Von Maultasch, Habsburgern und dem Schwarzen Tod
Von Maultasch, Habsburgern und dem Schwarzen Tod
Innsbruck wird heute von Gebäuden und Denkmälern gesäumt, die an die Familie Habsburg erinnern. Seit 1363 war Innsbruck ein Teil des Hauses Habsburg. Zwischen dem letzten Grafen von Andechs und dem ersten Tiroler Landesfürsten aus dem Haus Habsburg lagen 115 bewegte Jahre. Nach dem Aussterben der Grafen von Andechs lenkte die Grafen von Tirol für etwa 100 Jahre die Geschicke des Landes und somit zu einem guten Teil auch der Stadt Innsbruck. Meinhard II. von Tirol (1239 – 1295) war mit Elisabeth von Bayern, einer Kaiserwitwe, verheiratet. Durch diesen Bonus wurde er in den Rang eines gefürsteten Grafen gehoben. Mit geschickter Politik und etwas Glück, er war ein Anhänger des ersten deutschen Königs aus dem Hause Habsburg, Rudolf I., konnte er sein Territorium vergrößern und die Grafschaft Görz und das Herzogtum Kärnten als Lehen dazugewinnen. Meinhard schaffte es den Flickenteppich am Gebiet des heutigen Tirols von seiner Stammburg in Meran aus zu einem einheitlicheren Ganzen zu einen. Sein Nachfolger Herzog Heinrich von Kärnten (1265 – 1335) zählte zu den wichtigsten Aristokraten im Heiligen Römischen Reich. Neben Tirol und dem heutigen Kärnten reichte seine Herrschaft bis nach Slowenien. Außerdem war er formal König von Böhmen. Er liegt wie Meinhard II. in der Stiftskirche Stams in Tirol begraben. Ein männlicher Nachfolger allerdings war ihm nicht beschieden gewesen. Noch vor seinem Tod hatte Heinrich aber sichergestellt, dass seine Tochter seine Nachfolge antreten konnte. Seine Tochter Margarethe „Maultasch“ von Tirol-Görz (1318 – 1369) war in zweiter Ehe mit Ludwig von Brandenburg, einem Wittelsbacher verheiratet. Die Wittelsbacher waren damals die großen Widersacher der Habsburger innerhalb des Heiligen Römischen Reichs. Das Problem an der Verbindung zwischen den Tirolern und den Wittelsbachern war, dass Margarethe von ihrem ersten Ehemann Johann-Heinrich von Luxemburg noch gar nicht geschieden war. Dieser ungeliebte böhmische Adlige war von der Tiroler Bevölkerung 1341 aus dem Land gescheucht worden, zu einer Scheidung kam es aber nicht. Um die Tiroler Bevölkerung auf ihre Seite zu bringen, beschlossen die bayrischen Landesherren den Tirolern im „Großen Freiheitsbrief“ im Jahr darauf gewisse Sonderrechte einzuräumen. Der Kampf der Luxemburger und der Wittelsbacher um Tirol zog das Land gehörig in Mitleidenschaft. Der Papst hatte zu allem Übel das Land Tirol wegen der „unheiligen“ Ehe seiner Landesfürstin mit einem Bannfluch belegt. Dieses Interdiktum war für die Menschen im Mittelalter eine der härtesten Strafen. Für die Bevölkerung bedeutete es, dass in den Kirchen des Landes das Abhalten von Messen und die Erteilung der Kommunion untersagt waren. Die Regierungszeit Margarethes wurde von mehreren Krisen erschüttert. Das 14. Jahrhundert sah eine Klimaerwärmung Europas, die eine Heuschreckenplage zur Folge hatte. Skeptiker heutzutage ziehen dieses Klimaphänomen gerne dazu heran, den menschgemachten Klimawandel unserer Tage zu relativieren, der Vergleich ist aber natürlich lächerlich. Innsbruck war weder eine gepflasterte Stadt noch gab es das Abwassersystem oder die Trinkwasserversorgung, die sich kurz später etablieren sollte. Tiere und Menschen teilten sich die Stadt brüderlich. Von 1348 bis 1350 wurden auch Innsbruck und Tirol von den Folgen der großen Pest nicht verschont. Der Schwarze Tod dezimierte die Bevölkerung und brachte wie in ganz Europa Not und Elend. Von Venedig aus über Trient und das Etschtal kam die Pest wohl nach Innsbruck. Viele Informationen sind in den Archiven dazu nicht zu finden. Eine Innsbruckerin sprach, an der Pest erkrankt, in ihrem Testament, in dem sie ihren Besitz dem Stift Stams vermachte, vom „gemeinen Sterben, das im Land umgeht“. Die Menschen konnten sich diese Phänomene nicht erklären. Es waren nicht wenige Einwohner, die die Verwüstung des Landes als eine Strafe Gottes ansahen und Margarethe dafür verantwortlich machten, war der päpstliche Bannfluch doch ihretwegen verhängt worden. Es war wohl auch in dieser Zeit, dass der Volksmund Margarethe den Spitznamen Maultasch verpasste. Einen wie lange angenommen deformierten Mund soll sie auf jeden Fall nicht besessen haben.
