g Fleisch, 60 g Butter und 2 kg Kartoffel waren die Basiskost pro Person – pro Woche, wohlgemerkt. Auf Archivbildern kann man die langen Schlangen verzweifelter und hungriger Menschen vor den Lebensmittelläden sehen.

Im Oktober 1918 kam es zum ersten Mal zu einem Fliegeralarm, Schaden entstand keiner. Zu dieser Zeit war den meisten Menschen schon klar, dass der Krieg verloren war, und welches Schicksal Tirol erwarten würde, wie dieser Artikel vom 6. Oktober 1918 zeigt:

 „Aeußere und innere Feinde würfeln heute um das Land Andreas Hofers. Der letzte Wurf ist noch grausamer; schändlicher ist noch nie ein freies Land geschachert worden. Das Blut unserer Väter, Söhne und Brüder ist umsonst geflossen, wenn dieser schändliche Plan Wirklichkeit werden soll. Der letzte Wurf ist noch nicht getan. Darum auf Tiroler, zum Tiroler Volkstag in Brixen am 13. Oktober 1918 (nächsten Sonntag). Deutscher Boden muß deutsch bleiben, Tiroler Boden muß tirolisch bleiben. Tiroler entscheidet selbst über Eure Zukunft!

Am 4. November vereinbarten Österreich-Ungarn und das Königreich Italien schließlich einen Waffenstillstand. Damit verbunden war das Recht der Alliierten Gebiete der Monarchie zu besetzen. Bereits am nächsten Tag rückten bayerische Truppen in Innsbruck ein. Der österreichische Verbündete Deutschland befand sich noch im Krieg mit Italien und hatte Angst, die Front könnte nach Nordtirol näher an das Deutsche Reich verlegt werden. Zum großen Glück für Innsbruck und die Umgebung kapitulierte aber auch Deutschland eine Woche später am 11. November. So blieben die großen Kampfhandlungen zwischen regulären Armeen außen vor.

Trotzdem war Innsbruck in Gefahr. Gewaltige Kolonnen an militärischen Kraftfahrzeugen, Züge voller Soldaten und tausende ausgezehrte Soldaten, die sich zu Fuß auf den Heimweg von der Front machten, passierten die Stadt. Die Stadt musste nicht nur die eigenen Bürger in Zaum halten, die Verpflegung garantieren, sondern sich auch vor Plünderungen schützen. Um die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, bildeten sich Wehrgruppen aus Schülern, Studenten, Arbeitern und Bürgern. Am 23. November 1918 besetzten italienische Truppen die Stadt und das Umland. Der beschwichtigende Aufruf an die Innsbrucker von Bürgermeister Greil, die Stadt ohne Aufruhr zu übergeben, hatte Erfolg. Es kam zwar zu vereinzelten Ausschreitungen, Hungerkrawallen und Plünderungen, bewaffnete Auseinandersetzungen mit den Besatzungstruppen oder gar eine bolschewistische Revolution wie in München gab es aber nicht.

Erinnerungsorte an den Ersten Weltkrieg finden sich in Innsbruck vor allem an Kirchen, die der gefallenen Gemeindemitglieder gedenken, und Friedhöfen. Das Kaiserjägermuseum am Berg Isel zeigt Uniformen, Waffen und Bilder des Schlachtgeschehens. Den beiden Theologen Anton Müllner und Josef Seeber sind in Innsbruck Straßennamen gewidmet.

Big City Life im frühen Innsbruck

Innsbruck hatte sich von einem römischen Castell nach Hunderten von Jahren zu einer Stadt entwickelt. Mit dieser rechtlichen Anerkennung durch den Landesfürsten gingen Rechte und Pflichten einher: Marktrecht, Baurecht, Zollrecht und eine eigene Gerichtsbarkeit gingen auf die Stadt über. Die Einhaltung der religiösen Ordnung wurde ebenfalls von der Stadt überwacht. „Ketzer“ und Querdenker wurden nicht von der Kirche, sondern der Stadtregierung gemaßregelt und im Fall der Fälle auch in den Kerker verfrachtet. Die Stadtbürger unterlagen nicht mehr direkt dem Landesfürsten oder einem Grundherren, sondern der städtischen Gerichtsbarkeit, zumindest innerhalb der Stadtmauern. Das geflügelte Wort "Stadtluft macht frei" rührt daher, dass man nach einem Jahr in der Stadt von allen Verbindlichkeiten seines ehemaligen Grundherrn frei war und frei über seinen Besitz und die Lebensführung verfügen konnte.

