Wilten & Sieglanger

Wissenswertes zu Wilten & Sieglanger

Wohlwollend archäologischen Funden folgend, könnte man Wilten als Innsbrucks Keimzelle bezeichnen. Zwischen dem Berg Isel und Olympiabrücke wurden bei Ausgrabungen eine Vielzahl an Gräbern, Mauerresten, Münzen, Keramik und Wasserkanälen ausgegraben. Nach der römischen Besiedlung um die Zeitenwende entstand ein Militärstützpunkt auf dem Gebiet des heutigen Wilten. Aus dem Castell Veldidena entwickelte sich der 806 zum ersten Mal aktenkundig gewordene Locus Wiltina, ein Dorf, das auf die ununterbrochene Besiedlung dieses Raumes Aufschluss gibt.

Nach der Auflösung des weströmischen Reiches 476 n.Chr. war Tirol langsam und schleichend unter die Kontrolle des Herzogtums Bayern gekommen. Als die Grafen von Andechs 1180 am südlichen Innufer begannen, den Markt, aus dem Innsbruck entstehen sollte, anzulegen, hatte Wilten bereits an die 1000 Jahre am Buckel. Zu dieser Zeit waren Christentum und das Stift Wilten allerdings bereits etabliert. Die Bayern übernahmen nur allzu gerne diese lokale Administrationsstelle, kirchlich wie auch politisch. Mit viel Voraussicht ließ sich das Stift Wilten im Gegenzug viele Sonderrechte vertraglich verankern.

Die Stadt Innsbruck war in der Folge in vielerlei Hinsicht von der Gemeinde südlich der Stadt abhängig. Das begann mit der Energieversorgung. Die Kleine Sill, ein Kanal, der im Hochmittelalter angelegt worden war, versorgte die Stadt mit Wasser, das für die Handwerksbetriebe der Stadt unerlässlich war. Da der Kanal durch die Ländereien des Stiftes Wilten floss, hatte der Abt bis ins 16. Jahrhundert wie über so vieles andere die Verfügungsgewalt über das Nutzungsrecht. Ein anderes Sonderrecht des Stiftes war das Mühlrecht. Innsbrucker Bauern mit Getreide mussten im Mittelalter zu den Wiltener Mühlen an der Sill pilgern, um ihr Korn zu mahlen. Ging mittelalterlichen Städten das Brot aus, drohten Unruhen und Aufstände. Da Getreide über Jahrhunderte hinweg das zentrale Element des Speiseplans des allergrößten Teils der Gesellschaft war, gab dies den Wiltenern einen gewissen Machtanspruch über Innsbruck. Der Abt hob auch den Zehenten ein, eine Steuer, die der Kirche zustand. Diese finanziellen Fragen sorgten zu ständiger Konkurrenz zwischen Kloster und Stadt, der sich in der Bevölkerung fortsetzte.

Wichtig war Wilten durch die Jahrhunderte auch als kirchliche Instanz. Das Verhältnis zwischen der kirchlichen Macht in Wilten in Person des Abtes und der weltlichen in Innsbruck in Person des Landesfürsten, seit dem 16. Jahrhundert mit Unterstützung der Jesuiten, ähnelte dem andauernden Streit zwischen Papst und Kaiser im Mittelalter. In Angelegenheiten der Seelsorge und des Messdienstes war die Stadt vom Abt abhängig. Die Pfarrkirche St. Jakob war lediglich eine Filiale des Stiftes Wilten. Bis 1560 schafften es das Stift Wilten, weitere Klosteransiedlungen in Innsbruck zu verhindern, um seinen Einflussbereich aufrechtzuerhalten. Erst in der Reformationszeit schaffte es der aus Spanien stammende, sich über viele örtliche Gepflogenheiten hinwegsetzende Landesfürst und spätere Kaiser Ferdinand I. auch in der Stadt ein Kloster anzusiedeln. 1561 kamen die Jesuiten auf sein Drängen an den Hof, kurz darauf folgten die Franziskaner. Die Messen an hohen Feiertagen wie Weihnachten, und Ostern oder Taufen wurden trotzdem in Wilten gefeiert. Gasthäuser nahe dem Stift freuten sich über das regelmäßige Publikum aus der Stadt an diesen Tagen.

Die Eingemeindung Wiltens erfolgte 1904 im Zuge einer Modernisierung der Stadt Innsbruck unter Bürgermeister Wilhelm Greil. Die Einwohnerzahl hatte sich innerhalb weniger Jahrzehnte verdreifacht. Wasser und Strom veränderten Alltag und Lebensstandard der Menschen, musste aber erst finanziert werden. Wilten hatte um 1900 nur eine Schule für über 10.000 Einwohner, während Innsbruck sechs für 25.000 vorweisen konnte. Die Modernisierung der Infrastruktur wäre für die Gemeinde nicht zu bewältigen gewesen. Bereits 1905 fuhr die erste Straßenbahn vom Berg Isel an den Hauptbahnhof.