Wohl auch zu dieser Zeit etablierte sich in Innsbruck das 1350 erstmals erwähnte Untere Stadtbad in der heutigen Badgasse. Bäder dienten nicht nur zur Reinigung, hier erfolgte eine Art medizinischer Grundversorgung nach damaligen Standards beim sogenannten Bader. Bader waren fahrende oder ortsansässige Heilkundige, die Kranke behandelten, Wunden nähten oder Zähne zogen. Obwohl häufig so dargestellt, handelte es sich dabei nicht zwingend um Scharlatane. Übernatürliches galt als real, auch in der medizinischen Versorgung. Formal ausgebildete Ärzte gab es zwar, allerdings nicht besonders viele. Zudem war der wissenschaftliche Ansatz der Universitäten dieser Zeit dem der praxisorientierten Bader nicht unbedingt überlegen. Die Vier-Säfte-Lehre war bis lange in die Neuzeit gängige Lehrmeinung. Im Körper gab es ein Gleichgewicht von Blut, Schleim, schwarzer Galle und gelber Galle. Ein Ungleichgewicht dieser Säfte führt zu Krankheit. Das Gleichgewicht konnte durch Lebensführung, Ernährung, übertriebene sexuelle Aktivität oder Miasmen in der Luft durcheinanderkommen. Wasser zum Beispiel stand im Verruf, über die Haut einzudringen und das Säfteverhältnis im menschlichen Körper durcheinanderzubringen, weshalb man nach dem Baden zur Ader gelassen werden sollte.
Die Habsburger hatten sich derweilen in Person von Rudolf IV. um eine Versöhnung zwischen dem Papst und den Fürsten von Tirol eingesetzt, nicht ganz ohne Eigeninteresse natürlich. Der Sohn Margarethes und Ludwigs, Meinhard III. war mittlerweile mit Margarethe von Österreich, einer Habsburgerin, verheiratet. Der ausgedungene Erbvertrag besagte, dass sollte Margarethe und ihre erbberechtigten Nachkommen sterben, die Grafschaft Tirol an das Haus Habsburg fallen würde. An der Echtheit dieser Urkunde bestehen bis heute Zweifel, trotzdem wurde sie 1363 schlagend. Herzog Ludwig starb 1361, im Jahr 1362 verschied auch sein Sohn Meinhard. Margarethe übergab die Regierungsgeschäfte 1363 mit der Zustimmung des Tiroler Adels an Rudolf IV. von Österreich. Die Herzöge von Bayern wollten das nicht anerkennen. Noch 1363 zogen sie Richtung Innsbruck. Die Bürger Innsbrucks, die zum Wehrdienst verpflichtet waren, konnten die durch die Andechsburg und die Stadtmauer befestigte Stadt erfolgreich verteidigen. Es mag eine Ironie des Schicksals sein, dass es der Wittelsbacher Ludwig war, der die Stadtmauern hatte erhöhen und verstärken lassen. Mit dem Erwerb Tirols konnte die Familie Habsburg eine wichtige geographische Lücke innerhalb ihres Machtbereichs schließen. Durch die Eingliederung der Stadt in das wesentlich größere Territorium der Habsburger gewann Innsbruck zusätzlich an Bedeutung, während die eigentliche Hauptstadt Meran an den Rand gedrängt wurde. Neben dem Nord-Süd Transport von Waren, war die Stadt am Inn nun auch zu West-Ost Verkehrsknoten zwischen den östlichen Österreichischen Ländern und den alten Besitztümern der Habsburger im Westen geworden. Gleichzeitig kam es durch die für die Überlebenden der großen Pestwelle von 1348 zu einem wirtschaftlichen Aufschwung in ganz Europa. Arbeitskraft war durch die geschrumpfte Bevölkerung rar geworden, dafür waren pro Kopf größere Ressourcen vorhanden. In Innsbruck erinnert der Rudolfsbrunnen am Boznerplatz an den Übergang Tirols von der Dynastie Görz – Tirol zum Haus Habsburg.