Die Bürger mussten im Gegenzug den Bürgereid leisten. Dieser Bürgereid beinhaltete die Abgabe von Steuern und die militärische Verteidigung der Stadt. Ab 1511 war der Stadtrat laut dem Landlibell Kaiser Maximilians auch verpflichtet ein Kontingent an Wehrpflichtigen für die Landesverteidigung zu stellen. Darüber hinaus gab es Freiwillige, die sich im Freifähnlein der Stadt zum Kriegsdienst melden konnten, so waren zum Beispiel bei der Türkenbelagerung Wiens 1529 auch Innsbrucker unter den Stadtverteidigern.

Innsbruck hatte eine gänzlich andere soziale Zusammensetzung als die umliegenden Dörfer. Handwerker, Händler, Beamte und Dienstboten des Hofstaats bestimmten den Alltag. Handwerker zählten, anders als Bauern, zu den mobilen Schichten im Mittelalter und der frühen Neuzeit. Sie gingen nach der Lehrzeit auf die Walz, bevor sie sich der Meisterprüfung unterzogen und entweder nach Hause zurückkehrten oder sich in einer anderen Stadt niederließen. Über Handwerker erfolgte nicht nur Wissenstransfer, auch kulturelle, soziale und politische Ideen verbreiteten sich in Europa durch sie. Die Handwerkszünfte übten teilweise eine eigene Gerichtsbarkeit neben der städtischen Gerichtsbarkeit unter ihren Mitgliedern aus. Es waren soziale Strukturen innerhalb der Stadtstruktur, die großen Einfluss auf die Politik hatten. Löhne, Preise und das soziale Leben wurden von den Zünften unter Aufsicht des Landesfürsten geregelt. Man könnte von einer frühen Sozialpartnerschaft sprechen, sorgten die Zünfte doch auch für die soziale Sicherheit ihrer Mitglieder bei Krankheit oder Berufsunfähigkeit. Die einzelnen Gewerbe wie Schlosser, Gerber, Plattner, Tischler, Bäcker, Metzger oder Schmiede hatten jeweils ihre Zunft, der ein Meister vorstand.

Im 15. Jahrhundert wurde der Platz eng im rasch wachsenden Innsbruck. Nur nur noch freien Untertanen aus ehelicher Geburt war es möglich, das Stadtrecht zu erlangen. Um Bürger zu werden, mussten entweder Hausbesitz oder Fähigkeiten in einem Handwerk nachgewiesen werden, an der die Zünfte der Stadt interessiert waren. Der Streit darum, wer ein „echter“ Innsbrucker ist, und wer nicht, hält sich bis heute. Dass Migration und Austausch mit anderen immer schon die Garantie für Wohlstand waren und Innsbruck zu der lebenswerten Stadt gemacht haben, die sie heute ist, wird dabei oft vergessen.

Ab dem 14. Jahrhundert besaß Innsbruck nachweisbar einen Stadtrat, den sogenannten Gemain, und einen Bürgermeister, der von der Bürgerschaft jährlich gewählt wurde. Es waren keine geheimen, sondern öffentliche Wahlen, die alljährlich rund um die Weihnachtszeit abgehalten wurden. Im Innsbrucker Geschichtsalmanach von 1948 findet man Aufzeichnungen über die Wahl des Jahres 1598.

Der Erhardstag, d.i. der 8. Jänner, spielte alljährlich im Leben der Innsbrucker Bürger eine große Rolle. An diesem Tage versammelten sie sich zur Wahl der Stadtobrigkeit, nämlich des Bürgermeisters, Stadtrichters, Gemeinredners und des zwölfgliedrigen Rates…. Ein genaues Bild über den Ablauf dieser Wahlen in den Jahren 1598 bis 1607 vermittelt ein im Stadtarchiv verwahrtes Protocoll: „… Das Läuten der großen Glocke rief Rat und Bürgerschaft auf das Rathaus und dann als ein ehrsamer Rat und ganze Gmein aufm Rathaus versammelt gwest, ist anfangs ein ehrsamer Rat in der Ratstuben zusammen gesessen und des nächsten Jahr her gwesten Bürgermeisters, Augustin Tauschers, Urlaub angehört.“