Auch waren Wilten und Innsbruck durch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer näher zusammengewachsen.  Innsbrucker hatten Unternehmen in Wilten und umgekehrt. Die Triumphpforte am Ende der Leopoldstraße, die bis dahin eine Grenze zwischen Innsbruck und dem eigenständigen Wilten markierte, war zur Absurdität geworden. Lebensmittel wie Bier, Wein, Fleisch und Getreide, die zwischen Innsbruck und Wilten gehandelt wurden, mussten verzollt werden. Die sogenannte Akzise war bei Bürgern auf beiden Seiten verhasst, machte sie das tägliche Leben doch unnötig teuer. Innsbruck und Wilten waren über gemeinsame Geschichte, Infrastrukturprojekte und die nahtlose Bebauung immer mehr zusammengewachsen, der Binnenzoll auf Grundnahrungsmittel wurde mehr und mehr als Schikane empfunden. Das auf Archivbildern gut erkennbare Accis-Häuschen musste nach der Vereinigung und dem Wegfall des dem Wiener Bazar weichen, einer Art frühem Einkaufszentrum. Johann von Sieberer ließ zur Feier der Vereinigung von Wilten und Innsbruck den Vereinigungsbrunnen am Bahnhof errichten, der unter den Nationalsozialisten entfernt wurde, um dem Verkehr mehr Platz zu geben. Auch zwei in den Erker im Erdgeschoss eingemauerte Grenzsteine mit den Wappen Innsbrucks und Wiltens an der Außenmauer des Hotel Goldene Krone in der Maximilianstraße erinnern noch daran.

Vieles zeugt von diesem Wachstum und der Eingemeindung um die Jahrhundertwende, der maßgeblich von großdeutsch-liberalen Politikern gelenkt wurde. In Wilten sind bis heute die zu dieser Zeit besonders populären „Helden“ der Tiroler Erhebung von 1809 in Straßennamen wie Andreas-Hofer-Straße, Speckbacherstraße oder Haspingerstraße verewigt. Westlich wuchs die Stadt entlang der Anichstraße bis zur Klinik und dem Westfriedhof in dieser Zeit ebenfalls. Ein kurzer Spaziergang von der Anichstraße durch die Kaiser-Josef-Straße, die Speckbacherstraße, die Stafflerstraße bis zur Sonnenburgstraße gibt einen guten Eindruck vom Städtebau zwischen 1880 und 1945. Die Gründerzeithäuser sind ebenso sehenswert wie die Südtirolersiedlung nahe dem Südring in der Speckbacherstraße.

Heute ist Wilten ein abwechslungsreiches und lebendiges Stadtviertel. Zwischen dem Oberdorf rund um das Gasthaus Haymon, Wilten West beim Friedhof und der Triumphpforte findet man traditionelles und neues Stadtleben in direkter Nachbarschaft. Zweckdienlicher Wohnbau aus den 1960er und 1970er Jahren trifft auf barocke Bürgerhäuser. Die Nähe zu Universität und Klinik in Kombination mit den geräumigen Altbauwohnungen machen Wilten für Studenten attraktiv. In urigen Kneipen wie dem Jolly treffen alteingesessene Wiltener auf junges Publikum.

Der Sieglanger westlich der Stadt war ein Lehen des Stiftes Wilten gewesen, auf dem im 15. Jahrhundert ein Ansitz entstanden war, das heutige Schloss Mentlberg. Auf historischen Karten kann man die Unterschiede zwischen dem unverbauten Zustand 1930 in verschiedenen Etappen bis hin zur verdichteten Siedlung ab 1980 nachverfolgen. Im 19. Jahrhundert entstand auf dem Gelände, auf dem heute das im Volksmund noch immer Zieglstadl genannte Gefängnis steht, eine Ziegelei. Der heutige Sieglanger am Inn war als Untere Figge bekannt und unverbaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte eine Verdichtung des Sieglanger. 1964 kam es zum Bau der Autobahn, einer wenig pittoresken Begrenzung des Stadtteils. Seit 1977 verbindet der sehenswerte Sieglangersteg mit 147 m Stützweite über Autobahn und Inn hinweg die Siedlung für Radfahrer und Fußgänger unkompliziert mit der anderen Nachkriegssiedlung, der Höttinger Au.