Der Bürgermeister vertrat die Stadt gegenüber den anderen Ständen und dem Landesfürsten, der die Oberherrschaft über die Stadt je nach Epoche mal mehr, mal weniger intensiv ausübte. Jeder Stadtrat hatte eigene, klar zugeteilte Aufgaben zu erfüllen wie die Überwachung des Marktrechts, die Betreuung des Spitals und der Armenfürsorge oder die für Innsbruck besonders wichtige Zollordnung. Bei all diesen politischen Vorgängen sollte man sich stets in Erinnerung rufen, dass Innsbruck im 16. Jahrhundert etwa 5000 Einwohner hatte, von denen nur ein kleiner Teil das Bürgerrecht besaß. Besitzlose, fahrendes Volk, Erwerbslose, Dienstboten, Diplomaten, Angestellte, Frauen und Studenten waren keine wahlberechtigten Bürger. Zu wählen war ein Privileg der männlichen Oberschicht.

Ab dem 14. Jahrhundert mussten die Steuern, die von den Bürgern gezahlt wurden, nicht mehr an den Landesfürsten weitergegeben werden. Es gab eine fixe Abgabe von der Stadt an den Landesfürsten. Welche Gruppe innerhalb der Stadt welche Steuer zu bezahlen hatte, konnte die Stadtregierung selbst festlegen. Die Differenz zwischen den Einnahmen und den Ausgaben durfte die Stadt nach ihrem Gutdünken verwalten. Zu den Ausgaben neben der Verteidigung gehörte die Kranken- und Armenfürsorge. Notleidende Bürger konnten in der „Siedeküche“ Speisen beziehen, so sie das Bürgerrecht hatten. Besondere Beachtung schenkte die Stadtregierung ansteckenden Krankheiten wie der Pest.

Neben den Steuern war der Zoll eine wichtige Einnahmequelle Innsbrucks. Der Zoll wurde am Stadttor an der Innbrücke erhoben. Es gab zwei Arten von Zöllen. Der kleine Zoll richtete sich nach den Zugtieren des Wagens, der große nach Art und Menge der Waren. Die Zolleinnahmen wurden zwischen Innsbruck und Hall geteilt. Hall hatte dafür die Aufgabe, die Innbrücke in Stand zu halten.

Entgegen landläufiger Meinung war das Mittelalter keine rechtfreie Zeit der Willkür. In Innsbruck, wie auch im Land Tirol, gab es einen Kodex, der Recht und Unrecht sowie Rechte und Pflichten von Bürgern sehr genau regelte. Bezieht man die Regeln für Handel, Zölle, Ausübung des Berufes durch Gilden, Preisfestsetzung durch den Magistrat und Strafrecht mit ein, war das vor- und frühmoderne Zusammenleben sogar wesentlich stärker reguliert als heute. Diese Bestimmungen änderten sich nach den Sitten der Zeit. Die mittelalterlichen Gerichtstage wurden an der „Dingstätte“ im Freien abgehalten. Die Tradition des Ding geht zurück auf den altgermanischen Thing, bei dem sich alle freien Männer versammelten, um Recht zu sprechen. Der Stadtrat bestellte einen Richter, der für alle Vergehen zuständig war, die nicht dem Blutgericht unterlagen. Ihm zur Seite stand ein Kollegium aus mehreren Geschworenen. Strafen reichten von Geldbußen über Pranger und Kerker.

Der Strafvollzug beinhaltete auch weniger humane Methoden als heutzutage üblich, es wurde aber nicht wahllos und willkürlich gefoltert. Folter als Teil des Verfahrens in besonders schweren Fällen war aber ebenfalls geregelt. Verdächtige und Verbrecher wurden im Innsbruck bis zum 17. Jahrhundert im Kräuterturm an der südöstlichen Ecke der Stadtmauer, am heutigen Herzog-Otto-Ufer, festgehalten und traktiert. Sowohl Verhandlung wie auch Strafverbüßung waren öffentliche Prozesse. Dem Stadtturm stand das Narrenhäusel, ein Käfig, in den Menschen eingesperrt und zur Schau gestellt wurden. Auf dem hölzernen Schandesel wurde man bei kleineren Vergehen durch die Stadt gezogen. Der Pranger stand in der Vorstadt, der heutigen Maria-Theresien-Straße. Eine Polizei gab es nicht, der Stadtrichter beschäftigte aber Knechte und an den Stadttoren waren Stadtwächter aufgestellt, um für Ruhe zu sorgen. Es war Bürgerpflicht, bei der Erfassung von Verbrechern mitzuhelfen. Selbstjustiz war verboten.

Die Zuständigkeiten zwischen städtischer und landherrschaftlicher Justiz war seit 1288 im Urbarbuch geregelt. Über schwere Vergehen hatte weiterhin das Landesgericht zu bestimmen. Diesem Blutrecht unterlagen Verbrechen wie Diebstahl, Mord oder Brandstiftung. Das Landesgericht für alle Gemeinden südlich des Inns zwischen Ampass und Götzens war auf der Sonnenburg, die sich südlich oberhalb Innsbrucks befand. Im 14. Jahrhundert siedelte das Landgericht Sonnenburg an den Oberen Stadtplatz vor dem Innsbrucker Stadtturm, später ins Rathaus und in der frühen Neuzeit nach Götzens. Mit der Zentralisierung des Rechtes im 18. Jahrhundert kam das Gericht Sonnenburg zurück nach Innsbruck und fand unter wechselnden Bezeichnungen sowie in wechselnden Gebäuden wie dem Leuthaus in Wilten, am Innrain oder am Ansitz Ettnau, bekannt als Malfatti-Schlössl, in der Höttinger Gasse Unterschlupf.

Der Scharfrichter Innsbrucks war ab dem späten 15. Jahrhundert zentralisiert für mehrere Gerichte zuständig und in Hall ansässig. Die Richtstätten befanden sich durch die Jahre an mehreren Orten. Auf einem Hügel im heutigen Stadtteil Dreiheiligen befand sich lange direkt an der Landesstraße ein Galgen. Der Köpflplatz befand sich bis 1731 der heutigen Ecke Fallbachgasse / Weiherburggasse in Anpruggen. Es war nicht unüblich, dass der Verurteilte seinem Henker eine Art Trinkgeld zusteckte, damit sich dieser bemühte, möglichst genau zu zielen, um so die Hinrichtung so schmerzlos wie möglich zu gestalten. Für die Obrigkeit und öffentliche Ordnung besonders schädliche Delinquenten wie der „Ketzer“ Jakob Hutter oder die gefassten Anführer der Bauernaufstände von 1525 und 1526 wurden vor dem Goldenen Dachl publikumstauglich hingerichtet. „Peinliche“ Strafen wie Vierteilen oder Rädern, vom lateinischen Wort poena abgeleitet, waren nicht an der Tagesordnung, konnten in speziellen Fällen aber angeordnet werden. Hinrichtungen waren eine Machtdemonstration der Obrigkeit und öffentlich. Sie galt als eine Art der Reinigung der Gesellschaft von Verbrechern. Die Leichen der Hingerichteten wurden oft zur Abschreckung hängengelassen und außerhalb des geweihten Bereichs der Friedhöfe begraben.

Mit der Zentralisierung des Rechts unter Maria Theresia und Josef II im 18. und dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch im 19. Jahrhundert unter Franz I. ging das Recht von Städten und Landesfürsten an den Monarchen und deren Verwaltungsorgane auf verschiedenen Ebenen über. Die Folter wurde abgeschafft. Die Aufklärung hatte die Vorstellung von Recht, Strafe und Resozialisierung grundlegend verändert. Auch die Einhebung von Steuern wurde zentralisiert, was einen großen Bedeutungsverlust des lokalen Adels und eine Aufwertung der Beamtenschaft zur Folge hatte. Mit der zunehmenden Zentralisierung unter Maria Theresia und Josef II. wurden auch Steuern und Zölle nach und nach zentralisiert und von der Reichshofkammer eingehoben. Innsbruck verlor dadurch, wie viele Kommunen in dieser Zeit, Einnahmen in großer Höhe, die nur bedingt über Ausgleiche aufgefangen wurden.